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immer bloß das Weiße in die Augen jezeigt und mit ’n Fingern in der Luft Klavier jespielt hat! Und dann damals, wo ich ihr den Umjang mit dem langen Lulatsch von Ladewichs verboten hatte, da wurde sie mondsüchtig und wollte ins bloße Hemde auf der Dachrinne balangsieren ...«

      »Na – und damals, wo sie scheintot war«, sagte Röschen. »Erst wie sie hörte, det ick ihr heißen Siejellack auf die Beene trippen wollte, jab sie die Verstellung auf.«

      »Ja – wir haben schon was mit ihr durchjemacht«, seufzte Herr Koblank, »und nu stellt sich die Jöhre hin und wirft mir vor, daß ich als junger Kerl mal ’n Dienstmädchen in die Backen jekniffen habe!«

      »Nee, Nante, da hast du mir nu falsch verstanden – det hat sie nich als Vorwurf jemeint. Sie hat dir nur verjliehen!«

      »Sie soll mir nich verjleichen – der Popel! Sie soll Respekt haben vor ihrem Vater, dem sie das Leben verdankt!«

      »Na – da hat woll auch ihre Mutter ’n bißken Anteil dran«, sagte Röschen, »und Respekt – Nante – Respekt bloß is auch so ’ne Sache, aber nich die Hauptsache, sondern det is die Liebe. Und lieben tut sie dir, det weeß ick am besten, also rede nich, wenn sie nach Hause kommt. Sie is immer schon unjlicklich, wenn sie in die Wohnung tritt. ›Bei andre Leute‹, sagt sie, ›riecht’s nach Kultur, bei uns immer nach Sauerkohl!‹«

      »Dafür könnte ich sie schon wieder tachteln! Sauerkohl riech’ ich doch lieber als den Kulturjeruch im Museum bei die ollen äjiptischen Mumien, wo ich bloß Kopfschmerzen von kriege!«

      »Nee – den Jeruch, den sie meint, der is noch anders! Aber da siehste, Nante, den Unterschied! Wir beede sind altmodische Leute, und unse Ansichten sind’s auch, denn die Zeit ist fortjeschritten, wir aber nich. Wat in meine Jugend unschicklich war, det is jetz schicklich!«

      »Aber, Rösekin, Schicklichkeit ist zu allen Zeiten immer dieselbige jeblieben!«

      »Nee!«

      Sie sagte es so heftig, daß er stutzte. »Wieso nee, Rösekin? Da steckt doch was hinter?«

      Frau Koblank häkelte erregt an ihrer Decke, ohne zu antworten.

      »Willst’s nich sagen?«

      »Nante, ick möchte nich jerne Krach machen, und du kannst solche Sachen nich ohne Krach abmachen!«

      »Das käme doch drauf an!«

      »Wenn du mir – nee, lieber nich!«

      »Raus mit die Maus, Rösekin!«

      »Wenn du mir versprechen willst, keenen Krach zu machen, sondern die Sache schlau anzufangen, dann möchte ick dir noch wat sagen, wo wir doch heute schon so vieles besprochen haben!«

      »Schieß los – ich versprech’ dir alles!«

      »Es is wat mit Theo«, zögerte sie.

      »Wieder anjepumpt?«

      »Ach Jott, da würde ick keen Wort mehr drüber sagen, wo du dir neulich so drüber uffjeregt hast, aber es is nich Jeld, sondern die Schicklichkeit, um die sich’s dreht. Da hat er nach alle die firlefanzigen Dinger zuletzt eene jehabt, die, nach ’m Bilde zu urteilen, ein sehr nettes Mädchen jewesen is, Mieze hieß sie. Ick hab’ ’n paar Briefe von sie jelesen – er läßt ja alles offen in die Schublade ’rumliegen, und ick muß sagen: Alle Achtung, sonne hübschen Briefe könnte ick janich schreiben. Immer waren sie hinten mit ’n Fingerhut zujesiegelt, und det war nötig, denn et war viel Jefühl drinne! Na – uff eenmal is’s aus mit Mieze – ohne Jrund, ohne alles! Jleich hat er ’ne andre, eene mit Ponnies bis uff die Neesenspitze ’runter – det Bild steht uff seinem Tisch in’n Joldrahmen. Einmal hat sie auch schon jeschrieben, aber ick mußte mir beim Lesen det Schnupptuch vorhalten, so roch er nach Patschuli!«

      »Deine rochen immer nach Tivoli«, bemerkte Herr Koblank.

      »Dir wird det Kalauern jleich verjehen«, sagte Röschen ärgerlich, »hör bloß weiter zu! Haste vorhin den Trillerpfiff unten in ’n Hof jehört? – Det war sie!«

      »Warum soll sie denn nicht trillern?«

      »Weil ihr dann Theo oben ein Zeichen jibt, det die Luft rein is, denn dann kommt sie oben!«

      »Wat?«

      »Ja – ick weiß’s von Anton. Der würde sich nicht drum kümmern, aber die Leute im Hause regen sich drüber uff, die olle Rektorn und dann die Rentjere! Anton hat ihnen jesagt, det is ’ne Versuchsdame, an die er sich üben muß, wie man falsche Zähne insetzt, aber sie jlooben’s nich, ick würd’s ooch nich jlooben.«

      »Ich auch nicht!« stimmte Herr Koblank zu.

      »Na siehste! Und wie ick jehört habe, finden sie es sehr komisch von mir, det ick als Mutter sowat dulde, wo ick eene unschuldige Tochter für die Ehe erziehen soll!«

      »Ich weiß nicht«, sagte Herr Koblank kummervoll, »die sexuelle Frage spielt eine zu große Rolle in unserer Familie – wo das alles herkommt! Und nun jloobste, daß das Patschulimädchen jetzt drüben bei dem Bengel ist?«

      »Ick jloobe, et is so, Nante!«

      »Na – dann werd’ ich mal ’rüberjehen!«

      »Nante, wenn du Krach machst, dann wird der Skandal janz jroß!«

      »Ich mache keinen Skandal«, sagte Herr Koblank, »hab keine Angst nich, aber dulden darf ich so was in meinem Hause nicht!«

      4

      Es hatte keinen lärmenden Auftritt gegeben – Herr Koblank hatte nur »dem Skandal ein Ende gemacht«. Die Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn hatte aber, gerade weil sie jedes Toben und Schimpfen vermieden, einen so hohen Grad gegenseitiger Feindseligkeit verraten, daß ein enges Zusammenleben zur Unmöglichkeit wurde, zumal Theo hinter diesem Zusammenstoß Röschens Einfluß vermutete und jedes Zusammentreffen, jede Aussprache, jeden Versöhnungsversuch schroff ablehnte. Er erschien nicht mehr zu den Mahlzeiten, kam nur nachts heim und – eines Tages – blieb er ganz fort.

      Am nächsten Morgen erhielt dann Herr Koblank einen Brief von seinem Sohn, in dem er ihm mitteilte, daß er sich in der Nähe der Universitätsklinik ein möbliertes Zimmer gemietet habe, um nicht »durch das tägliche Hin und Her so viele kostbare Arbeitszeit zu verlieren«. Er befreie dadurch die Familie von seiner anstößigen Gesellschaft, denn es sei ihm unmöglich, seine Lebensführung nach dem Metermaß der Philister einzurichten. Er bat, um die Kosten seines Unterhaltes bestreiten zu können, um pünktliche monatliche Einsendung einer Summe, wie sie andere Studenten auch bekämen. Sollte dieses Geld ausbleiben, so wäre er zu seinem Bedauern gezwungen, auf den Namen des Vaters Kredite zu fordern, Schulden zu machen, sein Studium aufzugeben und als Kellner oder Hausknecht nach Amerika zu gehen. »Alle Versuche, mich etwa wieder in das Prokrustesbett Eures Familienlebens zu spannen, sind unnütz« – schloß der ohne Gruß nur mit »Theo Koblank« unterzeichnete Brief.

      Ferdinand las zunächst einmal sorgfältig nach, was im Lexikon unter »Prokrustesbett« verzeichnet stand, dann erst gab er seiner Frau den Brief.

      »Ich bin dran schuld«, sagte sie schluchzend, »mein Jott, wenn ick jeahnt hätte, det es so kommen würde ...«

      »Ich kann mir nicht helfen«, bemerkte Herr Koblank, »der olle Ben Akiba hat doch immer recht – es ist alles schon dajewesen! So bin ich damals auch von meinem Vater wegjelaufen, weil er mich zwingen wollte, zwölf Jahre beim Militär zu bleiben, um den Zivilversorgungsschein und dann dadrauf eine Beamtenstellung mit Pensionsberechtigung zu kriegen. Da bin ich eines Tages einfach meiner Wege jegangen, und die haben mich in die höhere Kaste jeführt. Na – nu wollen wir doch mal sehen, ob der Bengel mit seinem Dickkopp in eine noch höhere rutscht! Jram bin ich ihm deswegen nicht, ich bin kein Prokrustes, werde ihm nischt von den Beinen abhacken oder ihn wie ’n Jummischlauch langziehen, damit er in die Bettstelle paßt. Das Jeld soll er haben – und nu loof, Jungekin, bis du dir die Hörner abjestoßen hast! Scherscheh la Famme – wie der olle Rat am Stammtisch immer sagt, was Französisch ist und soviel

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