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Gottes kund. Sie gruben weiter, sodass das Wasser herausfließen konnte und alle Lebewesen, Tiere und Men-schen, davon trinken konnten. Schon vorher war Abdulmuttalib ein angesehener Mann ge-wesen, und die Mekkaner hatten ihn bei schwie-rigen Fragen zum Richter erwählt. Danach ge-noss er noch mehr Respekt.

      Die Jahre vergingen, und Abdulmuttalib wur-den tatsächlich zehn Söhne geboren. Und nun er-innerten ihn seine neuen Träume an den Eid, den er damals geschworen hatte.

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      Der Tag der Entscheidung

      Langsam ging die Sonne auf, und die Mor-gendämmerung hüllte Mekka in ein schö-nes Rot. Für Abdulmuttalib sollte einer der schwersten Tage seines Lebens anbrechen. Er stand noch ganz unter dem Einfluss des Trau-mes, den er in der letzten Nacht gesehen hatte, und ständig musste er an seine Söhne denken. Am meisten sorgte er sich um seinen schönsten Sohn Abdullah. Abdullah war anders als seine Brüder. Seine Stirn leuchtete förmlich, was ihn besonders ansehnlich machte. Seine Schönheit war in aller Munde. Dieses helle Leuchten hat-ten auch Abdulmuttalibs Vater und Großvater auf der Stirn getragen. Es war schon vor Adam, dem ersten Menschen und Propheten, erschaf-fen und diesem dann geschenkt worden. Adam hatte es weitervererbt, und so gelangte es zum Propheten Abraham. Dieser gab es an den Pro-pheten Ismā‘īl weiter, bevor es schließlich - je-

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      weils über die Söhne - zu Abdullah kam. Und es sollte nicht mehr lange dauern, bis es seinen wah-ren Besitzer finden würde.

      Nachdem die Sonne ein wenig höher am Himmel stand, erwachte das Haus von Ab-dulmuttalib zum Leben. Der todtraurige Vater rief alle seine Söhne zu sich und erzählte ihnen von dem Versprechen, das er Gott vor Jahren beim Graben nach der Zemzem-Quelle gegeben hatte. Zuerst traute er sich nicht, den Kopf zu he-ben und seinen Söhnen in die Augen zu blicken. Aber nachdem er sich gefangen hatte, forderte er seine Kinder auf: „Jetzt sagt mir, was ihr darüber denkt!“ Die Kinder antworteten ihm, als hätten sie sich untereinander abgesprochen: „Liebster Vater, wenn du Gott ein Versprechen gegeben hast, dann fügen wir uns darein. Du kannst aus-wählen von uns, wen du möchtest, wir werden dir Gehorsam leisten.“ Abdulmuttalib erwider-te: „Einverstanden. Dann holt euch jetzt alle ein Stöckchen und schreibt euren Namen darauf. Danach gehen wir zusammen zum Richter an der Kaabe und lassen ihn eines davon ziehen.“

      Diese letzten Worte gingen ihm nur schwer über die Lippen. Abdulmuttalib wurde einer har-ten Prüfung unterzogen. In seinem Innern toste

      Muhammed - Der Herr der Herzen

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      ein Sturm, was er aber nach außen nicht zeig-te. Immer wieder sagte er sich: „Das Wort, das man Gott gibt, steht über allem. Ich muss mein Versprechen einlösen.“ Während er mit seinen zehn Söhnen zur Kaabe marschierte, grübelte er weiterhin über seine Situation nach. Als sie an dem ersten Gebäude und Gotteshaus auf Erden ankamen, erklärte Abdulmuttalib dem Richter den Grund für ihr Kommen. Als der Richter begriff, dass er darüber entscheiden sollte, wel-chen seiner Söhne Abdulmuttalib opfern wollte, stockte ihm der Atem. Abdulmuttalib hielt dem Richter die Stöckchen hin und verlangte mit ge-tragener Stimme von ihm, eines zu ziehen. Hät-te der Richter Abdulmuttalib nicht gekannt, so hätte er versucht, ihn davon abzubringen. Aber vor ihm stand das Oberhaupt und der respekta-belste Mann von Mekka. Also schaute er kurz auf die Stöckchen, entschied sich für eines und zog es heraus. Stotternd las er den Namen vor, der darauf stand:

      „Ab-dul-lah!“

      Abdulmuttalib fühlte einen Stich im Herzen. Abdullah war sein liebstes Kind, aber er hatte Gott ein Versprechen gegeben, und das konnte er nicht brechen. Er nahm Abdullah an die eine

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      Hand und ergriff mit der anderen sein Messer. Dann ging er mit seinem Sohn zu der Stelle, an der er ihn zu opfern gedachte. Abdulmuttalib versuchte, die Fassung zu bewahren, während Abdullah noch immer große Entschlossenheit zeigte. Prompt eilten die Ältesten der Quraysch zu Abdulmuttalib und fragten ihn: „Was hast du vor, Abdulmuttalib?“ Abdulmuttalib entgegnete ihnen verzweifelt, aber energisch: „Ich werde ihn opfern.“ Daraufhin sagten sie zu ihm: „Tu das bloß nicht! Du bist ein Vorbild für uns. Wenn du deinen Sohn opferst, stiftest du damit eine schlimmen Brauch.“ Doch was sie auch sagten, war vergebens. Abdulmuttalib wollte sich nicht von seinem Vorhaben abbringen lassen.

      Plötzlich aber verschaffte sich eine Stim-me aus der Menge Gehör: „Tu das auf keinen Fall hier und jetzt! Geh vorher erst zu dem be-rühmten Weisen im Hidschāz, und hol dessen Rat ein. Wenn er dir sagt, dass du deinen Sohn opfern sollst, dann opferst du ihn. Wenn er dir etwas anderes vorschlägt, dann befolgst du es. Somit würdest du dein Wort halten.“

      Diese Idee schien Abdulmuttalib zu überzeu-gen. Er ließ sein Messer fallen und machte sich mit einigen Gefolgsleuten auf den Weg. Dort

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      angekommen, erzählte er dem berühmten Wei-sen von dem Traum und dem Versprechen und bat ihn, eine Lösung zu finden.

      Der Weise fragte ihn: „Wie hoch ist bei euch das Blutgeld (das ein Mörder als Sühne an die Familie des Ermordeten zahlt)?“ „Zehn Kamele“, sagte Abdulmuttalib. „So kehr zurück in deine Stadt, treibe zehn Kamele zusammen, und hol dann deinen Sohn hinzu. Anschließend nimmst du mehrere Pfeile und legst sie in einen Topf. Auf einen davon schreibst du den Namen Ab-dullah. Danach zieht ihr verdeckt einen Pfeil he-raus. Jedes Mal, wenn der Pfeil mit dem Namen darauf gezogen wird, treibt ihr zehn weitere Kamele zusammen. Sobald aber ein Pfeil ohne Namen gezogen wird, ist dein Sohn frei, und du musst ihn nicht mehr opfern.“

      Diese Lösung machte Abdulmuttalib und sei-nen Begleiter Hoffnung. Ohne Zeit zu verlieren, kehrten sie nach Mekka zurück. Bevor er den Ratschlag des Weisen ausführte, wandte sich Abdulmuttalib an Gott und betete lange zu Ihm. Dann versammelte er die Kamele und Abdullah auf einem Platz, und das Loseziehen begann. Abdulmuttalib beobachtete das Geschehen und flehte auch weiterhin sorgenvoll zu Gott.

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      Bei der ersten Ziehung kam der Pfeil mit Ab-dullahs Namen zum Vorschein. Also mussten weitere zehn Kamele herbeigebracht werden. Auch beim zweiten Mal wurde der Pfeil mit dem Namen gezogen, und so ging es neun Mal hin-tereinander. Als bereits 100 Kamele zusammen-getrieben worden waren, wurde endlich ein Pfeil ohne Namen gezogen. Da gratulierten die An-wesenden Abdulmuttalib zu seinem Glück und sagten zu ihm: „Nun hast du Allāhs Wohlgefal-len erlangt, Abdulmuttalib.“ Doch dieser wollte sichergehen und ließ drei weitere Male einen Pfeil ziehen. Erst als auch da jedes Mal ein Kamel gezo-gen wurde, war Abdulmuttalib überzeugt. Er op-ferte die 100 Kamele und verteilte ihr Fleisch an die Armen. Auf diese Weise löste Abdulmuttalib sein Versprechen ein, das er Allāh einst in dem festen Glauben, es auch zu erfüllen, gegeben hatte.

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      Die Eheschließung

      Als sich der Vorfall an der Kaabe ereignete, war Abdullah ein junger und gut aussehen-der Mann. Viele junge Mädchen wünsch-ten sich, ihn zu heiraten. Doch sein Vater suchte nach einer Frau für ihn, die in jeder Hinsicht zu ihm passte. Schließlich hielt er bei Wehb, dem Oberhaupt der Familie Zuhra, um die Hand von dessen Tochter Āmine an. Āmine war die Schönste und zugleich Tugendhafteste unter den Töchtern des Stammes der Quraysch. Als Abdulmuttalib zu ihm kam, sagte Wehb: „Liebs-ter Cousin. Dein Antrag wurde uns bereits un-terbreitet. Āmines Mutter hat heute Nacht ge-träumt, dass ein so helles Licht Einzug in unser Haus hielt, dass es Himmel und Erde erleuchte-te. Und ich selbst habe heute im Traum unseren Großvater, den Propheten Abraham, gesehen. Er sagte zu mir: ‚Ich habe die Ehe zwischen Ab-dulmuttalibs Sohn Abdullah und deiner Toch-ter Āmine geschlossen. Gib auch du ihr deine

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      Zustimmung.‘ Seit heute Morgen denke ich an nichts anderes und frage mich, wann ihr end-lich

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