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Anstoß erregen könnte, gereicht ihr zur Ehre. Für sie gab es nur einen Weg, glücklich zu sein, nämlich »der Stimme ihres Gefühls, ihres Herzens zu folgen«. Außerdem war sie die Gebende, nicht die Nehmende. Es machte sie tausendmal glücklicher, einen Menschen etwas Liebes zu tun, als selbst zu empfangen, obwohl sie auch dafür nicht unempfänglich und für jedes liebe Wort und die geringste Aufmerksamkeit dankbar war. Sie könnte vor Freude außer sich geraten, wenn der sonst schweigsame, ja wortkarge Kronprinz ihr sagte, wie sehr er an ihr hing und wie sehr er ihrer Gesellschaft bedürfe. »So eine Zusicherung,« schrieb sie einmal an ihren Bruder, »macht einen doch wahrhaft glücklich, besonders, wenn man nur den einen Wunsch hat, seinen Mann recht glücklich zu machen.«

      Im September, noch vor Beendigung des Krieges, kehrte der Kronprinz wieder zurück. Er war nicht zufrieden, weder mit seiner Verwendung in diesem Feldzug, noch mit diesem überhaupt. Der König hatte ihn fast immer beiseite geschoben, wie er behauptet, um die Thronfolge nicht zu gefährden. Vielleicht sah aber auch Friedrich Wilhelm II. ein, daß sein Sohn kein militärisches Genie war und besser nicht an führender Stelle stand. Als dann die Belagerung von Warschau jählings abgebrochen wurde, billigte der Kronprinz zwar diese Maßnahme, aber er meinte »vor Scham über diesen schmählichen Rückzug sterben zu müssen«.

      Die Nachricht von seiner unverhofften Rückkehr versetzte Luise in eine beinahe wahnsinnige Freude. »Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht und was ich tue«, antwortete sie ihm. »Ein freudiges Zittern ergriff mich bei der Lektüre Deines Briefes, mein Atem wurde ganz kurz, ganz kurz ... Ach Gott, was ein Glück, welche Freude erwartet mein, ich zittre an Arm und Bein, wenn ich daran denke! ... Tausendmal habe ich die Stelle vom 7. durchgelesen. Was auch nur der Gedanke quälet, wann ist der Tag, wo er kommen wird ... Ich bitte Dich aber auch recht inständig, mir den Tag Deiner Ankunft zu schreiben, denn ich muß es wahrhaftig wissen, sonst sterbe ich oder erschrecke wenigstens zum Tode, kömmst Du so und machst eine Surprise ...« Und dann war er endlich wieder da, am 21. September! Luise sah im nächsten Monat ihrer ersten Niederkunft entgegen und war glücklich, ihren Mann in dieser Stunde in ihrer Nähe zu wissen. Sie freute sich so auf das Kind, aber es kam ihr so seltsam, so komisch vor, daß sie schon Mutter werden sollte, daß sie an Georg schrieb: »Und Du, Bruder Georg ... wirst Dich freuen und über den Gedanken lachen, daß Luise ein Kind hat.«

      Die Freude wurde indes zur Trauer. Durch einen Unfall brachte die Kronprinzessin am 7. Oktober ein kleines totes Mädchen zur Welt. In der Meinung, die Kronprinzessin sei ausgefahren, hatte man das Kronprinzenpalais einem Fremden gezeigt. Als Luise dem fremden Mann auf der Treppe begegnete, erschrak sie dermaßen, daß sie die Treppe hinunterfiel. Eine Fehlgeburt war die Folge. Erst im nächsten Jahr ging ihr Wunsch in Erfüllung. Am 15. Oktober 1795 gebar sie ihren ersten Sohn, den Prinzen Friedrich Wilhelm, den nachherigen Friedrich Wilhelm IV. Ihr Glück war unbeschreiblich.

      Nun folgte fast ein ganzes Jahr stillen Familienlebens. Abgesehen von den üblichen Zerstreuungen und offiziellen Festen, die ein Hof mit sich bringt, lebten sie sehr zurückgezogen meist in Potsdam oder in dem bald darauf erworbenen Paretz.

      Luise hatte sich jetzt völlig in ihre Ehe eingefühlt und suchte den Kronprinzen immer besser zu verstehen. Sie sah auch inzwischen einige ihrer Verwandten wieder, besuchte einmal ihren Vater und schien mit ihrem Los zufrieden. Ihre Sorge galt jetzt ihrem Kind. Auch dabei verhielt sie sich wie eine Mutter der Bürgerkreise. Sie kümmerte sich selbst um sein Wohl und Wehe. Und das tat sie nicht nur bei diesem Erstgeborenen, sondern auch später bei allen ihren Kindern. Sie wollte sie, wie sie sich einmal zu Professor Heidenreich in Leipzig äußerte, vor allem zu »wohlwollenden Menschenfreunden« heranbilden. »Meine Sorgfalt ist meinen Kindern gewidmet ... Erhält Gott sie uns, so erhält er meine besten Schätze, die niemand mir entreißen kann.« Wenn sie auf Reisen war, schrieb sie den Kinderfrauen und Erzieherinnen, wie sie die Kleinen pflegen und daß sie sie ja nicht verwöhnen und verziehen sollten. Den Kindern selbst sandte sie lange, ausführliche Briefe und nahm an ihren kleinen Freuden und Leiden teil. Dafür hingen sie alle mit schwärmerischer Liebe an dieser Mutter, die ihnen so viel zu geben hatte.

      Der Kronprinz lebte mit Luise wie ein glücklicher Privatmann. Er fühlte sich am wohlsten zu Hause im Familienkreise, denn er haßte das leere, hohle Geschwätz der Hofleute und alles steife Zeremoniell. Da er sehr pedantisch war, führte er ein äußerst gleichförmiges Leben, in dem jede Stunde ihre Bestimmung hatte. Darüber spottete sogar Luise bisweilen ein wenig, wenn sie ihrem Bruder Georg schrieb, daß sie mit »den Hühnern und Kickerikis« zu Bett ginge und mit »Höchstdenselben« wieder aufstünde. Denn der Kronprinz stand jeden Tag früh um sechs Uhr auf, und Luise hielt es in der ersten Zeit ihrer Ehe, wenigstens, wenn sie auf dem Lande waren, ebenso. Zwar kam sie durch diese einfache, aller Etikette entbehrende Lebensweise oft in Widerstreit mit ihrer Oberhofmeisterin, denn Frau von Voß bemühte sich, das steife Hofzeremoniell aufrechtzuerhalten. Sie hatte damit weder bei Luise und noch viel weniger bei Friedrich Wilhelm Glück. Er nannte die alte Voß nur noch »Dame Etiquette«. Besonders empört war Frau von Voß, wenn er unangemeldet bei der Kronprinzessin eintrat. Als sie ihn eines Tages wieder darauf aufmerksam gemacht hatte, daß das nicht üblich sei, erwiderte er: »Nun gut, will mich fügen. Melden Sie mich meiner Gemahlin und fragen Sie, ob ich die Ehre haben kann, Ihre Königliche Hoheit die Kronprinzessin zu sprechen, möchte ihr gern mein Kompliment machen und hoffe, sie wird es gnädigst gestatten.«

      Die Voß war selig über diesen Erfolg ihrer Erziehung. Feierlich begibt sie sich zur Kronprinzessin, um ihr in aller Form den Besuch Seiner Königlichen Hoheit zu melden. Wie aber erschrak sie, als sie zu Luise kam und bereits den Kronprinzen bei ihr sitzen sah. Er war durch eine andere Tür eingetreten und rief der bestürzten Oberhofmeisterin lachend entgegen: »Sehen Sie, liebe Voß, meine Frau und ich, wir sehen und sprechen uns unangemeldet, so oft wir wollen und wünschen.«

      Friedrich Wilhelm war sparsam und einfach und mied für sich und die Seinen allen Glanz. Im Gegensatz zu seinem Vater, der in seiner Kleidung äußerst elegant war und mit seinen Mätressen, meist untergeordneten Charakteren, sein Geld verschwendete, lebte der Kronprinz nur für seine Familie. Als er sechzehn Jahre alt war, prophezeite ihm Mirabeau eine große Zukunft, und gleichzeitig schilderte er ihn mit wenigen Worten ganz vortrefflich: »Er ist linkisch,« sagte er, »aber alles hat bei ihm ein bestimmtes Gepräge. Er ist unhöflich, aber er ist wahr ... Er ist hart und zäh bis zur Rauheit ... Vielleicht hat dieser junge Mann eine große Zukunft.« Friedrich Wilhelm in seiner Schlichtheit konnte natürlich nicht viel Achtung vor seinem Vater haben. Ja, er haßte und verachtete ihn geradezu und machte auch gar kein Hehl aus seiner Abneigung. Friedrich den Großen hingegen verehrte er über alles. Hatte doch sein großer Oheim einst von ihm gesagt: »Er wird so sein wie ich.« Aber weder Mirabeau noch Friedrich der Große behielten recht. Friedrich Wilhelm hatte weder eine große Zukunft, noch besaß er auch nur annähernd den Verstand und das Genie Friedrichs. Wenigstens aber war er selbst so einsichtsvoll und gab zu, daß er Friedrich nicht gleichkommen könne. Denn, als man ihn bei seiner Thronbesteigung fragte, wie er sich nennen wolle, Friedrich oder Friedrich Wilhelm, soll er gesagt haben: »Friedrich Wilhelm. Friedrich ist mir unerreichbar.«

      Der Alte stand ihm noch lebhaft in Erinnerung. Im Park von Sanssouci hatte er oft mit ihm gesprochen. Friedrich Wilhelm war damals noch ein Kind. Einmal begegnete er Friedrich dem Großen ganz unvermutet. Sofort fragte ihn der König über Geschichte und Mathematik aus. »Ich mußte in französischer Sprache mit ihm reden«, erzählte Friedrich Wilhelm III. später seinem Biographen Eylert. »Dann zog er aus der Tasche La Fontaines Fabeln, von denen ich eine übersetzte. Zufällig war es gerade eine, die ich beim Informator eingeübt hatte und die mir sehr geläufig war. Das sagte ich dem König, als er meine Fertigkeit lobte. Darauf erheiterte sich sein ernstes Gesicht. Er streichelte mir sanft die Wangen und setzt« hinzu: »So ist's recht, lieber Fritz; nur immer ehrlich und aufrichtig! Wolle nie scheinen, was Du nicht bist; sei stets mehr, als Du scheinst.« Diese Ermahnung machte auf den jungen Prinzen einen unauslöschlichen Eindruck. Verstellung und Lüge waren ihm stets zuwider, auch in späteren Jahren.

      Einfach und gerecht war er in allem, aber auch unfähig zu dem Posten, der ihm bevorstand, besonders in einer Zeit, da es nicht nur überall zu gären begann, sondern auch gegen Preußen sich ein Gegner erhob, dem nur ein ebenso genialer Partner die Wage hätte halten können. Darüber waren sich alle Staatsmänner einig.

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