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hatten jetzt beide große Lust, miteinander zu schlafen, aber das war leichter gesagt als getan. Roberts Mutter ließ sie nur selten allein, und immer mußten sie befürchten, daß sie hereinplatzen könnte. Zu sich nach Hause wollte Julia ihren Freund nicht bitten, weil sie sich vor dem Vater genierte. Sie war für ihn immer noch ein kleines unschuldiges Mädchen; Es mußte ihn verletzen, dachte sie, wenn er herausfand, daß sie inzwischen zur Frau geworden war.

      Das Gebot der Stunde hieß, sich eine eigene Wohnung zu beschaffen. Das um so mehr, da der Vater wieder auf Freiersfüßen wandelte. Für Julia kam das ganz überraschend. Sie hatte ihn für einen alten Mann gehalten, der längst jenseits von Gut und Böse stand. Jetzt mußte sie akzeptieren, daß er noch längst nicht mit dem Leben abgeschlossen hatte. Er war erst Mitte vierzig und wirkte nun, da er wieder mehr Wert auf sein Äußeres legte, durchaus noch ansehnlich. Seine Freundin, die etwa zehn Jahre jünger als er war, gab sich munter und unbekümmert und zeigte durchaus nicht den Ehrgeiz, die Rolle der Stiefmutter zu übernehmen. Aber obwohl weder der Vater noch Lore Druck auf sie ausübten, hatte Julia das Gefühl — oder bildete sie es sich ein daß sie störte.

      Das Apartment, das sie endlich fand, lag in einer alten Villa am Stadtpark, nahe dem Gebäude von »Pro vohis«. Julias Wohnung bestand aus einem einzigen, allerdings sehr großen Raum mit einer integrierten Küchenzeile und einem separaten Bad. Mehr brauchte sie nicht. Es war niemals die Rede davon gewesen, daß sie mit Robert zusammenziehen wollte. Er wurde von seiner Mutter gut versorgt, und Julia drängte es nicht, ihm den Haushalt zu führen.

      Obwohl sie mit dem Vater gut ausgekommen war, empfand sie es doch als Erleichterung, ein eigenes Zuhause zu haben. Auch Robert war davon sehr angetan.

      Gemeinsam renovierten sie den großen Wohnraum. Sie liebten sich auf dem Teppichboden, zum ersten Mal ganz frei, und genossen die Schönheit ihrer jungen Körper, Anschließend veranstalteten sie ein Picknick, das sie im Schneidersitz verzehrten.

      Julia möblierte ihr Apartment ganz allmählich und mit Bedacht. Nichts aus ihrem häuslichen Jugendzimmer wollte in den schönen Raum passen. Bevor sie sich für eine sehr luxuriöse Bettcouch entschied und sie sich leisten konnte, kampierte sie im Schlafsack auf dem Boden. Robert und sie fanden das abenteuerlich und lustig.

      Von nun an hatte sie morgens nur wenige Schritte bis zur Firma zu gehen, und wenn sie in die Stadt wollte, holte Robert sie mit dem Motorrad ab. Ein Auto benötigte sie also nicht.

      Trotzdem nahm sie, auf Drängen von Frau Hagen, Fahrstunden und machte im Frühling ihren Führerschein.

      »Pro vobis« machte gewaltige Fortschritte; der Vertrieb wurde erweitert und ausgebaut. In ganz Deutschland mußten Kunden gesucht und ausgewählt werden. Es kam darauf an, das Interesse der besten Geschäfte zu gewinnen. In kleineren Städten durften höchstens zwei, in größeren konnten es bis zu fünf sein. Das brachte viel Arbeit mit sich und machte Reisen nötig. Meist fuhr Elvira Hagen allein, auf größeren Strecken ließ sie sich aber gern chauffieren. Julia lernte so nicht nur ganz Deutschland, sondern bald auch die Schweiz und Österreich kennen. Für Frankreich, England, Italien und später auch Spanien, Portugal und Skandinavien wurden einheimische Agenten eingesetzt, die, wenn eine neue Kollektion stand, nach Ratingen beordert wurden. Julia, die zwischendurch immer noch als Hausmannequin arbeitete, führte die neueste Kollektion dann vor. Mit Vergnügen stellte sie die eigene Persönlichkeit dabei ganz zurück, um nur das zur Geltung zu bringen, was sie trug.

      Anschließend wurde die Kollektion in anderen Städten vorgestellt. Elvira Hagen und Julia präsentierten sie; Julia als Starmannequin, Elvira Hagen als Leiterin und Ansagerin. Die anderen Mannequins wurden vor Ort engagiert.

      Es war ein aufregendes Leben, und Julia genoß es. Sie war nicht traurig darüber, daß sie durch ihre Reisen häufig von Robert getrennt war, denn dadurch wurde ihre Liebe nicht im Alltäglichen erstickt Sie glaubte, auch Robert müßte das begreifen.

      Den Schock, daß er kein Doktor werden würde, hatte sie sehr rasch überwunden. Daß er sich statt mit Latein und Anatomie nun mit Porzellan, Keramik und Glas befaßte, brachte sie einander näher, fand sie. In seinem Beruf waren Material und Design genauso wichtig wie in dem ihren, wenn auch die Mode nicht so starken Schwankungen unterworfen war.

      Als Robert seine Lehre beendet hatte — als Bester seines Jahrgangs —, feierten sie es ganz groß. Sie stießen mit Champagner an.

      »Nun können wir endlich heiraten!« verkündete er.

      Julia hatte bei aller Liebe jedoch Angst vor diesem Schritt, wollte es aber nicht zugeben. »Sobald du Onkel Edmunds Laden übernommen hast«, schränkte sie ein. »Einverstanden?«

      Robert stimmte zu, denn er dachte, daß die Übergabe des Geschäftes nicht mehr lange auf sich warten lassen würde.

      Aber es zog sich hin. Der alte Herr unterschrieb den Vertrag nicht, den Robert ihm vorlegte und der eine ansehnliche Leibrente für ihn vorsah.

      »Geduld!« mahnte er immer wieder. »Ich verstehe gar nicht, warum ihr jungen Leute immer so ungeduldig sein müßt.«

      »Aber er hat es dir doch versprochen«, meinte Julia, als Robert ihr davon erzählte.

      »Wahrscheinlich fällt es ihm jetzt doch schwer, das Geschäft aufzugeben.«

      »Könnte er dich dann nicht wenigstens zum Teilhaber machen?«

      Aber auch diesen Vorschlag lehnte der Onkel ab.

      9

      Eines Abends, es war Anfang Mai, kam Julia von einer Messe früher zurück, als sie erwartet hatte. Sie nahm ein Schaumbad, wusch sich die Haare und saß mit gekreuzten Beinen auf dem Bett, als es Sturm klingelte. Sie sprang auf, doch da wurde die Tür auch schon von außen aufgeschlossen.

      Es war Robert, der hereinstürmte. Sein Gesicht war wutverzerrt, die blauen Augen wirkten finster.

      Ehe sie noch zu einer Erklärung ansetzen konnte, wieso sie schon zurück war und warum sie sich nicht bei ihm gemeldet hatte — denn sie glaubte, das war der Grund für seine Aufgebrachtheit — fiel er über sie her. Von Zärtlichkeit konnte keine Rede sein.

      Es war, als könnte er nicht genug von ihr bekommen, als wäre es ihm nicht anders möglich, seine aufgestauten Gefühle abzureagieren. Zuerst wollte sie sich wehren, gab sich ihm dann aber hin und wurde von seiner Leidenschaft mitgerissen.

      Später lagen sie eng beieinander, keuchend, atemlos. Sie fuhr ihm mit dem Finger durch das Haar und suchte nach Worten, brachte aber keinen Ton hervor.

      Sein Kopf lag auf ihrer Brust. »Wenn er mich wenigstens nicht belogen hätte!« brach es aus ihm heraus. »Alles kann ich verstehen … alles verzeihen … aber das nicht!«

      Es dauerte eine Weile, bis sie begriff. Sein Ausbruch hatte also nichts mit ihr zu tun gehabt, stellte sie erleichtert fest.

      »Wen meinst du?« fragte sie und dann ahnungsvoll: »Onkel Edmund?«

      »Dieser Mistkerl! Ich könnte ihn mit meinen eigenen Händen erwürgen.«

      »Nein, das könntest du nicht. Du doch nicht. Aber erzähl schon! Versucht er dich weiter hinzuhalten?«

      »Er hat mit gezinkten Karten gespielt, und ich Idiot habe es nicht gemerkt. Er hat Verhandlungen geführt mit allen möglichen Unternehmen. Ich sollte für ihn nur die Notlösung sein, für den Fall der Fälle sozusagen. Aber jetzt steht er kurz vor dem Abschluß. Eine Drogeriekette will seine Räumlichkeiten übernehmen. Durch einen dummen Zufall habe ich es erfahren.«

      »Aber einen Vertrag hat er noch nicht unterschrieben, oder?«

      »Das wird aber bald der Fall sein. Ich habe ihm den Bettel vor die Füße geworfen. Ich lasse mich nicht länger zum Narren halten.«

      Und was willst du jetzt tun? hätte sie beinahe gefragt. Aber sie wollte ihn nicht noch mehr verunsichern und sagte statt dessen: »Das kann ich verstehen.« Sie löste sich von ihm und stand auf. »Ich mache uns ein bißchen Musik, ja?«

      Sie

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