Скачать книгу

so dein Leben?« Würde er Silas verlieren, sobald sie in New York anlegten? »Keine Gedanken an morgen?«

      Silas schwieg. Sein Blick schweifte nach oben zum dunkler werdenden Himmel auf der anderen Seite der Glasdecke. »Oh, ich habe Gedanken. Aber ich werde sie nur berücksichtigen, nachdem ich den Sonnenaufgang gesehen habe.«

      Angst durchflutete Rhys. »Du glaubst, du wirst sterben. Jede Nacht.«

      »Nein«, sagte Silas. »Aber ich weiß, dass ich es eines Nachts werde.«

      Gezwungen, auf diesem Schiff zu sein. Geschickt, hatte er gesagt. Gefährliche Angelegenheiten. »Warum? Was bist du, so eine Art Feen-Geheimagent?«

      »Fae.« Silas nahm Rhys' Hand, hob sie an seine Lippen und knabberte an seinen Fingerspitzen. »Ich arbeite für die Götterboten«, sagte er zwischen zwei Bissen.

      Das Gefühl wanderte direkt in Rhys' Hoden. Er versuchte, sich auf Silas' Worte zu konzentrieren statt auf den nassen und seidigen Mund, der seinen Zeigefinger umschloss. »Götterboten?«

      »Mhmm.« Silas umspielte seinen Ringfinger.

      Das war offensichtlich die falsche Frage gewesen. Er versuchte es mit einer anderen. »Was tust du?«

      Silas hörte auf, an seinen Fingern zu saugen, ließ sie aber nicht los. »Was auch immer sie von mir verlangen.« Er erhob sich, noch immer Rhys' Hand haltend. »Mir ist die Zeit ausgegangen.«

      Der letzte Satz war beinahe ein Flüstern. Rhys stand auf und küsste Silas' Fingerknöchel. »Werde ich… Du…« Die Verzweiflung drohte, ihm die Luft abzuschnüren. »Ich möchte dich morgen sehen.«

      Stille breitete sich zwischen ihnen aus. Es dauerte länger – viel länger, als Rhys lieb war –, bis Silas ausatmete. Der Hauch eines Lächelns auf seinem Gesicht bot einen Hoffnungsschimmer. »Du berührst mich, Rhys, auf eine wilde und wunderbare Art und Weise. Das ist sehr selten. Wenn die Schicksalsgöttinnen es erlauben, wirst du mich wiedersehen.«

      »Ich mag es nicht, mein Leben dem Schicksal zu überlassen.« Rhys küsste Silas' Hand erneut und atmete den würzigen Geruch seiner Haut ein. »Was kann ich tun, um dir zu helfen?«

      Silas blickte zum Glasdach auf. Falten zerfurchten seine Stirn. »Du hast gesagt, dass es eine Bar gibt? In diesem Garten?«

      Rhys deutete zu den Palmen. »Auf der anderen Seite.«

      »Wenn du mir helfen willst, bleib dort, bis ich wiederkomme.« Silas ließ Rhys' Hand los. Mit einem Finger fuhr er seinen Hals entlang. »Bitte.«

      Obwohl es im Garten warm und schwül war, lief Rhys ein kalter Schauer den Rücken hinunter. »Wie lange? Was ist, wenn du nicht zurückkommst?«

      »Bis zum ersten Tageslicht.«

      Ein Stein lag Rhys im Magen. Arbeit während der dunklen Stunden. Irgendetwas, das Silas töten könnte.

      »Gott, jagst du etwa…«

      Silas drückte zwei Finger gegen seine Lippen, hielt ihn so davon ab, das letzte Wort zu sagen.

      »Bleib hier bis zum ersten Morgenlicht.« Ein scharfer Gesichtsausdruck hob die langen Linien von Silas' Gesicht hervor. Doch es war kein Verlangen. Den Gesichtsausdruck hatte Rhys heute oft genug gesehen, um ihn zu erkennen. »Ich werde zu dir zurückkommen.«

      Die Bestimmtheit in Silas' Worten sorgte dafür, dass Rhys' Wangen sich erwärmten. Silas ließ ihn los.

      »Versprochen?«

      »Bei meiner Ehre.« Silas trat einen Schritt zurück. »Bleib hier im Garten.«

      »Ich hoffe für dich, dass du mir das alles hier erklären wirst.«

      Silas machte einen weiteren Schritt rückwärts. »Bei einem Kaffee.« Er legte seine Hand über sein Herz. »Ein weiteres Versprechen.«

      »Ich werde dich darauf festnageln. Und wenn ich dich fesseln muss, um die Wahrheit aus dir herauszukitzeln.«

      Ein Aufblitzen von Zähnen. »Dann habe ich ja etwas, worauf ich mich freuen kann.«

      »Dein guter Kumpel Horaz wäre entsetzt. Nach vorne schauen.«

      Silas lachte. »Wahrscheinlich. Er konnte manchmal so ein Arschloch sein.«

      Rhys erstarrte. Hatte Silas gerade gesagt…

      Ein weiteres diabolisches Grinsen von Silas. »Morgen«, sagte er. Dann drehte er sich um, stolzierte den Pfad entlang und verschwand aus dem Sichtfeld.

      Weg.

      Verdammt, er hasste die Leere, die von ihm Besitz ergriff, und kämpfte gegen den Instinkt an, Silas zu folgen.

      Die Bar. Er könnte einen Drink gebrauchen. Rhys begann, sein Hemd zuzuknöpfen und seine Krawatte neu zu binden. Die Art, wie seine Jacke fiel, verdeckte größtenteils seinen halb steifen Schwanz.

      Wie sich herausstellte, war die Tropics Bar ein sehr beliebter Ort. Die meisten Tische waren besetzt. All die kleinen verwinkelten Nischen unter den Palmen waren, wie sollte es auch anders sein, von Pärchen belegt.

      Das Rauschen eines Springbrunnens untermalte die Musik eines Jazzpianisten. Die Luft duftete süß, sinnlich, allerdings nicht so lebendig wie zuvor, als er Silas in seinen Armen gehabt hatte. Oder in seinem Mund.

      Rhys setzte sich auf einen Hocker an der Bar. Er kannte sogar den Kellner, der zu ihm trat, um ihn zu bedienen.

      »Mr. Matherton.«

      Wie hieß der Mann noch gleich? Ein Tuch, das über die Schulter des Mannes geworfen lag, verdeckte sein Namensschild. Verdammt noch mal. Namen waren wichtig, hatte Silas gesagt. Merk sie dir.

      »Vasil.«

      Der Kellner nickte. »Kann ich Ihnen etwas bringen?«

      Die Bierauswahl war enttäuschend begrenzt. »Ich hatte an ein Bier gedacht.« Rhys tippte auf die Liste. »Aber ich bin offen für Vorschläge.«

      Vasil schaute auf die Karte. »Für die meisten davon ist es hier zu warm.« Er schaute auf. »Aber Sie wirken nicht wie jemand, der gerne fruchtige Cocktails trinkt.«

      »Jaa, ich bin mehr der Typ für Bier oder Jack Daniels.«

      »Dann also einen Whiskey-Manhattan.«

      Rhys nickte und reichte Vasil die Karte. Er hatte keine Ahnung, was in dem Getränk enthalten war, aber das Mindeste, was er tun konnte, war, dem Kellner, den er vorhin so schlecht behandelt hatte, zu vertrauen.

      Sein Getränk wurde ihm in einem Martiniglas serviert, mit einer Kirsche und einer Spirale Orangenschale darin. Doch es hatte die Schärfe von Whiskey und dazu süße und bittere Noten. »Das ist gut.«

      Der Kellner nickte erneut und machte Anstalten, sich umzudrehen und zur anderen Seite der Bar zu gehen.

      »Vasil«, sagte Rhys. »Es tut mir leid. Wegen vorhin.«

      Der Kellner hielt inne. »Machen Sie sich keine Gedanken darum.« Leicht dahin gesprochene Worte. »Mr. Quint hat ja dafür gesorgt, dass Sie für die zwei Scotch ein ordentliches Trinkgeld dagelassen haben.« Er ging fort.

      Rhys lachte leise in sich hinein. Bestrafung. Bezahlung. Silas hatte so viele verschiedene Persönlichkeitsaspekte. Seine Belustigung verflog. Silas. Er schaute dem Kellner hinterher. Wusste er es? Nein, natürlich nicht. Silas hatte gesagt, dass keine anderen Fae auf dem Schiff waren.

      Fae. Rhys trank einen Schluck seines Drinks und atmete dann aus. Wenn er ihren letzten Wortwechsel richtig verstanden hatte, war Silas nicht nur nicht menschlich, er war alt. Sehr alt. Rhys hatte keine Ahnung, wann Horaz gelebt hatte, aber er wusste, wann Rom gefallen war.

      Rhys ließ sich vom Barhocker gleiten. Drei Stühle waren neben etwas, das wie ein Bücherregal aussah, frei geworden. Er setzte sich auf einen. Er brauchte etwas Raum und Zeit, um nachzudenken.

      In was hatte er sich nur hineingeritten?

      Kapitel

Скачать книгу