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der ihm tief im Nacken saß, gab ihm, zumal er eine Brille trug, im Verein mit dem dunklen Anzug das Aussehen eines Geistlichen.

      Er trat mit eigentümlich schleichenden Schritten näher, griff leicht an den Rand seines Hutes und grüßte: „Good day, Mesch’schurs[2]! Komme ich hier richtig zu John Helmers Esquire?“

      Helmers betrachtete den Mann mit einem Blick, aus dem zu ersehen war, dass er kein großes Wohlgefallen an ihm fand, und antwortete: „Helmers heiße ich, ja, aber den Esquire könnt Ihr getrost weglassen. Ich bin weder Friedensrichter, noch liebe ich überhaupt dergleichen Bemerkungen. Das sind doch nur faule Äpfel, mit denen sich ein Gentleman nicht gern bewerfen lässt. Da Ihr meinen Namen kennt, darf ich vielleicht auch den Eurigen erfahren?“

      „Warum nicht, Sir! Ich heiße Tobias Preisegott Burton und bin Missionar der Heiligen der letzten Tage.“

      Der Fremde sagte das in einem selbstbewussten und salbungsvollen Ton, der aber nicht den beabsichtigten Eindruck auf den Farmer machte, denn Helmers meinte achselzuckend „Ein Mormone seid Ihr? Das ist keineswegs eine Empfehlung für Euch. Ihr nennt euch die Heiligen der letzten Tage. Das ist anspruchsvoll und überheblich, und da ich ein bescheidenes Menschenkind bin und für Eure Selbstgerechtigkeit keinen Sinn habe, so wird es am besten sein, Ihr schleicht in Euern frommen Missionsstiefeln sogleich weiter. Ich dulde keinen Seelenkäufer hier im Settlement.“

      Das war sehr deutlich, ja sogar beleidigend gesprochen. Burton aber behielt seine verbindliche Miene bei, griff abermals höflich an den Hut und entgegnete: „Ihr irrt, Sir, wenn Ihr meint, dass ich beabsichtige, die Bewohner dieser gesegneten Farm zu bekehren. Ich spreche bei Euch nur vor, um mich auszuruhen und meinen Hunger und Durst zu stillen.“

      „So! Na, wenn Ihr nur das wollt, so sollt Ihr haben, was Ihr braucht, vorausgesetzt natürlich, dass Ihr bezahlen könnt. Hoffentlich habt Ihr Geld bei Euch!“

      Helmers überflog die Gestalt des Fremden abermals mit einem scharfen, prüfenden Blick und verzog dann das Gesicht, als habe er etwas wenig Angenehmes gesehen. Der Mormone hob den Blick gen Himmel, räusperte sich und erklärte: „Zwar bin ich keineswegs übermäßig mit Schätzen dieser sündigen Welt versehen, aber Essen, Trinken und ein Nachtlager kann ich doch bezahlen. Freilich hatte ich nicht auf eine solche Ausgabe gerechnet, da mir gesagt wurde, dieses Haus sei äußerst gastlich.“

      „Ah! Von wem habt Ihr denn das erfahren?“

      „Ich hörte es in Taylorsville, woher ich komme.“

      „Da ist Euch die Wahrheit gesagt worden. Aber man scheint vergessen zu haben, hinzuzufügen, dass ich unentgeltliche Gastfreundschaft nur an solchen Leuten übe, die mir willkommen sind.“

      „So ist das bei mir wohl nicht der Fall?“

      „Nein, durchaus nicht.“

      „Aber ich habe doch nichts getan.“

      „Möglich. Doch wenn ich Euch genau betrachte, ist es mir, als könne von Euch nur Unangenehmes geschehen. Nehmt es mir nicht übel, Sir! Ich bin ein aufrichtiger Kerl und pflege einem jeden offen zu sagen, was ich von ihm denke. Euer Gesicht gefällt mir nicht.“

      Selbst jetzt tat der Mormone nicht, als fühle er sich beleidigt. Er griff zum dritten Mal an den Hut und sagte in mildem Ton: „Es ist in diesem Leben das Schicksal der Gerechten, verkannt zu werden. Ich kann nichts für mein Gesicht. Wenn es Euch nicht gefällt, so ist das nicht meine Schuld.“

      „Aber sagen braucht Ihr es Euch nicht zu lassen! Es gehört ein großer Mangel an Ehrgefühl dazu, so etwas ruhig hinzunehmen. Übrigens will ich Euch gestehen, dass ich gegen Euer Gesicht an und für sich eigentlich nichts habe. Nur die Art und Weise, wie Ihr es in der Welt herumtragt, die behagt mir nicht. Und sodann kommt es mir vor, als sei es gar nicht Euer wirkliches Gesicht. Ich vermute, dass Ihr eine ganz andere Miene aufsteckt, wenn Ihr mit Euch allein seid. Und dann will mir auch noch anderes an Euch nicht recht gefallen.“

      „Darf ich bitten, mir zu sagen, was Ihr meint?“

      „Ich sage es Euch, auch ohne dass Ihr darum bittet. Ich habe nämlich sehr viel dagegen, dass Ihr aus Taylorsville kommt.“

      „Warum? Habt Ihr Feinde dort?“

      „Keinen einzigen. Aber erklärt mir doch einmal, wohin Ihr wollt!“

      „Hinauf nach Fort Elliot.“

      „Hm! Da geht wohl der nächste Weg hier bei mir vorüber?“

      „Nein, aber ich hörte so viel Liebes und Gutes von Euch, dass es mich im Herzen verlangte, Euch kennenzulernen.“

      „Das wünscht ja nicht, Mister Burton, denn es könnte Euch nicht gut bekommen! – Doch weiter! Wo habt Ihr denn Euer Pferd?“

      „Mein Pferd? Ich habe keins. Ich komme zu Fuß.“

      „Oho! Versucht ja nicht, mir das weis zu machen! Ihr habt das Tier hier irgendwo versteckt und ich vermute stark, dass es kein ehrenhafter Grund ist, der Euch dazu veranlasst hat. Hier reitet jeder Mann, jede Frau und jedes Kind. Ohne Pferd gibt es in dieser Gegend kein Fortkommen. Ein Fremder, der sein Ross versteckt und dann leugnet, eins zu besitzen, führt sicherlich nichts Gutes im Schilde.“

      Der Mormone schlug die Hände beteuernd zusammen und rief: „Aber, Mister Helmers, ich schwöre Euch, dass ich wirklich kein Pferd besitze. Ich gehe auf den Füßen der Demut durchs Land und habe noch nie in einem Sattel gesessen.“

      Da erhob sich Helmers von der Bank, trat zu dem Fremden hin, legte ihm die Hand schwer auf die Schulter und fuhr ihn an: „Mann, das sagt Ihr mir, der ich so lange Jahre hier an der Grenze lebe? Meint Ihr denn, ich sei blind? Ich sehe ja, dass Ihr Euch die Wolle von den inneren Seiten Eurer Hose geritten habt. Ich sehe die Sporenlöcher in Euern Stiefeln, und...“

      „Das ist kein Beweis, Sir!“, fiel ihm der Mormone in die Rede. „Ich habe die Stiefel alt gekauft. Die Löcher waren bereits drin.“

      „So! Wie lange tragt Ihr sie denn nun bereits?“

      „Seit zwei Monaten.“

      „Dann wären die Löcher längst mit Staub oder Schmutz gefüllt. Oder macht Ihr Euch etwa das Vergnügen, sie täglich neu auszubohren? Es hat in letzter Nacht geregnet. Eine so weite Fußwanderung hätte Eure Stiefel über und über beschmutzt. Dass sie so sauber sind, ist ein sicherer Beweis, dass Ihr geritten seid. Übrigens riecht Ihr nach Pferd, und da, da schaut einmal her! Wenn Ihr einmal wieder die Sporen in die Rocktasche steckt, so sorgt dafür, dass nicht ein Rad davon außen am Saum hängen bleibt!“ Er deutete auf ein Sporenrad aus Messing, das aus der Tasche des Fremden hervorsah.

      „Diese Sporen habe ich gestern gefunden“, verteidigte sich der Mormone.

      „So hättet Ihr sie lieber liegen lassen sollen, da Ihr sie ja doch nicht braucht. Übrigens geht es mich nichts an, ob Ihr reitet oder auf Schusters Fregatte segelt. Meinetwegen könnt Ihr auf Schlittschuhen durch die Welt laufen. Wenn Ihr zahlen könnt, sollt Ihr Essen und Trinken haben. Dann aber macht Euch wieder fort! Über Nacht kann ich Euch nicht behalten. Ich nehme nur Leute, die keinen Verdacht erregen, bei mir auf.“

      Helmers trat ans Fenster, sagte einige halblaute Worte hinein, kehrte dann wieder an seinen Platz zurück und kümmerte sich scheinbar nicht weiter um den Fremden. Der Mormone setzte sich an den nächsten Tisch, legte sein Bündel darauf, faltete kopfschüttelnd die Hände und senkte ergeben das Haupt, ruhig wartend, was man ihm bringen werde. Er gab sich das Aussehen eines Mannes, dem unverdient ein Leid geschehen ist.

      Hobble-Frank hatte der Unterhaltung aufmerksam zugehört. Jetzt, da sie beendet war, beachtete er den Mormonen nicht weiter. Anders aber verhielt sich Bloody-Fox.

      Der Jüngling hatte gleich beim Erscheinen des Fremden die Augen weit geöffnet und dann den Blick nicht wieder von ihm gewandt. Er hatte sich nicht gesetzt und war willens gewesen, die Farm zu verlassen. Sein Pferd stand ja noch neben ihm. Jetzt griff er sich nach der Stirn, als bemühe er sich vergeblich, sich auf etwas zu besinnen. Dann ließ

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