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mit den Nerven, den Tränen so nahe, wie seit Jahren nicht mehr. Er hatte nur den einen Wunsch, niemandem Rede und Antwort zu stehen, endlich allein zu sein. »Ich wollte dem Heini einen Schrecken einjagen, verdammt noch mal, ist das denn so schwer zu kapieren?«

      »Natürlich nicht«, sagte sie so sanft, wie man zu einem Verrückten spricht, »aber … ist dir das gelungen?«

      »Worauf du dich verlassen kannst. Die habe ich ganz schön fertiggemacht«, protzte er.

      »Die?« fragte Senta erschrocken, »war Martina etwa da?«

      »Ja, ja, ja«, brüllte er, »und jetzt laß mich endlich in Ruhe mit deinen blöden Fragen!« Er drehte sich um und stürmte mit großen Schritten davon.

      Aber sie ließ sich nicht abschütteln, sondern folgte ihm, obwohl sie fast laufen mußte, blieb schweigend und bewachend an seiner Seite. Sie ahnte zwar nicht, was geschehen war, nur soviel, daß Jürgen völlig durcheinander war und sie ihn auf keinen Fall in dieser Stimmung sich selbst überlassen durfte …

      Oben, in dem Junggesellenappartement, stand Martina vor dem großen Spiegel im Bad und erneuerte ihr Make-up. James Mann, hinter ihr, war dabei, sein dunkelbraunes Haar mit zwei Bürsten wieder in Form zu bringen.

      »Toller Knabe, dein Bruder«, höhnte er, »ich hoffe nur, du hast nicht mehr von dieser Sorte!«

      »Nö.« Martina zog sich andachtsvoll die Lippen nach. »Jürgen ist der einzige.«

      »Selten blöd von dir, von unserer kleinen Liaison zu Hause zu erzählen!«

      Sie fuhr herum. »Unsinn, ich habe kein Wort davon erwähnt!«

      »Dann möchte ich wissen, woher er es erfahren hat!«

      Martina war ganz in den Spiegel vertieft. »Sicher hat er mir nachspioniert. Der hat manchmal so Anwandlungen.«

      James Mann legte die Bürsten aus der Hand, fuhr sich mit dem befeuchteten Zeigefinger über die Augenbrauen. »Klingt nicht sehr glaubhaft.«

      »Oder eine Freundin von mir hat es ihm gesteckt.«

      Kurz blitzte es in den schläfrigen Augen des jungen Mannes auf, dann fragte er mit betonter Gleichgültigkeit: »Die Schwarze? Ist die so?«

      Martina bürstete den Puder von ihrem Gesicht. »Neidisch wie verrückt.«

      »Dann schick sie doch mal her.«

      Sie ließ ihr Puderbürstchen sinken, ihre Augen suchten im Spiegel den Blick des Mannes. »Das könnte dir so passen«, entschlüpfte es ihr.

      Er tat harmlos. »Aber wenn du doch selber sagst …«

      »Ich weiß, daß dir Senta von Anfang an gefallen hat. Aber sie kann dich nicht riechen, daß du es nur weißt. Sie nennt dich einen Playboy und was nicht sonst noch alles.«

      Er lächelte mit schmalen Lippen. »Hört sich interessant an. Ich glaube, ich muß mich unbedingt mal mit der jungen Dame befassen.«

      »Untersteh dich!«

      Er legte seine Hände auf ihre Schultern, drehte sie zu sich herum. »Eifersüchtig?«

      »Gar nicht. Ich will nur nicht … würde es dir denn passen, wenn ich mit einem deiner Freunde flirten würde?«

      »Warum nicht? …«

      Sie ließ ihn nicht aussprechen. »Du bist gemein!« schrie sie, »oh, so gemein!« Sie trommelte mit beiden Fäusten gegen seine Brust.

      Er ließ es geschehen, ohne sich zu rühren. »Sieh mal an«, sagte er, »du kannst ja sogar Temperament entwickeln.«

      »Warum bist du nur so?« rief sie mit trähenerstickter Stimme. »Dabei solltest du wissen, wie sehr ich dich liebe! Oder bin ich dir schon lästig? Aber ich kann nicht anders, ich finde dich einfach wundervoll! Wie du das eben mit Jürgen gemacht hast! Ich dachte, das Herz bliebe mir stehen und du … es war unwahrscheinlich!«

      »Da hast du ihn erlebt«, sagte er, »den Unterschied zwischen einem Mann und einem grünen Jungen. Sei nur schön brav, daß ich dich nicht wieder zurück zu deinen Boys in den Kindergarten schicke, hörst du?« Er lächelte, während er sprach, aber seine Augen beobachteten sie lauernd.

      »Ich tue ja alles«, flüsterte sie.

      Martina hatte ihren kleinen runden Spiegel vor sich auf den weißen Schleiflackschreibtisch gestellt und war mit voller Hingabe mit ihrem Make-up beschäftigt, als Jürgen am nächsten Tag zu ihr ins Zimmer trat.

      Sie warf ihm nur einen kurzen Blick zu, ließ sich aber nicht weiter vom Spiegel ablenken. »Raus«, zischte sie ihn an, »was fällt dir eigentlich ein? Du hast hier überhaupt nichts zu suchen.«

      Aber so leicht war ihr Bruder nicht abzuschütteln. Er kam unbeeindruckt näher. »Martina«, begann er.

      »Um Himmels willen, stoß nicht an den Tisch. Oder willst du, daß ich mein ganzes Make-up verwackele?« Sie hatte sich die blonde Haarfülle mit einem Frottéband aus der Stirn gebändigt.

      »Martina, ich muß mit dir sprechen.«

      »Na also, dann tu’s schon. Aber bleib mir vom Leibe und blas mir nicht deinen Atem ausgerechnet ins Gesicht …«

      Er setzte sich auf einen mit buntem Kreton überzogenen Hocker, ließ die Hände hängen und beobachtete sie schweigend.

      Das konnte sie nicht lange aushalten. Sie begann nervös zu werden. Ihre Hand verlor die Sicherheit. »O Boy«, rief sie wütend, »jetzt bin ich ausgerutscht! So eine Schweinerei! Daran bist du schuld!«

      Er ließ sie toben.

      »Wenn du gekommen bist, um dich zu entschuldigen«, rief sie, »dann tu’s doch endlich. Dazu brauchst du nicht stundenlang hier herumzusitzen und mich anzustarren!«

      »Entschuldigen … wofür?« fragte er und verstand sie tatsächlich nicht.

      »Als wenn du das nicht wüßtest! Stell dich nicht noch dümmer als du bist! Aber wenn es dich erleichtert …« Sie drehte sich zu ihm um und zeigte sich sehr gönnerhaft. »Du wirst staunen: ich habe dir bereits verziehen. Du siehst, ich trage dir nichts nach. Aber nun hau ab, ich habe Besseres zu tun.«

      Ihr Mißverstehen war so eklatant, daß es ihm die Sprache verschlug, und er errötete. Sie waren seit dem Vorfall in der Wohnung dieses James Mann nicht mehr allein gewesen, und er hatte angenommen, daß sie sich zutiefst vor ihm schämen müsse.

      »Du willst doch nicht etwa trotzdem wieder zu ihm«, fragte er und mußte sich räuspern, weil seine Stimme keinen Klang hatte.

      »Und wenn?« gab sie frech zurück. »Geht dich das was an?«

      »Doch, Martina«, sagte er, »dieser Bursche, er ist … er ist wirklich nicht wert, daß du …« – Es war furchtbar schwer für ihn. Er hatte Senta versprochen, möglichst taktvoll vorzugehen, und gerade das machte ihm Martina so schwer.

      Sie fühlte sich ihm mächtig überlegen. »Bist du sicher, daß du das beurteilen kannst?« fragte sie zuckersüß.

      »Ein Mann in seinem Alter, der sich ausgerechnet mit einem sechzehnjährigen Mädchen einläßt …«

      »Mit mir!« fiel Martina ihm ins Wort. »Ich bin nicht irgendeine! Ich bin das Mädchen, das er sein Leben lang gesucht hat!«

      »Sagt er das?« fragte Jürgen. »Oder bildest du dir das ein?«

      Jetzt war es an ihr, unsicher zu werden, denn sie hatte das ausgesprochen, was sie zu hören wünschte, nicht, was sie wirklich zu hören bekam. »Wenn du mir nicht glaubst«, erwiderte sie trotzig, »dann hat es überhaupt keinen Zweck, daß wir uns unterhalten.«

      »Warum holt er dich nicht von zu Hause ab?« fragte Jürgen hartnäckig weiter. »Warum stellt er sich nicht den Eltern vor …«

      »Weil er kein Spießer ist!« entgegnete sie prompt.

      »Quatsch«,

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