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fremd.

      Helmers war wieder ins Haus getreten. Die anderen verschmähten es aus natürlicher Höflichkeit, ihre Blicke auffällig auf den Fremden zu richten. Das gab jenem die willkommene Gelegenheit, dem Mormonen zuzuraunen: „Warum kommt Ihr nicht? Ihr wisst doch, dass wir Nachricht haben wollen.“ Er sprach jetzt das reinste Yankee-Englisch.

      „Man lässt mich nicht fort“, flüsterte der Gefragte.

      „Wer?“

      „Dieser verdammte Nigger da.“

      „Der kein Auge von Euch wendet? Was hat er denn?“

      „Er behauptet, ich hätte seinem Herrn Geld gestohlen, und will mich lynchen.“

      „Mit dem ersten Teil seiner Behauptung kann er das Richtige getroffen haben; das zweite aber mag er sich aus dem Sinn schlagen, falls er nicht will, dass wir ihm mit unseren Peitschen sein schwarzes Fell blutrot färben. Gibt es etwas Neues hier?“

      „Ja. Sechs diamond-boys wollen mit bedeutenden Summen über den Llano.“

      „Zounds! Sollen uns willkommen sein! Werden ihnen mal in die Taschen gucken. Bei der letzten armseligen Gesellschaft war ja nichts zu finden. Doch still! Helmers kommt.“

      Der Genannte kehrte mit einem großen Glas voll Schnaps zurück. Er stellte es vor den Fremden hin und sagte: „Da, wohl bekomm’s, Señor! Habt heute wohl einen weiten Ritt hinter Euch?“

      „Ritt?“, antwortete der Mann, indem er den halben Inhalt des Glases hinuntergoss. „Habt Ihr keine Augen? Oder vielmehr, habt Ihr zu viele Augen, sodass Ihr seht, was gar nicht vorhanden ist? Wer reitet, muss doch ein Pferd haben!“

      „Gewiss.“

      „Nun, wo ist denn das meinige?“

      „Jedenfalls da, wo Ihr es zurückgelassen habt.“

      „Valgame Dios! Ich werde doch wohl mein Pferd nicht dreißig Meilen weit zurücklassen, um bei Euch einen Brandy zu trinken, der nicht mal für den Teufel taugt!“

      „Lasst ihn im Glas, wenn er Euch nicht schmeckt! Übrigens besinne ich mich nicht, von dreißig Meilen gesprochen zu haben. So, wie Ihr hier vor mir sitzt, seid Ihr ein Mann, der jedenfalls ein Pferd hat. Wo es steht, das ist nicht meine Sache.“

      „Das denke ich auch. Ihr habt Euch überhaupt um mich nicht zu kümmern. Verstanden?“

      „Wollt Ihr mir das Recht bestreiten, mich um diejenigen zu kümmern, die hier auf meiner einsamen Farm einkehren?“

      „Fürchtet Ihr Euch etwa vor mir?“

      „Pah! Ich möchte den Menschen sehen, vor dem sich John Helmers fürchtet!“

      „Ist mir lieb, denn ich möchte Euch nun fragen, ob ich in Euerm Haus für diese Nacht ein Lager bekommen kann.“

      Er warf bei diesen Worten einen lauernden Blick auf Helmers. Der Wirt antwortete: „Für Euch ist kein Platz vorhanden.“

      „Carája! Warum nicht?“

      „Weil Ihr selbst gesagt habt, dass ich mich nicht um Euch kümmern soll.“

      „Aber ich kann doch in der Nacht nicht noch bis zu Euerm nächsten Nachbar laufen. Würde ja erst morgen Mittag dort ankommen!“

      „Dann schlaft im Freien! Der Abend ist mild, die Erde weich und der Himmel die vornehmste Bettdecke, die es nur geben kann.“

      „So weist Ihr mich fort?“

      „Ja, Señor. Wer mein Gast sein will, muss sich einer größeren Höflichkeit befleißigen, als Ihr uns gezeigt habt.“

      „Soll ich Euch etwa, um in irgendeinem Winkel bei Euch schlafen zu dürfen, zur Begleitung der Gitarre oder Mandoline ansingen? Doch ganz wie Ihr wollt! Ich brauche Eure Gastfreundschaft nicht und finde überall einen Platz, wo ich vor dem Einschlafen darüber nachdenken kann, wie ich mit Euch reden werde, wenn wir uns einmal anderswo begegnen sollten.“

      „Da vergesst aber ja nicht, bei dieser Gelegenheit auch mit an das zu denken, was ich Euch darauf antworten würde!“

      „Soll das eine Drohung sein, Señor?“ Der Fremde erhob sich bei diesen Worten und richtete seine hohe, breite Gestalt gebieterisch dem Wirt gegenüber auf.

      „O nein!“, lächelte Helmers furchtlos. „Solange ich nicht zum Gegenteil gezwungen werde, bin ich ein sehr friedlicher Mann.“

      „Das will ich Euch auch geraten haben. Ihr wohnt hier beinahe am Rand der Wüste des Todes. Da erfordert es die Vorsicht, dass Ihr mit Fremden möglichst Frieden haltet. Sonst könnte der Geist des Llano Estacado einmal unerwartet den Weg zu Euch finden.“

      „Kennt Ihr ihn etwa?“

      „Habe ihn noch nicht gesehen. Aber man weiß ja, dass er am liebsten aufgeblasenen Leuten erscheint, um sie ins Jenseits zu befördern.“

      „Ich will Euch nicht widersprechen. Vielleicht sind alle diejenigen, die man, vom ,Geist‘ durch einen Schuss in die Stirn getötet, im Llano gefunden hat, einst aufgeblasene Wichte gewesen. Eigentümlich aber ist es, dass diese Kerle durchweg Räuber und Mörder waren.“

      „Meint Ihr?“, fragte der Mann höhnisch. „Könnt Ihr das beweisen?“

      „So leidlich. Man hat bei diesen Toten stets Gegenstände gefunden, die früher Leuten gehörten, die im Llano ermordet und ausgeraubt worden waren. Das ist doch Beweis genug.“

      „Wenn das so ist, will ich Euch freundschaftlich warnen: Macht hier auf Eurer abgelegenen Farm ja nicht einmal einen Menschen kalt, sonst könntet Ihr auch einmal mit einem Loch in der Stirn gefunden werden.“

      „Señor!“, fuhr Helmers auf. „Sagt noch ein solches Wort, so schlage ich Euch nieder! Ich bin ein ehrlicher Mann. Verdächtig aber kommt mir einer vor, der sein Pferd versteckt, um nicht als Bravo, sondern als armer ungefährlicher Wanderer angesehen zu werden.“

      „Gilt das etwa mir?“, zischte der Fremde.

      „Wenn Ihr es Euch annehmen wollt, so habe ich nichts dagegen. Ihr seid heute bereits der Zweite, der mir vorlügt, kein Pferd zu besitzen. Der Erste war dieser Heilige der letzten Tage. Vielleicht stehen eure beiden Pferde beieinander. Vielleicht sind auch noch andere Pferde und Reiter dabei, um auf eure Rückkehr zu warten. Ich sage Euch, dass ich in dieser Nacht mein Haus bewachen und morgen mit Tagesanbruch die Umgegend säubern werde. Da wird es sich wahrscheinlich zeigen, dass Ihr sehr gut beritten seid!“

      Der Fremde ballte beide Fäuste, hob dann die rechte Hand zum Schlag, trat um einen Schritt näher an Helmers heran und schrie: „Mensch, willst du etwa andeuten, dass ich ein Bravo sei? Sage es deutlich, wenn du Mut hast! Dann schlage ich...“

      Er wurde unterbrochen.

      Bloody-Fox hatte dem Gewehr des Mannes seine ganz besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Als der Fremde sich erhob und dem Baum, an dem die Büchse lehnte, den Rücken zukehrte, stand der Jüngling auf und trat an den Stamm, um das Gewehr genau zu betrachten. Seine Augen leuchteten auf und ein Zug eiserner, gnadenloser Entschlossenheit legte sich um seinen Mund. Er wendete sich zu dem Fremden und legte ihm die Hand auf die Schulter.

      „Was willst du, Junge?“, fragte der Mann unwirsch.

      „Ich will Euch an Helmers’ Stelle Antwort geben“, entgegnete Bloody-Fox ruhig. „Ja, Ihr seid ein Bravo, ein Räuber, ein Mörder! Nehmt Euch vor dem Geist des Llano in Acht, den wir den Avenging-ghost nennen, weil er jeden Mord mit einer Kugel durch die Stirn an dem Mörder zu rächen pflegt!“

      Der Riese trat mehrere Schritte zurück, maß den Jüngling mit einem erstaunt verächtlichen Blick und lachte dann höhnisch auf: „Knabe, Bursche, Junge, bist du toll? Ich zerdrücke dich mit einem einzigen Griff meiner Hände zu Brei!“

      „Das werdet Ihr bleiben lassen! Bloody-Fox ist nicht so leicht zu zermalmen.

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