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mit Kardamom – serviert auf einem dicken Stück Tellerbrot aus Bohnen, Linsen und Gerste …

      Die Hausfrau strahlte, als sie sah, wie es sich der feine Gast schmecken ließ, unbeeindruckt von der Tatsache, dass alle mit ihren Löffeln aus einer Schüssel aßen … Die Geismars hielten sehr auf reichhaltige Kost, das merkte Daniel daran, dass es noch einen weiteren Gang gab. In einer großen Schüssel kam ein Püree von dicken Bohnen auf den Tisch. In eine Vertiefung in der Mitte waren fein geschnittene gebratene Äpfel gegeben, mit Piment aromatisiert. Ein Salat aus Sauerampfer und gekochten, in Streifen geschnittenen wilden Rüben passte ausgezeichnet dazu. Daniels Hunger war verschwunden. Ein allumfassendes Wohlbefinden machte sich breit.

      »Ich wette, selbst Goslars Räte werden heute kein so gutes Mahl haben! Frau Geismar, sie sind eine Zauberin!«

      Die erzfromme Hausmagd Judith, ein fischiges Wesen mit einem gedrückten Insektenleib, zog furchtsam die Stirn kraus. War ihre Herrin eine Hexe? Daniel schaute sie an und sagte: »Es gibt auch eine Art von Zauber, mit dem der liebe Gott leben kann. Als da wären: die Anmut, der gute Geschmack, die Freude. Leider gebricht es den meisten Christen daran. Dafür kann Gott nichts, denn die Menschen haben zwar oftmals das Gute in sich, lassen es aber verkommen und entwickeln es nicht. Heute etwa bin ich rundum froh, und das verdanke ich dem guten Essen. Auf die Köchin!«

      Er prostete Hilde Geismar mit seinem Steingutbecher zu und genoss das Gose-Bier mehr als je zuvor. Die Katze kam stolz mit einer fiependen Maus in die Stube gelaufen.

      »Ich wusste gar nicht, was ich die letzten Jahre vermisste … Das hier ist ja um Pfeilschüsse besser als das Braunschweiger Bier – fast so gut wie das Einbecker!«

      »Ein treffliches Bild«, sagte der Hausherr. »Jetzt, wo Ihr’s sagt … Ihr schießt bestimmt nicht nur weit, sondern auch sicher; ich bewundere schon die ganze Zeit den Bogen, den Ihr mitführt. Woraus ist der gearbeitet?«

      Daniel hatte Gregor gebeten, ihn hereinzuholen, damit sein Vater ihn begutachten könnte. Ehrfürchtig beinahe berührte der das schöne, gelbliche Holz, das oft mit Leinöl gefirnisst und mit Wachs eingerieben worden war.

      »Aus zwei Hölzern – der Bauch ist aus Eibe und der Rücken aus Ulme.«

      »Eine wunderschöne Maserung!«, sagte Gregors Vater voller Wohlgefallen.

      Daniel nickte: »Als ich geschäftlich im Londoner Stalhof war, hat ihn mir ein eifriger junger Bogenbauer nach meinen Angaben gemacht: Roger Ascham, ein sehr geschickter Mann, der es einmal weit bringen wird, davon bin ich überzeugt. Wann wird denn vorm Rosentor zum nächsten Mal um Preise geschossen?«

      »Am Sankt Maria-Magdalenen-Tag. Dann werden wir unsere Künste messen, ich bin nämlich auch nicht ohne Ehrgeiz, müsst Ihr wissen. Welches Pfeilholz verwendet Ihr?«

      »Zeder … und Truthahnfedern als Befiederung.«

      Geismar seufzte: »Und ich armer Mann muss mit Fichtenholzschäften und gefärbten Gänsefedern Vorlieb nehmen! Mein Bogen ist aus Esche.«

      Er ermannte sich.

      »Aber kein Bogen, und sei er noch so kostbar, schießt und trifft deshalb von alleine … Gregor ist nicht minder beschlagen darin.«

      Der Handwerker freute sich schon darauf, dem Kaufmann den Rang streitig zu machen. Schießen lernen mussten ja alle männlichen Bürger in der Schützengilde, um ihren Beitrag in einem möglichen Streitfall zu leisten. Jetzt schien gar eine Konfrontation bevorzustehen, bei der ihre Fähigkeiten auf die Probe gestellt werden könnten. Doch die geselligen Wehrübungen wurden als willkommener Zeitvertreib und Unterhaltung betrachtet. Auch der Preis, den man gewinnen konnte, spornte an. Wer beim Freischießen gewann, war ein Jahr lang von städtischen Steuern und Abgaben befreit.

      »Habt Ihr über das nachgedacht, was ich Euch vorhin vorschlug?«, fragte Daniel. »Jetzt, wo die Sinne nicht mehr von Hunger und Durst getrübt sind, solltet Ihr eine Entscheidung treffen!«

      Paulus Geismar sah zu seinem Sohn hinüber und sagte ernst: »Du willst also lieber Kaufmann werden, statt die Rechte zu studieren?«

      Gregor sah betroffen aus. Sein feiner Weggefährte hatte ihn verraten.

      »Herr Jobst könnte dich in seinem Kontor gebrauchen. Wenn du willst, magst du dich ein wenig im Alltag eines Hansekaufmannes umsehen. Wenn du nicht dafür taugst, oder die Ader dafür doch nicht so mächtig ist, wie du jetzt denkst, dann wirst du nach Marburg an die Universität gehen und dich mit den Aktenfaszikeln und Urteilen, den Eingaben und Widersprüchen befassen.«

      Gregors Unmut schlug in Freude um.

      »Danke, Vater! Ja, mein Sinn geht viel eher auf den Handel, und ich denke – auch, wenn ich es nicht allein darauf abgesehen habe – er ist einträglicher und ernährt eine Familie besser als die Juristerei! Ich werde dich nicht enttäuschen!«

      »Hört, hört – das geht ja schnell bei dir! Wer ist denn die Liebste, hab ich sie schon kennengelernt? Wann ist die Hochzeit? Haben wir noch Zeit, die gute Stube herauszuputzen?«

      Paulus Geismar lachte, und Gregor stimmte mit roten Ohren ein.

      »Hast wohl mit deinen Johannisgürteln schon eine Braut eingefangen?«

      »Beschäm mich nur, Vater. Du weißt doch, dass ich mir erst ein Auskommen schaffen will, bevor ich an dergleichen denke … Ich denke nicht so wie Eyb im Ehebüchel …«

      »Mein Sohn ist leider den Büchern verfallen …«, sagte Paulus Geismar, doch Daniel wehrte das Wörtchen leider kopfschüttelnd ab.

      »Da wird er in der Bibliothek meines Oheims noch so einige Lektüre vorfinden. Sollte ich sie vor ihm wegschließen, weil es sonst nichts würde mit der Kaufmannslehre? Nein, ich denke, im Grunde ist die Buchgelehrsamkeit für meinen Berufsstand unumgänglich. Also sei ihm das Lesen unbenommen. Nur in der Liebe ist es oft nicht so einfach, das Wissen aus den Büchern mit dem Leben übereinzubringen. Da wird er seine Erfahrungen in praxi machen müssen.«

      Sie einigten sich darauf, dass Gregor schon am übernächsten Tag bei Daniel anfangen würde. Gregors Gesicht glühte vor Freude, und Daniel riet ihm scherzhaft: »Fabrizier deine Johannisgürtel nur trotzdem! Kann nie schaden, da zu sein, wo Frauen sind. Ich saß viel zu lange im Kontor. Das mit deinem Gewand, das besprechen wir noch. Denn wenn Frauen eins auf den Tod nicht ertragen, dann ist es äußerliche Armut.«

      Gregor sah ohne rechtes Verständnis an sich herab. Daniel seufzte, doch dies bezog sich nicht auf seinen neuen Gehilfen, sondern auf die Last der folgenden Tage.

      »Nicht, dass du denkst, wir säßen nur da und würden Zahlen aufs Papier malen … Übermorgen um sechse?«, fragte er, als am Vititor endlich die Reihe an ihm war zu passieren.

      »Die Hand darauf!«, sagte Gregor mit stolzgeschwellter Brust. Eine glorreiche Zukunft stand ihm vor Augen. Leichte Bewegung würde ihn dabei nicht schrecken – solange das Ganze nicht in Arbeit ausartete …

      IV

      Durch das Klaustor zockelten zwei Planwagen voller Ratsherren. Je sechs Pferde arbeiteten schwer in den Geschirren, von den Fuhrmännern in weißem Wams, grüner Mütze und engen roten Hosen im Zaum gehalten und derb angetrieben. Vor den beiden Fuhrwerken, an den Seiten und dahinter ritten städtische Kriegsknechte, schwer bewaffnet mit Piken und Schwertern. Den Beschluss bildete ein Pritschenwagen mit Armbrustschützen und einer kleinen Kanone. Mochte der Herzog selbst sich zeigen, so würden sie keine Anstalten machen, Hülsen aus Papier gefüllt mit Kugeln, gehacktem Blei und Nägeln auf ihn loszubrennen und ihn mit einem Hagel von Armbrustbolzen zu spicken.

      Doch kein Feind zeigte sich. Auch der grüne Jäger, der Gehörnte, der Klumpfuß, der die Forsten unsicher machte, hielt sich abseits des steilen Weges, den sie nehmen mussten. Sicher lachte er sich ins Fäustchen über ihre Angst. Nur wenige Vögel sangen im Juniwald. Sie hatten mit der Versorgung ihrer Brut erschöpfend zu tun.

      Durchs Hainholz über die Braune Haide fuhren die Ratsherren, strikt den tiefen Schrammen und Furchen

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