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Der Geist des Llano Estacado. Karl May
Читать онлайн.Название Der Geist des Llano Estacado
Год выпуска 0
isbn 9783780213174
Автор произведения Karl May
Издательство Bookwire
„Nicht schimpfen und nicht beleidigen will ich dich“, beschwichtigte der Jüngling. „Ich glaube, ich bin ein Freund von dir.“
„Warum da nennen Masser Bob so, wie haben Indian ihn genannt, weil Masser Bob damals immer rutschen von Pferd herab? Jetzt aber Masser Bob reiten wie ein Teufel!“ Um zu zeigen, dass er die Wahrheit gesagt habe, gab er seinem Pferd die Sporen und galoppierte davon, auf das erwähnte Gehölz zu.
Auch Frank war über die Frage des jungen Mannes erstaunt. „Ihr kennt Bob?“, meinte er. „Das ist doch beinahe unmöglich!“
„O nein! Ich kenne auch Euch.“
„Das wäre! Wie heiße ich denn?“
„Hobble-Frank.“
„Good luck! Das ist richtig! Aber, Boy, wer hat Euch das erzählt? Ich bin doch all mein Lebtag noch nicht hier in dieser Gegend gewesen.“
„Oh“, lächelte der Jüngling, „man wird doch einen so berühmten Westmann kennen.“
Frank blies sich auf, dass ihm der Frack zu eng werden wollte, und sagte: „Ich? Berühmt? Auch das wisst Ihr schon? Wer hat Euch von mir berichtet?“
„Ein Bekannter von mir, Jakob Pfefferkorn, der gewöhnlich nur der Dicke Jemmy genannt wird.“
„Behold! Mein guter Freund! Wo habt Ihr ihn gesprochen?“
„Vor einigen Tagen oben am Washita River. Er erzählte mir, dass ihr euch verabredet habt, euch hier in Helmers’ Home zu treffen.“
„Das ist richtig. Kommt er denn?“
„Ja. Ich bin eher aufgebrochen als er und komme geradeswegs von oben herunter. Er wird jedenfalls bald nachfolgen.“
„Das ist herrlich, das ist prächtig! Also er hat zu Euch von uns gesprochen?“
„Er hat mir euern Zug zum Yellowstone berichtet. Als Ihr mir vorhin sagtet, dass Ihr auch Forstmann gewesen seid, wusste ich sogleich, wen ich vor mir habe.“
„So werdet Ihr mir nun glauben, dass ich ein guter Deutscher bin?“
„Nicht nur das, sondern ein guter, herzensbraver Kerl überhaupt“, lächelte der junge Mann.
„Also hat der Dicke mich nicht schlecht gemacht?“
„Ist ihm nicht eingefallen. Wie könnte er auch den braven Frank verleumden!“
„Ja, wisst Ihr, wir haben uns zuweilen über Dinge gestritten, die zu begreifen eine Gymnasialbildung nicht ganz hinreichend ist. Er hat aber glücklicherweise eingesehen, dass wir einander überlegen sind, und so kann es nun auf der ganzen Welt keine besseren Freunde als uns geben. – Aber da ist Bob und da ist das Gehölz. Wie nun weiter?“
„Über den Bach hinüber und zwischen den Bäumen hindurch! Das ist die gerade Richtung. Reiter, wie Bob einer ist, brauchen doch keinen gebahnten Weg.“
„Ja richtig!“, stimmte der Neger stolz bei. „Massa Bloody-Fox haben sehen, dass Masser Bob reiten wie ein Indian. Masser Bob machen mit durch dick und dünn.“
Sie setzten über das Wasser, ritten durch das Wäldchen, woran kein Unterholz sie hinderte, und kamen dann zwischen eingezäunten Mais-, Hafer- und Kartoffelfeldern hindurch. Hier gab es stellenweise den fruchtbaren schwarzen Sandboden des texanischen Hügellandes, der reiche Ernten liefert. Das Wasser des Baches erhöhte den Wert der Ansiedlung und floss ganz nahe am Wohnhaus vorüber, hinter dem sich die Stallungen und Wirtschaftsgebäude befanden.
Das Haus war aus Stein gebaut, lang, tief und ohne Oberstock, doch enthielten die Giebelseiten je zwei kleine Dachstuben. Vor der Tür standen vier riesige, weit schattende Eichen, worunter mehrere einfache Tische und Bänke angebracht waren. Man sah sogleich, dass rechts vom Eingang der Wohnraum und links der von Bloody-Fox erwähnte Laden lag.
An einem der Tische saß ein ältlicher Mann, die Tabakspfeife im Mund, der den drei Ankömmlingen forschend entgegenblickte. Er war von hoher, derber Gestalt und wetterhart im Gesicht, das ein dichter Vollbart umrahmte, ein echter Westmann, dessen Händen es anzumerken war, dass sie viel geschafft und gearbeitet hatten.
Als er den Führer der beiden Fremden erkannte, stand er auf und rief ihm bereits von weitem entgegen: „Welcome, Bloody-Fox! Lässt du dich endlich wieder einmal sehen? Es gibt Neuigkeiten.“
„Von woher?“, fragte der Jüngling.
„Von da drüben.“ Der Mann deutete mit der Hand nach Süden.
„Was für welche? Gute?“
„Leider nicht. Es sind wahrscheinlich wieder einmal Geier in den Plains aufgetaucht.“
Der Llano Estacado wird nämlich von dem Englisch sprechenden Amerikaner Staked Plain genannt. Beide Bezeichnungen haben wörtlich den gleichen Sinn: abgesteckte Ebene.
Diese Nachricht schien Bloody-Fox förmlich zu elektrisieren. Er schwang sich aus dem Sattel, trat schnell auf den Mann zu und sagte: „Das musst du mir sofort genauer erzählen!“
„Es ist wenig genug, was ich weiß, und lässt sich bald sagen. Vorher aber wirst du doch so höflich sein, diesen beiden Gentlemen mitzuteilen, wer ich bin.“
„Das ist ebenso bald gesagt. Du bist Mister Helmers, der Besitzer dieser Farm, und diese Herren sind Mister Hobble-Frank und Masser Sliding-Bob, die dich aufsuchen wollen, um vielleicht etwas von dir zu kaufen.“
Helmers betrachtete die beiden Genannten und bemerkte: „Will sie erst kennenlernen, ehe ich mit ihnen handle. Habe sie noch nie gesehen.“
„Du kannst sie ruhig bei dir aufnehmen. Sie sind meine Freunde.“
„Nun, dann sind sie mir willkommen.“ Helmers streckte Frank und auch dem Schwarzen die Hand entgegen und lud sie ein, sich niederzusetzen.
„Erst die Pferde, Sir“, sagte Frank. „Ihr wisst ja, was die erste Pflicht eines Westmanns ist.“
„Wohl! Aus eurer Sorge für die Tiere ersehe ich, dass ihr brave Männer seid. Wann wollt ihr wieder fort?“
„Wir sind vielleicht gezwungen, einige Tage hier zu bleiben, da wir gute Kameraden erwarten.“
„So führt die Pferde hinter das Haus und ruft nach Herkules, dem Neger! Der wird euch in allem zu Diensten sein.“
Die beiden folgten dieser Aufforderung. Helmers blickte ihnen kopfschüttelnd nach und sagte zu Bloody-Fox.: „Sonderbare Kerle hast du mir da gebracht! Einen französischen Rittmeister mit schwarzer Haut und einen Gentleman von vor fünfzig Jahren mit ostrich-feather-hat[1]. Das fällt selbst hier im fernen Westen auf.“
„Lass dich nicht irre machen, Alter! Ich will dir nur einen einzigen Namen nennen, dann wirst du ihnen trauen. Sie sind gute Bekannte von Old Shatterhand, den sie hier erwarten.“
„Was sagst du?“, rief der Farmer. „Old Shatterhand will nach Helmers’ Home kommen? Von wem hast du das? Von den beiden?“
„Nein, vom Dicken Jemmy.“
„Auch den hast du getroffen? Im bin ihm nur zweimal begegnet und möchte ihn gern einmal wieder sehen.“
„Dazu wirst du bald Gelegenheit haben. Er und der Lange Davy gehören zu der Gesellschaft, die die beiden bei dir erwarten.“
Helmers zog schnell einigemale an seiner Pfeife, die ihm ausgehen wollte. Dann rief er, indem sein Gesicht vor Freude glänzte: „Welch eine Freudennachricht! Ich muss gleich zu meinem alten Bärbchen laufen, um ihr mitzuteilen, dass...“
„Halt!“, unterbrach Bloody-Fox den Farmer und hielt ihn am Arm fest. „Erst will ich hören, was sich dort auf den Plains begeben hat!“
„Ein Verbrechen natürlich“,