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Der Geist des Llano Estacado. Karl May
Читать онлайн.Название Der Geist des Llano Estacado
Год выпуска 0
isbn 9783780213174
Автор произведения Karl May
Издательство Bookwire
„Morgen nach Mittag treffen sie hier ein. Sie mussten noch zwei Packpferde kaufen, wozu wenigstens ein halber Tag gehört. Darum bin ich vorausgeritten, um die Zeit bis morgen lieber bei dir zuzubringen.“
„Daran hast du wohl getan, alter Freund. Wie viele Personen sind es denn?“
„Es sind ihrer sechs, von denen einige ein etwas grünes Aussehen und Benehmen haben, was mir aber gleichgültig ist. Sie scheinen aus St. Louis zu kommen und sich einzubilden, dass sie mit Millionen wieder dorthin zurückkehren werden.“
„Werden sie denn den Weg zu mir finden?“
„Sicher, denn ich habe ihn so genau beschrieben, dass sie gar nicht irren können. – Halt, Schwarzer, was gibt es denn?“
Diese Frage galt dem Neger.
Der Tag war nämlich indessen zur Rüste gegangen und die Dämmerung, die in jenen Gegenden außerordentlich kurz ist, war hereingebrochen. Es war bereits so düster, dass man nicht mehr weit zu sehen vermochte. Bob und Bloody-Fox hatten trotz des anregenden Gesprächs den Mormonen stets im Auge behalten. Burton war bemüht gewesen, sich so zu stellen, als achte er gar nicht auf das Gespräch, und da die anderen wohl der Meinung waren, dass ein Mormone, dessen ganzes Wesen ihn als Yankee erscheinen ließ, die deutsche Sprache wenig oder gar nicht verstehe, hatten sie so laut gesprochen, dass es ihm möglich war, jedes Wort zu hören.
Als nun Juggle-Fred von den sechs Männern sprach, die er durch den Llano Estacado führen sollte, hatten Burtons Züge den Ausdruck großer Spannung angenommen. Bei der Bemerkung, dass diese sechs viel Geld bei sich zu führen schienen, hatte ein Lächeln der Befriedigung um seine dünnen Lippen gespielt, was indes wegen der Dämmerung nicht zu bemerken gewesen war.
Zuweilen hatte er den Kopf gehoben, als horche er, und seinen Blick ungeduldig nach der Gegend gerichtet, woher er gekommen war. Er wusste, dass er sich nahezu als einen Gefangenen betrachten musste, denn die Augen des Negers blieben beständig auf ihn gerichtet. Es wurde ihm von Minute zu Minute unheimlicher. Er musste an die Drohung des Negers denken und er traute dem Schwarzen nicht.
Jetzt, da es fast dunkel geworden war, schien es Burton möglich zu sein, sich schnell auf und davon machen zu können, was später vielleicht schwieriger auszuführen war. Deshalb langte er jetzt nach dem Bündel, das er mitgebracht hatte, und zog es allmählich zu sich heran. Er wollte dann plötzlich aufspringen und mit schnellen Schritten um die Ecke des Hauses biegen. War er einmal dort hinter dem Gesträuch verschwunden, so hatte er irgendwelche Verfolger wohl kaum mehr zu fürchten.
Aber er hatte sich in Bob verrechnet. Der war wie die meisten Neger, die einen einmal gefassten Entschluss mit größter Beharrlichkeit zu verfolgen pflegen. Der Schwarze hatte gar wohl bemerkt, dass sich der Mormone des Bündels zu versichern strebte, und erhob sich, gerade als der andere aufspringen wollte, so rasch von seinem Sitz, dass er Helmers fast umgerissen hätte. Daher die Frage Juggle-Freds an ihn, was es denn gebe. Bob erwiderte:
„Masser Bob haben sehen, dass Dieb fort wollen. Greifen schon nach Bündel. Wollen schnell entwischen. Masser Bob aber ihn auf anderem Grund und Boden niederschlagen, darum mit ihm gehen und ihn nicht aus den Augen lassen.“ Er rückte auf das äußerste Ende der Bank vor, sodass er sich, obgleich der Mormone am anderen Tisch saß, ganz nahe bei ihm befand.
„Lass den Kerl laufen!“, meinte der Wirt. „Er ist es vielleicht gar nicht wert, dass du so auf ihn achtest.“
„Massa Helmers haben Recht. Er es nicht wert sein, aber Geld es wert sein, das er haben gestohlen. Er nicht fortkommen ohne Begleitung von Masser Bob.“
„Wer ist denn eigentlich dieser Mann?“, fragte der Juggle-Fred leise. „Er hat mir gleich im ersten Augenblick nicht gefallen. Hat ganz das Aussehen eines Wolfes, der im Schafskleid herumläuft. Als ich ihn erblickte, war es mir ganz so, als müsse ich die scharfe, spitze Fratze schon einmal gesehen haben, und zwar unter Umständen, die nicht für ihn sprechen.“
Helmers erklärte ihm halblaut, weshalb Bob es so nachhaltig auf den Verdächtigen abgesehen habe, und fügte hinzu: „Auch Bloody-Fox scheint sich mehr, als er merken lassen will, mit dem Mann zu beschäftigen. Oder nicht?“
„Well!“, bestätigte der junge Mann. „Dieser Heilige der letzten Tage hat mir etwas getan, und zwar nichts Gutes.“
„So? Was denn? Warum stellst du ihn nicht zur Rede?“, forschte Helmers.
„Weil ich nicht weiß, was es war. Ich habe mir fast das Gehirn zermartert, um mich zu erinnern, aber vergebens. Es ist mir, als hätte ich etwas geträumt und die Einzelheiten des Traumes wieder vergessen. Und wegen einer solchen unbestimmten, nebelhaften Ahnung kann ich mich doch nicht an ihn machen.“
„Das begreife ich nicht. Was ich weiß, das pflege ich zu wissen. Von nebelhaften Ahnungen ist bei mir niemals die Rede. Übrigens ist es dunkel geworden. Gehen wir hinein in die Stube?“
„Nein, denn das Haus ist diesem Kerl verboten und ich muss ihn beobachten. Deshalb bleibe ich hier. Vielleicht fällt es mir doch noch ein, was ich mit ihm auszugleichen habe.“
„Dann will ich wenigstens für genügende Beleuchtung sorgen, damit er sich nicht dennoch davonschleichen kann.“
Helmers ging ins Haus und kehrte bald mit zwei Lampen zurück. Sie bestanden einfach aus blechernen Petroleumkannen, aus deren Öffnung ein starker Docht hervorsah. Glaszylinder und Schirm gab es dabei nicht. Dennoch reichten die beiden dunkel lodernden und stark qualmenden Flammen aus, den Platz vor der Tür zu erleuchten.
Gerade, als Helmers die Lampen an zwei Baumäste gehängt hatte, ließen sich Schritte hören, die sich von da her näherten, wo die Maisfelder lagen. „Meine hands kommen heim“, sagte er.
Unter ‚hand‘ versteht der Amerikaner jede männliche oder weibliche Person, die sich in seinem Dienst befindet. Doch Helmers hatte sich geirrt. Als der Nahende in den Lichtkreis trat, sah man, dass er ein Fremder sei.
Er war ein langer, starker, vollbärtiger Mann, mexikanisch gekleidet, doch ohne Sporen, was hier auffallen musste. Aus seinem Gürtel blickten die Griffe eines Messers und zweier Pistolen hervor, und in der Hand trug er eine schwere, mit silbernen Ringen verzierte Büchse. Als seine dunklen Augen scharf und stechend über die Anwesenden flogen, machte er den Eindruck eines rohen Menschen, von dem man zarte Regungen nicht erwarten durfte. Während sein Blick das Gesicht des Mormonen streifte, zuckte er auf eine eigentümliche Weise mit den Wimpern. Niemand außer dem Mormonen bemerkte das. Es war jedenfalls ein Zeichen.
„Buenas tardes, Señores!“, grüßte er. „Ein Abend bei bengalischer Beleuchtung! Der Besitzer dieser Hazienda scheint ein poetisch veranlagter Mann zu sein. Erlaubt, dass ich mich für eine Viertelstunde bei euch ausruhe, und gebt mir einen Schluck zu trinken, wenn hier überhaupt etwas zu bekommen ist!“ Er hatte in jenem spanisch-englischen Mischmasch gesprochen, dessen man sich an der mexikanischen Grenze häufig zu bedienen pflegt. „Setzt Euch nieder, Señor!“, forderte ihn Helmers auf. „Was wollt Ihr trinken? Ein Bier oder einen Schnaps?“
„Bleibt mir mit Euerm Bier vom Leibe! Ich mag von der deutschen Brühe nichts wissen. Gebt mir einen kräftigen Schnaps, aber nicht zu wenig! Verstanden?“
Seine Haltung und sein Ton waren die eines Mannes, der nicht gewohnt war, mit sich scherzen zu lassen. Er trat ganz so auf, als habe er hier zu gebieten. Helmers stand auf, um das Verlangte zu holen, und deutete auf die Bank, wo er dem Fremden Platz gemacht hatte. Der aber schüttelte den Kopf und sagte: „Danke, Señor! Hier sitzen schon vier. Will lieber dem Caballero Gesellschaft leisten, der da so einsam hockt. Bin die weite Savanne gewohnt und habe es nicht gern, so eng beieinander zu kleben.“
Er