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nicht, ich werde Sie daran mahnen. Gute Nacht, ich muss morgen sehr früh aufstehen. Unser geistlicher Herr hat den Oberingenieur Anderson gebeten, ihm schon um acht Uhr die Dampfmaschinen und die ganze Einrichtung des Schiffs zu zeigen, und da möchte ich auch dabei sein! Holla, Herr Anderson!‚

      Ein kräftiger schwarzbärtiger Mann mit klugem entschlossenen Gesicht ging in diesem Augenblick an den beiden vorüber und stierte in das Halbdunkel hinein, als suche er jemand.

      „Ja, ich bin’s, und ich möchte ein paar Worte mit Ihnen sprechen,‚ sagte Herr Rhondel. „Nochmals gute Nacht, Frau Eyre. Vergessen Sie Ihr Versprechen nicht.‚

      Hierauf wanderten die beiden Männer in ernstem Gespräch wohl ein halbes Dutzend Mal die ganze Länge des Verdecks auf und ab.

      „Es ist der einzige Weg,‚ sagte Herr Rhondel schliesslich.

      „Und ein verflucht guter dazu, wenn Sie mit dem übrigen recht haben,‚ entgegnete Sandy Anderson. „Topp, ich gehe durch dick und dünn mit Ihnen. Tun Sie das Ihre, ich werde das Meine tun, also auf Wiedersehen morgen früh, und nehmen Sie sich inzwischen gut in acht.‚

      Am nächsten Morgen wanderten fünf Männer, zu denen auch Herr Rhondel und der Geistliche gehörten, in Begleitung des Ingenieurs über das Zwischendeck, wo schon eine ganze Anzahl morgenfrischer irischer „Burschen‚ und „Mädel‚ paarweise, zärtlich umschlungen, herumspazierte, die sich alle zweifellos über die alte Heimat unterhielten.

      „Hierher, meine Herren,‚ sagte Anderson, indem er eine Tür zu einer eisernen Treppe öffnete, die tief hinunter in den hohlen Bauch des grossen Schiffs führte.

      Nun hiess der Oberingenieur zuerst die Gäste in seinem Königreich von Stahl und Dampf herzlich willkommen. Als aber die Männer durch die eiserne Türumrahmung in den gähnenden Schlund der schwerarbeitenden Riesen hinabschauten, bekamen sie zuerst nur ein undeutliches, verworrenes Bild von stossenden Kolbenstangen und sich drehenden Wellen. Dann führte sie Herr Anderson die unzähligen eisernen Stufen hinunter, mitten hinein in die Höhle der Ungeheuer.

      Alle an ihn gerichteten Fragen beantwortete der Oberingenieur mit dem Stolz und der Freude eines zärtlichen Vaters, der seine klugen Kinder einem Besuche im besten Lichte zeigen will, und da der hochwürdige Herr Abel Lankin seiner Bewunderung für all diese Maschinen am lebhaftesten Ausdruck gab, schenkte ihm der Führer auch die meiste Aufmerksamkeit. Der Geistliche war wie ein Kind in seinem unverhohlenen Erstaunen und Entzücken über die stählernen Wunder um ihn her.

      Jetzt deutete er auf eine von zwei riesigen, annähernd hundert Meter langen Stangen von poliertem Metall, die vom Maschinenraum durch das ganze Schiff hindurch bis in das Heck des Dampfers liefen.

      „Das ist die Schraubenwelle,‚ sagte Herr Anderson.

      „Welle!‚ rief Herr Abel Lankin im höchsten Erstaunen. „Das ist schon mehr eine Kirchensäule. Was hat sie denn zu tun?‚

      „Sie allein treibt dieses grosse Schiff, dreiundzwanzigtausend Tonnen Stahl ohne alles andre, mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von zwanzig Meilen in der Stunde durch das Meer dahin; ob dieses ruhig oder bewegt ist, das macht keinen Unterschied. Und es scheint sie überdies gar nicht anzustrengen. Legen Sie einmal Ihre Hand hierher, Herr Lankin.‚

      Herr Lankin berührte das glänzende Metall mit ängstlichen Fingern.

      „Es ist, als bewegte sie sich gar nicht,‚ sagte er.

      „Ja, sie bewegt sich aber doch recht tüchtig, sonst käme das Schiff nicht vorwärts. Sie fühlen es nur nicht, weil die Oberfläche so glatt ist. Sachte, sachte!‚ fügte er lachend hinzu, als Herr Lankin von dem Fusssteig weg neben die sich drehende Welle trat.

      „Nur sachte, oder Sie brechen durch. Zwischen Ihren Füssen und dem Ozean sind dort höchstens dreiviertel Zoll Stahl.‚

      „Bin ich denn der Wasseroberfläche so nahe?‚

      „Zwanzig Fuss unter der Oberfläche sind Sie, mein Herr, und noch tiefer hinunter werden Sie wohl nicht kommen wollen. Aber beeilen Sie sich, es gibt noch viel Sehenswertes hier unten.‚

      Herr Lankin war jedoch nicht vom Fleck zu bringen.

      „Wozu sind diese kleinen Löcher hier?‚ fragte er.

      „Zum Ölen,‚ sagte Herr Anderson gutmütig, wie zu einem Kind.

      „Und wenn Sie kein Öl hineintun?‚

      „Dann würde das Metall glühend heiss, vielleicht sogar schmelzen, und dem Nachlässigen würde der Kopf tüchtig gewaschen, darauf könnten Sie sich verlassen.‚

      Nun endlich riss sich Herr Lankin los und folgte den andern Forschungsreisenden durch den grossen, elektrisch erleuchteten, mit frischer, kühler Seeluft erfüllten Raum, dem der Ventilator die hundert Fuss höher eingefangenen atlantischen Winde zuführte. Aber der Zauber der grossen Schraubenwelle hielt auch hier noch, trotz aller Wunder der Mechanik, die diese geheimnisvolle Höhle barg, die Einbildungskraft des Geistlichen fest im Bann. Selbst den weissglühenden Feuerräumen, den sich drehenden Kurbeln, den surrenden Dynamomaschinen gelang es nicht, Herrn Lankins Aufmerksamkeit dauernd zu fesseln.

      Um einen letzten Blick auf die Welle zu werfen, schlich er sich leise zu ihr zurück, ehe er mit der Gesellschaft wieder an die frische Luft emporstieg. Herr Anderson war über die Verzögerung augenscheinlich etwas ungeduldig.

      „Sie müssen bei der Gesellschaft bleiben, Herr Lankin!‚ sagte er scharf, als der kleine bescheidene Geistliche wieder zum Vorschein kam. „Es könnte Ihnen bei den Maschinen leicht ein Unfall zustossen.‚

      Aber durch diese scharfe Zurechtweisung nicht abgeschreckt und nur mit der halblaut gemurmelten Entschuldigung, er habe seine Zigarrentasche verloren, begab sich jetzt Herr Rhondel eilig in den unteren Schiffsraum zurück.

      Der gutmütige Herr Anderson zupfte nur aufgeregt an seinem kurzen Bart, sagte aber kein Wort. Im nächsten Augenblick erschien auch schon Herr Rhondel, die Zigarrentasche auffällig in der Hand, wieder. Mit einem Murmeln, wahrscheinlich einer der übrigen Gesellschaft unverständlichen Entschuldigung, wandte er sich an Herrn Anderson.

      Aber seinen Worten gelang es nicht, die gute Laune des Ingenieurs wieder herzustellen. Der freundliche Führer hatte sich plötzlich in den kurzangebundenen Beamten verwandelt.

      „Zeigen Sie gefälligst diesen Herren den Weg zurück,‚ sagte er scharf zu einem seiner Untergebenen. „Ich muss an meine Arbeit.‚

      Ohne ein weiteres Wort drehte er der Gesellschaft den Rücken und stieg eilends wieder die vielen eisernen Stufen in sein eigenes rast- und ruheloses Reich hinab.

      Kaum war die Gesellschaft glücklich wieder oben auf Deck angelangt, als ein eigentümliches Ereignis eintrat. Das Pochen und Heben und Senken der Riesen im Schiffsraum, das Tag und Nacht den ungeheuren Schiffskörper in beständigem Zittern erhielt, hörte plötzlich auf. Zuerst ruhig und schnell, dann langsam und immer langsamer zog der grosse Dampfer durch die glatte See, und endlich lag er ganz still.

      „So still wie ein gemaltes Schiff auf der gemalten See!‚

      Da erhob sich unter den Reisenden wilder Tumult.

      Doch schon in der nächsten Minute trat der Kapitän unter die Aufgeregten und versicherte ihnen munter, es bestehe nicht die geringste Gefahr. Die kleine Störung in einer der Maschinen werde im Handumdrehen wieder gehoben sein.

      Aber eine ganze Stunde lang lag das Schiff bewegungslos da, und unter den Spielern wuchs die Aufregung mit jedem Augenblick. Oberst M’Clure blähte sich triumphierend auf und schrieb diesen hemmenden Zufall auf die Rechnung seiner eigenen Weisheit.

      „Ich hab’ es ja gewusst, das ‚kurze Feld‘ könne nicht verlieren,‚ sagte er. „Was sagt Ihr nun, Jungens?‚

      „Glück, das reinste Glück,‚ brummte Bob Eyre, der mit jedem Augenblick seine Aussichten kleiner werden sah. „Ohne diesen Zufall wäre das ‚lange Feld‘ unbedingt sicher gewesen; aber gegen das Glück ist nichts zu machen.‚

      „Unfälle

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