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sein, Mister Helmers“, meinte er. „Dort kommt schon wieder ein horseman, der es auf Euch abgesehen hat.“

      Der Wirt drehte sich nach dem Reiter um, erkannte ihn und sagte lebhaft: „Das ist einer, den ich stets willkommen heiße, ein tüchtiger Kerl, auf den man sich in jeder Beziehung verlassen kann.“

      „Wohl ein Trader, wie es scheint, der bei Euch seine Warenvorräte erneuern will?“

      „Meint Ihr das, weil er zu beiden Seiten des Sattels so große Taschen hängen hat?“

      „Ja.“

      „So irrt Ihr Euch. Er ist kein Händler, sondern einer unserer vorzüglichsten Scouts, ein Mann, den Ihr kennenlernen müsst.“

      „Vielleicht ist mir sein Name bekannt.“

      „Wie er eigentlich heißt, weiß ich nicht. Man nennt ihn allgemein den Juggle-Fred, weil er Hunderte von Kunststücken zu machen versteht, über die jeder in Erstaunen gerät. Die dazu gehörigen Sachen führt er in den auffälligen Taschen bei sich.“

      „Habe schon von ihm gehört. Er ist ein reisender Taschenspieler, der bei Gelegenheit den Führer und Pfadfinder macht, nicht wahr?“

      „Gerade umgekehrt: ein ausgezeichneter Fährtensucher, der seine Gesellschaft gelegentlich mit Kunststücken unterhält. Er scheint mit berühmten Zirkusleuten gereist zu sein und ist auch der deutschen Sprache mächtig. Warum er in den Westen gekommen ist und auch da verbleibt, während er anderswo durch seine Fingerfertigkeit ein steinreicher Mann werden könnte, das weiß ich nicht, geht mich auch nichts an, doch ich bin überzeugt, dass Ihr Euer Wohlgefallen an ihm haben werdet.“

      Der Reiter, über den diese Bemerkungen gemacht wurden, war jetzt nahe herangekommen. Er hielt, nur noch eine kurze Strecke von dem Haus entfernt, sein Pferd an und rief: „Hallo, alter Lodging-uncle[3], hast du noch Raum für einen armen Neddy-wretch[4], der seine Zeche nicht bezahlen kann?“

      „Für dich ist zu jeder Zeit Platz vorhanden“, erwiderte Helmers. „Komm nur heran! Steig vom Ziegenbock herab und mach es dir bequem! Du wirst dich in angenehmer Gesellschaft befinden.“

      Der einstige Taschenspieler überflog die Anwesenden mit prüfendem Blick und meinte: „Will es hoffen! Unseren Bloody-Fox kenne ich bereits. Der Schwarze macht mir keine Sorge. Der andere kleine Gentleman im Frack und Ladyhut scheint auch kein übler Kerl zu sein. Und der Dritte dort, der in den Käse beißt, als müsse er eine Igelhaut verzehren, nun, hm, den werde ich wohl noch kennenlernen.“

      Es war eigentümlich, dass sich auch dieser Mann über den Mormonen sogleich vorsichtig äußerte. Er trieb sein Pferd vollends heran und sprang aus dem Sattel. Während er den Wirt wie einen alten Freund mit ausgestreckten Händen herzlich begrüßte, konnte Frank ihn betrachten.

      Dieser Juggle-Fred war eine selbst hier im fernen Westen auffallende Erscheinung. Das Erste, was man an ihm bemerkte, war ein bedeutender Höcker, der seine sonst wohlgegliederte Gestalt verunzierte. Sein Körper war von mittlerer Größe und sehr kräftig gebaut, nicht etwa kurzleibig, engbrüstig und langarmig. Sein rundes, volles, glatt rasiertes Gesicht war tief gebräunt, aber auf der linken Seite arg zerrissen, als sei da einmal eine fürchterliche Wunde kunstwidrig zusammengeflickt worden. Und sonderbarerweise waren seine Augen ganz auffallend verschieden gefärbt; das linke war vom schönsten Himmelblau, während das rechte das tiefste Schwarz zeigte.

      Er trug hohe, braune Büffelkalbstiefel mit großrädrigen mexikanischen Sporen, schwarze Lederhose mit ebensolcher Weste und darüber ein blusenartiges Wams von starkem, blauem Tuch. Um seine Lenden war ein breiter Ledergürtel geschnallt, der einer so genannten Geldkatze glich und neben den Patronen, dem Messer und einem Revolver von bedeutendem Kaliber allerhand Kleinigkeiten enthielt, deren ein Westmann bedarf. Weit in die Stirn herein, sodass sie völlig verdeckt wurde, saß eine ziemlich neue Bibermütze. Der Schwanz des Tieres hing hinten bis über den Nacken herab. Sein Pferd war von Helmers scherzhafterweise als Ziegenbock bezeichnet worden und dieser Vergleich hatte seine Berechtigung. Das Tier war außergewöhnlich hochbeinig und scheinbar recht abgetrieben. An dem nackten Schwanzstummel, den es jetzt tief gesenkt hielt, saßen nur noch einige wenige kurze Haare. Ob das Ross einst ein Rappe, ein Brauner oder ein Fuchs gewesen war, vermochte man jetzt nicht mehr zu bestimmen, denn sein Körper war an vielen Stellen völlig kahl, und da, wo Haare noch vorhanden waren, zeigten sie ein so unbestimmtes Grau, als sei der alte Hengst bereits zur Zeit der Völkerwanderung von irgendeinem Sueben oder Gepiden[5] geritten worden. Von einer Mähne war keine Spur zu merken. Der unverhältnismäßig große Kopf hing so weit nieder, dass das Maul beinahe die Erde berührte, und schien die langen, dicken und kahlen Eselsohren kaum tragen zu können, die sich wie riesige Lederbehälter liebevoll bis an die Unterkiefer schmiegten. Dazu hielt das Tier die Augen geschlossen, als schlafe es, und wie es so bewegungslos dastand, war es ein unübertreffliches Bild der Dummheit und der bemitleidenswerten Unbeholfenheit.

      Nachdem der Besitzer dieses Pferdes dem Wirt die Hände gedrückt hatte, fragte er: „Also Platz hast du für mich? Ob aber auch ein Essen?“

      „Natürlich! Setz dich nur her! Hier ist noch Fleisch genug für dich.“

      „Danke. Habe mir gestern den Magen verdorben. Rind ist mir heute zu schwer. Ein junges Huhn wäre mir lieber. Kannst du eins beschaffen?“

      „Warum nicht? Schau her! Da laufen die Backhühnchen in Menge herum.“ Er deutete auf zwei Völkchen junger Hühner, die unter dem Schutz ihrer mütterlichen Glucken in der Nähe der Tische herumtrippelten, um die herabfallenden Brocken aufzupicken.

      „Schön!“, nickte Fred. „Ich bitte um eins. Dein Housewife mag es mir vorrichten. Rupfen will ich es selbst.“ Mit diesen Worten nahm er sein Doppelgewehr vom Sattelknopf, legte auf eins der Hühnchen an und drückte ab. Als der Schuss krachte, bewegte sein Pferd nicht einmal die geschlossenen Augenlider. Es schien so stocktaub zu sein, dass es selbst einen in solcher Nähe abgegebenen Schuss nicht hören konnte.

      Das Huhn war tot umgefallen. Der Mann hob es auf und zeigte es vor. Es hatte zu aller Erstaunen nicht eine einzige Feder mehr und konnte sofort ausgenommen und gebacken werden. „The devil!“, lachte Helmers. „Konnte es mir doch denken, dass es wieder auf eines deiner Kunststücke abgesehen war. Aber wie hast du denn das angefangen?“

      „Mit dem Fernrohr.“

      „Unsinn! Hast ja mit der Büchse geschossen.“

      „Allerdings. Aber vorher habe ich euch aus der Ferne durch mein Taschenteleskop beobachtet und auch das junge Hühnervolk bemerkt. Deshalb traf ich sogleich meine Vorbereitungen, mich als Tausendkünstler bei deinen heutigen Gästen einzuführen.“

      „Darf man diese Vorbereitungen kennenlernen?“

      „Warum nicht? Es ist ja nur eine Spielerei. Lade einen tüchtigen Schuss grobe iron-filings[6] außer der Kugel oder dem Schrot und ziele so, dass die Ladung den Vogel von hinten nach vorn überfliegt, so werden die Federn, falls sie nicht bereits zu stark sind, gänzlich abrasiert und abgesengt. Du siehst, man braucht nicht die schwarze und weiße Magie studiert zu haben, um ein so genannter Zauberkünstler zu sein. Also lass mir das Tierchen backen! Hoffentlich ist es erlaubt, mich mit herzusetzen?“

      „Natürlich! Diese beiden Gentlemen sind Freunde von mir, Bekannte von Old Shatterhand, den sie hier erwarten.“

      „Old Shatterhand?“, fuhr der Juggle-Fred auf. „Ist das wahr?“

      „Ja. Auch der Dicke Jemmy will kommen.“

      „Heigh-day! Das ist ja eine Nachricht, wie man sie gar nicht besser hören kann! Habe diesen Old Shatterhand längst einmal zu sehen gewünscht. Es freut mich, dass ich gerade zur richtigen Zeit hierher gekommen bin.“

      „Ebenso wird es dich freuen, wenn du erfährst, dass dieser Sir hier ein Deutscher ist. Er heißt Frank und ist ein Kollege von...“

      „Frank?“, unterbrach ihn der Zauberkünstler. „Etwa gar der Hobble-Frank?“

      „Sapperment!“, rief da der kleine

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