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krebsrot vor Aufregung, sprach laut: »Wir sollten uns nicht beifallen lassen, des Herzogs rechtliche Hoheit über den Rammelsberg dadurch anzuerkennen, dass wir schnurstracks dem Ansinnen eines dahergelaufenen, sogenannten Bergrichters willfahren! Ich schlage vor, dass sich eine Abordnung hinaufbegibt, um die Sache vor Ort zu untersuchen! Die Sechsmannen des Rates haben nach wie vor die Hoheit über alle Gerichtsdinge am Berg. Das müssen wir dartun und unter Beweis stellen!«

      Der zweite Bürgermeister Wegener signalisierte Zustimmung. »Ich denke, dieser Antrag ist berechtigt: Wer ist dafür? Ich bitte um Handzeichen.«

      Einstimmig wurde beschlossen, nach Papens Vorschlag zu verfahren.

      Weidemann sagte: »Ich glaube, wir können auf eine aufwändige Wahl verzichten. Wer ist gewillt hinaufzufahren?«

      Man einigte sich ohne große Umstände auf eine im Kern sechsköpfige Abordnung, zu welcher die Gewerken des Neuwerkes unwidersprochen hinzutraten – Sebastian Walberg war nun einmal ihr Kompagnon gewesen.

      Weidemann sagte zu Reddig, dessen Aufgabenkreis umstandslos auf den eines Ratsdieners erweiternd, weil Baer nicht da und Eile geboten war: »Schickt zu Damian Baader, dem Stadtchirurgen, damit er uns begleitet. Es muss einer dabei sein, der das Funktionieren des Organismus besser versteht als wir. Und es ist nötig, dass auch Ihr mit hinauffahrt. Kurt Mechtshausen muss ebenfalls mit, weil in diesem Casus heikle Bergrechtsfragen berührt sind. Falls der Bergrichter eine Lügengeschichte aus unserem Auftauchen macht, soll es in Esslingen eine angemessene Erwiderung geben. Lasst am besten also den Prozessionswagen anschirren, damit alle Platz haben.«

      »Mit Verlaub, Herr Weidemann«, wandte Reddig ein, »der Prozessionswagen ist für die steile Fahrt über die Erzabfuhr viel zu schwer. Wir bräuchten mindestens zwölf Pferde … Zwei von den großen, flachen Höhlenwagen mit Pritschen und Planen wären wohl eher geeignet.«

      »So nehmt denn in Gottes Namen zwei Planwagen! Aber legt Polster auf die Pritschen und tragt Sorge, dass nur alles schnell geschieht!«

      III

      Paulus Geismar, rückwärts schreitend, umgürtet mit einem Wulst aus Hanf, aus dem er Griff um Griff einer gerade drehend entstehenden Schnur Nahrung gab, war erstaunt, seinen Ältesten in Begleitung eines Fremden an die Reeperbahn treten zu sehen. Dicke Adern bereits gedrehter Hanfseile hingen seitlich noch aufgespannt und warteten darauf, mit dem eben entstehenden zu einem Tau verdreht zu werden. Aber Halt! War das nicht Jonathan Unruhs Sachwalter und Erbe? Er beendete sein Werk und klinkte sich vom Zugseil der Apparatur ab, um den Herrn zu begrüßen.

      »Welchen Glanz führst du in unsere Hütte, mein Sohn? Unmöglich siehst du aus – so geh und sieh zu, dass du dich sauber gewandest! Herr … äh …, welch eine Ehre!«

      »Jobst«, half Daniel nach. »Daniel Jobst!«

      »Verzeiht mir. Ihr seid schon viele Jahre nicht mehr in Goslar gewesen. Ich habe vergessen, woher Ihr stammt.«

      »Aus dem Katzenelnbogischen bin ich, aus Sankt Goar, wo mein Vater Verwalter des fürstlichen Kellers war – in der Niedergrafschaft auf Burg Rheinfels. Nach seinem und meiner seligen Mutter Tod bei einem verheerenden Brand Anno Domini 1504 – damals war ich fünf Jahre alt –, kam ich nach Goslar zu Mutters Schwäher.«

      »Katzenelnbogen gehört dem Hessen, oder geh ich fehl?«

      In Paulus Geismars Stimme schwelte ein gelinder Groll.

      »Gehört Philipp, ja. Sie denken an seine Freundschaft mit Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel? Für den können die Katzenelnbogner nichts, sind ja noch keine hundert Jahre hessisch! Außerdem halte ich was vom Landgrafen Philipp – als ich hierher verpflanzt wurde, kam er gerade auf die Welt. Was hat dieser Mann seither schon geleistet! Er hat seinem Land die Reformation gebracht und gründete jüngst in Marburg die erste protestantische Universität im Heiligen Römischen Reich.«

      Daniel sah sich um. Gregor war verschwunden, um sich umzukleiden.

      »Wenn Ihr Euren Sohn gut und mit Aussicht auf ein einträgliches Amt ausbilden lassen wollt, so schickt ihn an die Philipps-Universität. Aber er gestand mir heute, dass ihn die Kaufmannschaft viel mehr locke als ein Studium der Jurisprudenz. Da ich gedenke, das Unruh’sche Kontor weiterzuführen – wie wär’s, wenn Ihr ihn mir zum Gehilfen gäbet? Studieren kann er immer noch. Mein Freund Dellinghausen kann ihm einiges darüber erzählen, jedermanns Sache ist es nicht.«

      Geismar kratzte sich hinterm Ohr und zog zu diesem Antrag die Stirn kraus.

      »Euer Angebot ehrt mich. Ob sich aber mein Sohn Eures Vertrauens würdig erweisen kann? Habt Ihr die Kräutersäcke gesehen, die er wieder angeschleppt hat …? Sicher, er verdient ein paar Pfennige mit seinem Tand, aber ich bin so in Sorge ob der nächsten Wochen … Was wird mit dem Handel in unserer Stadt, wenn die Bedrohung durch den Herzog nicht aufhört? Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber ich sehe keinen Sonnenstrahl, sondern nur höllische Glut am Horizont und würde mir, vergebt mir, einen ordentlichen Strick drehen, wenn ich mit Blei und Silber und teuren Dingen handelte wie Ihr …«

      Daniel lachte.

      »Ich sehe nicht so schwarz. Ich weiß, was Ihr denkt – wir Händler zögen alle davon, sobald der Lindwurm aus Wolfenbüttel Erfolg hätte und seine Ansprüche durchsetzte. Aber solange es der Herzog noch nicht geschafft hat, kann Euer Sohn noch viel lernen und durchaus mit Gewinn aus der Sache gehen, selbst wenn ich Bankrott erlitte.«

      »Es mag einfältig von mir sein, aber wenn ich schon einmal einen da habe, der es besser versteht, dann muss ich fragen: Was heißt es, wenn der Herzog den Berg wiederhaben will? Worauf ist der Wolfenbütteler aus? Es ist doch sicher nicht der Zehnte, den die Goslarer Bergherren und auch der Rat laut der alten Verträge ihm jetzt verpflichtet sind zu geben? Ich habe gehört, das seien so kleine Summen, dass sie den hohen Herrn nie und nimmer dazu bewegen könnten, so einen Aufwand zu treiben und sich in unsere Stadtmauern zu verbeißen.«

      »Da habt Ihr ganz Recht – er hat es auf das Vorkaufsrecht auf Erz und Metall abgesehen, was den Rat und die Stadt und alle Bürger reich gemacht hat. Goslar lebt von den Auswürfen des Berges. Deshalb hat man immer darauf gesehen, anständige Preise für die Mineralien zu zahlen. Wenn Blei und Silber, Kupferrauch und Galmei dagegen dem Herzog abgeliefert werden müssen, der sie nur zu einem lächerlich geringen Preis abzunehmen bereit ist, um sie dann um ein Vielfaches teurer wieder zu verkaufen, sind die Bergherren bald am Ende. So viel kostet der Bergbau, dass sich keiner die Arbeit mehr leisten könnte. Der Herzog spekuliert darauf, denke ich, die Gruben ganz in seinen Besitz zu bringen.«

      Nach einer Pause, in der Geismar wie erschlagen wirkte, schob Daniel zuversichtlicher hinterdrein: »Dellinghausen betrachtet die Sache juristisch noch lange nicht als ausgefochten oder aussichtslos. Kann durchaus sein, dass noch viele frohe Jahre ins Land gehen … und Fortunens Launen sind noch unergründlicher als Justitias.«

      Paulus Geismars Miene hellte sich nun ebenfalls auf: »Kommt erst einmal herein, Herr Jobst, und leistet uns Gesellschaft bei Tisch. Langt kräftig zu! Mit Hunger im Bauch soll man keine Entscheidung fällen, kein Geschäft machen – so viel hat mich die Erfahrung gelehrt!«

      Das Lächeln des Seilers, eines braunhaarigen, hochgewachsenen Mannes, erzählte von den Wonnen des einfachen Lebens. Sie gingen ins Haus und setzten sich in der Herdstube an den Buchenholztisch. Gregors jüngerer Bruder Hans, ein Lausbursche wie er im Buche stand, zwinkerte Daniel zu und zeigte ihm ein Heft mit Schreibübungen. Der fragte ihn, wo er zur Schule ginge und erhielt zur Antwort: »In die Schule im Kaiserhaus, zu Meister van Stelten, dem man die Frau weggebrannt hat, weil sie eine Hexe war!«

      »Nur, weil sie einigen Frauen aus Nöten geholfen hat und mit ihnen am Kinderborn war«, sagte Hilde Geismar, die anklagenden Blicke ihres Hausmädchens tapfer ignorierend.

      »Brauchst gar nicht so scheel zu linsen, du dumme Gans! Das Wasser beschert den unfruchtbaren Goslerinnen schon seit je die Kinder, seit Josefa dort ihrem Manne, dem Gundel Karl, zwei Knaben gebar und hernach starb.«

      Gregor hatte nicht

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