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aber dezent zu kleiden verstand. Ida Palmer war selbst eine sehr modebewußte Dame; sie war es auch gewesen, die Robert zu der Schau von »Pro vobis« mit in die Stadthalle genommen hatte.

      Die erste Begegnung fand sehr förmlich in der eleganten Palmerschen Wohnung statt, an einem Sonntagmorgen, und Julia hatte der Mutter ihres Freundes einen Strauß gelber Teerosen mitgebracht.

      »Das ist Julia«, stellte Robert sie vor, »das Mädchen, das ich heiraten will.«

      Roberts Mutter verzog das Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. »Wir werden sehen«, sagte sie ausweichend und rang sich ein Lächeln ab.

      Sie setzten sich um den runden Tisch aus dunklem, blank poliertem Mahagoniholz. Frau Palmer bot Sherry an, aber die jungen Leute wollten nichts trinken. Robert versorgte nur seine Mutter mit einem Untersetzer, einem Glas und Sherry aus einer Karaffe.

      Ida Palmer zündete sich eine Zigarette an. Sie war eine große schlanke Frau mit sorgfältig frisiertem, nachblondiertem Haar, den blauen Augen ihres Sohnes und, wie Julia fand, zu stark geschminktem Gesicht, in dem sich erste Falten zeigten.

      Obwohl Roberts Mutter und Julia sich, bei allem guten Willen, durchaus nicht auf Anhieb sympathisch waren, fanden sie doch rasch zu einem Thema, das sie gleichermaßen interessierte: die Mode.

      Robert hörte ihnen zufrieden und mit einiger Belustigung zu, ohne sich an der Unterhaltung zu beteiligen.

      »Nun sag doch endlich auch mal was!« forderte seine Mutter ihn schließlich auf.

      »Nun, wenn ihr es genau wissen wollt: Ich finde es absolut gleichgültig, ob die Röcke im nächsten Frühjahr kürzer oder länger werden.«

      »Ist es aber nicht!« widersprach Julia ihm. »Erfolg oder Mißerfolg unserer neuen Kollektion hängt davon ab. In unserer Branche muß man eine Nase dafür haben, was sich halten und was neu kommen wird.«

      »Für die Modemacher kann das schon wichtig sein, das sehe ich ein. Aber doch nicht für dich, Mutter. Du brauchst doch nur aus dem jeweiligen Angebot zu wählen.«

      »Das sagst du so! Wenn ich mich falsch entscheide und mir was aussuche, das sich dann nicht durchsetzt, laufe ich wie eine Vogelscheuche herum — oder komme mir wenigstens so vor.«

      »Das kann ihnen bestimmt nicht passieren!« behauptete Julia. »Ich wette, daß Sie einen todsicheren Geschmack haben.«

      Roberts Mutter schluckte diese Schmeichelei, ohne mit der Wimper zu zucken. Julia spürte, daß sie einen Erfolg verbuchen konnte.

      »Es geht um folgendes, Mutter«, sagte Robert, als sie aufgestanden waren, um sich zu verabschieden, »du weißt, wie gerne ich bei Wind und Wetter unterwegs bin. Aber wenn es mal zu schlimm wird, dann kann ich Julia doch mit heraufbringen, ja?«

      »Hier in die Wohnung?«

      Robert hielt dem Blick seiner Mutter stand. »In mein Zimmer.«

      Seine Mutter zögerte. »Ich hoffe, ihr wißt, was ihrtut.«

      »Darauf kannst du dich verlassen.« Robert gab ihr einen flüchtigen Kuß auf die Wange. »Danke dir! Wir sind ja keine Kinder mehr.« Er nahm Julia bei der Hand. »Komm, ich zeig’s dir gleich mal.«

      Roberts Zimmer war groß — mehr als doppelt so groß wie Julias, die noch nicht aus ihrem Kinderzimmer herausgewachsen war — ein gut proportionierter Raum mit einer Couch, einem Schreibtisch, Bücherregalen an den Wänden, bunten Teppichen, viel hellem Holz und einer aufwendigen Stereoanlage.

      Julia war begeistert; sie wußte sofort, daß sie sich hier wohl fühlen würde. Und das tat sie dann auch, an so manchem verregneten Sonntag und mehr als an einem stürmischen Wochenende.

      Es störte sie auch nicht, daß Robert klassische Musik bevorzugte, mit der sie — noch nichts anfangen konnte. Auf der Couch liegend, den Kopf an seine Brust geschmiegt, von seinem Arm umfangen, hätte sie alles über sich ergehen lassen. Er brachte dabei das Kunststück fertig, die Nase in eines seiner medizinischen Lehrbücher zu stecken. Doch sie war bereit, sich zu entspannen und hinzuhören, und so fand sie ganz allmählich auch Freude an seinem musikalischen Geschmack. Erst lernte sie die kleinen melancholischen Walzer von Chopin lieben, dann drang sie zu Mozart vor, später zu Brahms und Bruckner.

      Robert hatte ihr eine neue Welt eröffnet, und auch dafür liebte sie ihn.

      7

      Dann eines Tages erlebte Julia eine böse Überraschung.

      Robert hatte sie von der Firma abholen wollen, aber er war nicht gekommen. Das war ganz ungewöhnlich, denn Pünktlichkeit gehörte zu seinen Tugenden. Sie hatte sich dann auf den Weg in die Stadt gemacht, in der Gewißheit, daß sie ihm unterwegs begegnen müßte. Aber vergeblich hielt sie Ausschau nach ihm und seinem Motorrad.

      Als sie die väterliche Wohnung betrat, klingelte das Telefon. Noch im Trench, lief sie hin und nahm ab.

      Es war Robert. Seine Stimme klang fremd. »Entschuldige, ich konnte nicht …« begann er, um sich dann sofort selbst zu unterbrechen. »Kannst du herkommen? Bitte!«

      »Sofort? Ja, natürlich. Ist was passiert?«

      Aber da hatte er schon aufgelegt.

      Julia nahm sich nicht die Zeit, in den Spiegel zu blikken; sie rannte direkt los.

      Schon von weitem sah sie Roberts Mutter, die gerade das Haus verließ.

      »Ida!« rief sie und beschleunigte ihren Schritt.

      Aber falls Roberts Mutter sie gehört hatte — und Julia war sich dessen ziemlich sicher —, so reagierte sie doch in keiner Weise. Sie wandte ihr nicht einmal das Gesicht zu, geschweige denn, daß sie stehengeblieben wäre. Sie überquerte die Fahrbahn und stieg in ihr Auto.

      Einen Augenblick lang wußte Julia nicht, was sie tun sollte — sie aufhalten oder bei Robert klingeln. Ehe sie noch zu einem Entschluß kam, hatte Ida Palmer ihren Wagen aus der Parklücke rangiert und fädelte sich in den Verkehr ein. Julia wollte ihr nachwinken, ließ die Hand dann aber wieder sinken. Sie hatte begriffen, daß es sinnlos gewesen wäre.

      Robert begrüßte sie mit ungewohnter Leidenschaft. »Mein Liebling, daß du endlich da bist!«

      »Schneller ging’s wirklich nicht.«

      »So habe ich es nicht gemeint.«

      Sein Gesicht war gefährlich gerötet, wie sie es noch nie erlebt hatte. Instinktiv versuchte sie ihn durch gewollte Nüchternheit zu beruhigen.

      »Hilf mir erst mal aus dem Mantel, ja?«

      Er tat es und warf ihn über einen Stuhl.

      »Nicht doch!« Sie nahm den Trench und hing ihn sorgfältig auf einen Bügel; es war ihr verhaßt, wenn Kleidungsstücke unsachgemäß behandelt wurden.

      Das Kleid, das sie trug, war ein schlichtes graues Modell aus Schurwolle, kostbar — sie hatte es gebraucht aus der Kollektion gekauft. Wie gewöhnlich wollte sie es mit ihrem Seidentuch aufputzen.

      Er riß es ihr aus der Hand. »Laß das jetzt!«

      »Du hast ja recht«, sagte sie friedfertig. »Erzähl mir jetzt lieber …«

      Er zog sie wieder in die Arme. »Liebling, du mußt mir helfen! Ich brauche dich so sehr!«

      Sie hatte das Gefühl, daß er eine Auseinandersetzung mit seiner Mutter bei ihr abreagieren wollte; einerseits schmeichelte ihr das, andererseits war es ihr aber auch unangenehm.

      »Immer mit der Ruhe«, sagte sie, als er sie endlich freigab. »Der Himmel wird ja nicht gleich einstürzen, und du weißt doch, daß ich immer zu dir halte.« Sie nahm ihm das Seidentuch ab und legte es über den Trench. »Also, was ist geschehen?«

      »Meine Mutter ist wütend!«

      »Das habe ich gemerkt. Sie schoß aus dem Haus wie eine kampfbereite Amazone. Es fehlten nur Pfeil und Bogen.«

      »Findest

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