Скачать книгу

Aufgabe zu lösen," bestand er. " Wenn es erledigt ist, legst du Bericht bei mir ab."

      " Warum gibt es keinen, der..."

      " Denk nicht mehr daran," winkte Ganj ab. " Dein Vorgänger verwaltete nicht die Interessen der Gemeinschaft, nur seine eigenen - möge Zarg mit Gnade auf ihn herabsehen. Er meinte, wir würden Zargs dunkle Kräfte herausfordern, wenn wir uns auf dieses Treiben einlassen, hinter unseren Grenzen."

      " Wir können ja nichts anderes tun," protestierte Zip.

      " Es freut mich, daß wir uns einig sind," sagte Ganj.

      Sie kreuzten die Grenze am Bach und setzten ihren Weg über die Wiese nach Westen fort. Er hatte eine größere Einheit als notwendig eingesetzt, weil er ein Exempel statuieren wollte in dieser, seiner ersten Operation. Hätten sie den Morgen für ihre Mission gewählt, wäre vieles leichter gewesen. Dann hätten die Tauperlen die Spinnennetze aufspürbar gemacht. Jetzt mußten sie sich vorantasten, und das beinhaltete immer ein gewisses Risiko. Aber stark, das waren sie. Nur die wenigsten Spinnennetze konnten eine Hornisse halten.

      Es wäre eine Aufgabe für die Kriegerameisen gewesen, wenn sie den Bach hätten überqueren können. Nichts auf der Welt konnte sich mit ihnen messen. Nichts, was er kannte, wenigstens...

      Es brauchte Zeit. Sie brauchten die meiste Zeit, um die Spinnen zu finden und zu töten. Er hatte sich noch nie etwas aus Spinnen gemacht. Er hielt sie für beschränkt. Selbst die größten Spinnen duckten sich vor dem Gift in ihrem Stachel. Aber es gab viele, zu viele, verbreitet über den Blumengarten auf der Wiese.

      Als der Tau fiel, waren sie gezwungen, sich zurückzuziehen. Bevor sie den Ort verließen, zählten sie die Männer durch. Und zu seiner Verwunderung fehlten zwei. Keiner hatte etwas gesehen oder gehört. In der ersten Dämmerung gaben sie die Suche auf und hielten Kurs auf Akorn.

      Erst unmittelbar vor Einbruch der Dunkelheit landete er auf Eichbergs Plateau und hastete auf den Eingang zu. Die Kreuzspinnen hatten schon die Fäden an den Kanten der Öffnung befestigt. Kaum war er drinnen, verspannen sie den Eingang für die Nacht.

      Er erstattete Ganj Bericht. Als er von den fehlenden Kriegern erzählte, entstand einen Augenblick eine Pause. Ganj hatte etwas vor sich hin gemurmelt, etwas über Zargs Zorn. Was er damit meinte, verlor sich im Ungewissen.

      Es war nicht ohne ein Gefühl des Stolzes, als er sich diese Nacht zur Ruhe begab. Die Nachricht würde seine Mutter lange vor ihm erreichen. Er erwartete, daß sie ihn zu sich rufen und ihre Zufriedenheit mit dieser, seiner ersten Tat, ausdrücken würde.

      Von da an waren es viele Taten gewesen. Und er war immer noch am Leben.

      6. Kapitel

       Es gab seit der Bildung der Gemeinschaft mannigfaltige Mythen um das, was man die Gunst und den Zorn der Götter nannte, im Verhältnis der Handlungen der Individuen und Arten untereinander. Am Anfang war es Ganj selbst, der - außer der drückenden Furcht vor ihm, ungezwungen seine Worte und Meinungen vertrat - sich wärmstens für Königin Sol und alles , für das sie stand ,einsetzte. In ihrem Namen setzte er die Einführung der Satzung durch, die für immer das friedliche Miteinander der Arten sichern sollte.

       Später - als er nicht mehr so warm in ihrem Namen sprach, wurde der Fund des " Blanken Dinges" bekannt. Und damit entstand der Mythos um den Gott der Dunkelheit, Zarg - und die Skolopender, die Zargs schwarzes Universum im Innern des " Blanken Dinges" bewachten.

       Auszug aus Spys Erinnerungen an die Zeit der Gemeinschaft.

      Die Kreuzspinne stand wie auf dem Sprung. Sie war groß, selbst für eine Kreuzspinne. Die langen behaarten Beine waren unter ihr gespannt, als ob sie es das sicherste fand, auf das Schlimmste vorbereitet zu sein. Aber die Augen, die kalt die übrigen Anwesenden maßen, ließen keine Nervosität erkennen.

      " Wir meinen es ernst," polterte Ganj.

      " Wer ist `wir`?" spottete Ogan. Ganj ignorierte sie.

      Die Feuerfliegen betrachteten sie schweigend von den Dachwölbungen.

      " Hast du etwas einzuwenden, dann mußt du es jetzt tun. Von jetzt ab wird es kein Pardon mehr geben." Ganj sah Ogan mit einem fragenden Blick an.

      Sie stand da , als wäre sie mitten im Sprung erstarrt. " Ich weiß nichts davon, daß jemand meiner Art Gesetze gebrochen hat," sagte die Spinne Ogan rauh. " Im übrigen könnt ihr mich..."

      " Du bist ein schlechter Repräsentant deiner Art," sagte Ganj. " Du warst deiner Aufgabe nie gewachsen, darum gibt es diese ewigen Probleme."

      " Ich weiß das eine oder andere von dir," rief Ogan mit schriller Stimme.

      " Ich weiß das eine und andere, was alles anders aussehen lassen könnte. Du kannst mich..."

      " Vielleicht sollten wir zusammen deinen Nachfolger finden," schlug Ganj vor.

      " Nachfolger?"

      " Früher oder später," erklärte die Libelle, " wird dir ein Unglück geschehen. Natürlich wirst du in angemessener Erinnerung bleiben, kurze Zeit danach. Darum müssen wir deinen Nachfolger finden."

      " Was soll das für ein Unglück sein?" fragte die Spinne. Die erste Ahnung von Furcht hatte sich in ihre Stimme geschlichen.

      " Du hast einen mächtigen Zorn zum Leben erweckt," sagte Ganj. Er ließ sich Zeit und redete langsam. " Wenn es notwendig wäre, würde ich dich selbst töten - aber es ist nicht notwendig."

      Ogan setzte ihren fetten Körper in Bewegung, auf den Gang zu. " Es ist unnatürlich, von Bienennektar zu leben," schnaufte sie aufgebracht. " Es ist natürlich für Spinnen, zu töten und zu fressen wie..."

      " Du begreifst es also?" unterbrach Ganj.

      " Ich begreife überhaupt gar nichts!" schrie Ogan.

      Sie maßen einander einen Augenblick. Ogans Stimme hallte durch die Gänge von Eichberg fort. Ihre eigene Einsamkeit schien sie von hier fortzurufen.

      " Die Zeit ist gekommen," polterte Ganj, " daß du diesen Ort verläßt." " Ich verlange, zu Königin Sol vorgelassen zu werden!" sagte Ogan mit zitternder Stimme. " Ich habe das Recht. Es gibt gewisse Dinge in deinem Auftreten, die sollte sie..."

      " Du hast keine Rechte mehr!" stellte Ganj fest. " Tu dir selbst den Gefallen und verschwinde jetzt, bevor ich dich rausschmeißen lasse. Es wäre ein peinlicher Fleck auf deinem Nachruf!"

      Ogan schleppte ihr Hinterteil über den Boden. In der Tunnelöffnung blieb sie stehen und machte einen letzten Angriff.

      " Ich werde mich rächen, ich werde einen Aufstand gegen dich erheben, das wirst du erleben..."

      " Für mich gibt es dich nicht mehr, Ogan. Für mich bist du nur ein Blatt in einem Wald von Erinnerungen." Ihr Spiegelbild in den blanken Kuppelaugen der Libelle war schmal und oval. Dann verschwand es und wurde von der Dunkelheit der Gänge verschluckt.

      Ganj blieb allein zurück. Im Schein der Feuerfliegen warf er einen länglichen, matten Schatten auf den Boden. Er fühlte sich alt. Er haßte dieses Gefühl, denn er erkannte trotz allem, daß die Kraft zur Jugend gehörte. Aber er hatte die Erfahrung eines langen Lebens für sich - und er war ein Meister darin, Mythen um sich selbst neue Nahrung zu geben. Wenn nur alle an die Existenz seiner Stärke glaubten, war es nicht mehr notwendig, sie zu demonstrieren. Statt dessen verlangte er nach einem Nachtschwärmer.

      Die Kreuzspinne beim Eingang zu Eichberg warnte Ogan, als sie den Eichstumpf verließ und in Richtung auf den Wald fortkrabbelte.

      Ein Nachtschwärmer hatte kurz vorher Eichberg verlassen.

      Ogan beobachtete die Wolken, die ohne ein Geräusch über den Nachthimmel trieben. Wenn sie den Mond bedeckten, wußte sie, daß sie schwer zu finden sein würde. Sie kannte die Gerüchte, obwohl sie sich das nicht anmerken ließ. Aber in ihrem Innern nagte die Furcht.

      Nach einer Weile kroch sie in den Schutz eines Grasbüschels und

Скачать книгу