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andere hat mich unendlich erfreut. Nennen Sie mich immer wie Sie wollen. In meinem Leben wird es mir nicht in den Sinn kommen, das böse zu finden. Im Gegenteil, es macht mich froh. Da wir vom ersten Augenblick unserer Bekanntschaft an ganz natürlich und ohne Zwang beisammen waren, hielt ich es für meine Pflicht, Ihnen den Grund zu sagen, warum in meinen Briefen ein gewisser gezierter Stil herrscht, der nicht meinem Charakter entspricht. Sie könnten sonst glauben, daß ich gegen Sie verändert wäre. Aber ich schwöre Ihnen, es ist nicht der Fall. Im Gegenteil, Sie sind mir nicht gleichgültig. Sie wissen, was ich für Sie empfinde, und so habe ich nicht nötig, Ihnen zu wiederholen, daß ich Sie recht von Herzen liebe. Seien Sie immer der gleiche gegen mich. Ich gestehe Ihnen: mein Herz ist unfähig, sich zu verändern ... Bitte, lieber Prinz, zeigen Sie diesen kleinen Zettel keinem Menschen, und wenn Sie darauf antworten, so tun Sie es nicht in Ihrem Briefe, sondern auf einem kleinen Blatt für sich, damit Großmutter es nicht merkt, sonst habe ich Unannehmlichkeiten ... Noch eins: Großmutter wünschte, ich sollte vorerst einen Entwurf für meinen Brief an Sie machen, weil ich so unorthographisch schreibe. Ich gestehe, er ist nicht schön, aber Sie sollen auch meine Fehler kennenlernen. Wenn ich als Kind fleißiger gewesen wäre, könnte ich Ihnen jetzt vielleicht ohne Fehler die Empfindungen meines Herzens sagen, so kann ich es immer nur fehlerhaft ...« Später wurden Luises Briefe bedeutend vertraulicher und herzlicher, besonders wenn sie sie in köstlichem Kauderwelsch französisch und deutsch durcheinander schrieb, oder gar, wenn sie pfälzische Sätze mit einflocht wie den: »Die ollen Scharteken, die Wägen fahren vor, die alten metallenen Klocken läuten, und ich, ich habe keine Lust in die Kirche zu gehen. Gott verzeihe mir's. Adieu altesse royale de mon coeur ... Ich muß fort in Kirch gehn, sonst schlägt mich mey alte Großmäme«. Oder: » Je mange depuis sieben weniger un quart des cerises délicieuses noires comme un Hut et je souhaiterais, pour qu'elles me paraissent tout à fait délicieuses, la présence d'un certain Monsieur de votre connaissance.« Mit dem » certain Monsieur« meinte die Schelmin natürlich den Kronprinzen selbst.

      Sie sah ihn noch einmal in Mannheim bei der Prinzessin Auguste von der Pfalz wieder. Ende August aber mußten sie sich endgültig trennen, und erst im November sahen sie sich zum letztenmal vor ihrer Hochzeit, in Frankfurt. Nach diesem letzten Beisammensein schrieb sie ihm: »Ich verspreche mir ein vollkommenes Glück, nicht ein romanhaftes Glück, aber sicher werden wir so glücklich sein wie zwei Gatten, die sich lieben können.« Für eine so junge Braut fast allzu vernünftige Worte. Aber ihr gerader Sinn wollte sich nicht etwas einreden, was sie nicht unbedingt glaubte. Das Himmelhochjauchzende wie auch das Zutode-Betrübte waren ihr unbekannt, aller Schein war ihr fremd.

      Aber das rein Menschliche und Herzliche war in ihr wunderbar mit Vornehmheit vereint. Sie konnte, im Gegensatz, zu dem nüchternen, trockenen Wesen Friedrich Wilhelms, schelmisch, lustig und ausgelassen wie ein Kind und zu allen bösen und guten Streichen aufgelegt sein. So hatte sie es zum Beispiel ersonnen, die Aufmerksamkeit der guten Großmama während der Besuche des Kronprinzen dadurch von sich abzulenken, daß sie ihr den Adjutanten Schack auf den Hals schickte. Der mußte die alte, sehr redselige Dame unterhalten, während Luise und Friedrich Wilhelm allein im Garten saßen und ihre Herzen sprechen ließen. Wenn die Großmama beschäftigt war, waren sie vor »ihren Geschichten und geistvollen Bemerkungen« sicher, »denn«, schreibt Luise später einmal an ihren Mann in humorvoller Laune: »Ich glaube, sie hätte lieber gesehen, daß Du ihr den Hof machest als mir.«

      Dann aber lag auch wieder in Luises Bewegungen, in ihrer Art, sich zu geben, trotz aller Anmut und herzgewinnender Liebenswürdigkeit kühle, vornehme Zurückhaltung, die ihr manche Leute, die sie nicht genau kannten, als Herzenskälte und Hochmut auslegten. Solche Zurückhaltung war jedoch ganz geeignet für eine zukünftige Königin von Preußen an einem Hof, der sich infolge des leichtfertigen Lebens des alten Königs und des wenig vornehmen Regiments der Gräfin Lichtenau eines sehr schlechten Rufs erfreute. Ja, der Ruf war so schlecht, daß die alte Landgräfin und der Vater Luises nicht sofort geneigt waren, ihre Kinder in diesen »Sündenpfuhl« zu verheiraten. Besonders war die Tante, die regierende Landgräfin Luise, ganz gegen diese Verbindung. Und nur der gute Ruf des biederen Charakters des Kronprinzen hatte entschieden. Als die Tante ihn dann persönlich kennenlernte, war sie sogar so entzückt von ihm, daß sie öfter bemerkte: »Ach, es is e gar zu ehrlicher Mann, der gut Kronprinz, ich hab' en gar zu lieb«.

      Zweites Kapitel. Als Kronprinzessin am Hofe des alten Königs.

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       Friedrich Wilhelm II. Radierung von Wilhelm Chodowiecki

      Einzug der zukünftigen Kronprinzessin in Berlin – Begeisterung der Bevölkerung – Vorstellung der Prinzessinnen bei Hofe – Die Trauung Luises und Friedrich Wilhelms – Alte Hochzeitsgebräuche am preußischen Hofe – Der verpönte Walzer – Luises Popularität – Szenen aus dem Hofleben des alten Königs Berliner – Sitten – Luise in der neuen Umgebung – Ihre Vorliebe für Tanz und Vergnügen – Sie versucht geistig auf ihren Gatten einzuwirken – Ihre innere Einsamkeit – Friederike – Ihr Einfluß auf Luise – Großstadtgefahren – Louis Ferdinands Annäherung – Seine Persönlichkeit – Das Ende der Idylle – Die Persönlichkeit des Kronprinzen – Luises Ehe – Ihr Privatleben – Tod des Prinzen Louis und der Witwe Friedrichs des Großen – Beginn der Krankheit des Königs – Luise in Pyrmont – Paretz – Der sterbende König – Scharlatane und Abenteurer – Die Lichtenau und ihre Freunde – In der Todesstunde Friedrich Wilhelms II.

      An einem wunderschönen Wintermorgen, am 22. Dezember 1793, hielt die siebzehnjährige Prinzessin Luise ihren Einzug in Berlin. Die Landgräfin-Witwe von Darmstadt und ihre Brüder Georg und Karl von Mecklenburg-Strelitz begleiteten sie. Die Großmutter strahlte vor Stolz und Glück. Luise fuhr in der goldenen Karosse, in der alle preußischen Königsbräute eingeholt wurden. Der Kronprinz und Prinz Louis empfingen die Prinzessinnen in Potsdam am südlichen Schloßportal, wo auch der neue Hofstaat der beiden Bräute versammelt war.

      Die Berliner Bevölkerung war begeistert von der neuen Kronprinzessin. Alle Straßen waren festlich mit Blumen und Fahnen geschmückt. Eine ungeheure Menschenmenge durchwogte die Stadt. Man war von der Natürlichkeit und Unbefangenheit der hübschen jungen Prinzessin entzückt, und sofort eroberte sie sich alle Herzen im Sturme. Der Zug bewegte sich vom Potsdamer Tor durch die Leipziger und Wilhelmstraße bis zu den Linden, immer an Tausenden von jauchzenden, frohen Menschen vorüber, die sich nicht genugtun konnten in Tücherschwenken und Jubelrufen. Als Luise von einer Reihe weißgekleideter kleiner Mädchen empfangen wurde, beugte sie sich zu der niedlichen Sprecherin, die ihr einen Blumenstrauß mit einem Gedicht überreichte, in spontaner Rührung hinab und küßte das Kind zum großen Erstaunen der alten Voß, die so etwas von Übertreten der Etikette noch nicht erlebt hatte.

      Am Abend wurden Luise und Friederike bei Hofe vorgestellt, worauf bei der regierenden Königin Friederike Cour stattfand. Man sagte, sie hätte sich ihre Nichten, die Prinzessinnen von Baden oder Homburg, als Schwiegertöchter gewünscht und sei deshalb über die Wahl ihrer Söhne nicht besonders erfreut gewesen. Beim Lottospiel entlud sich dann auch ihre schlechte Laune besonders gegen die Prinzessin Luise. Als die Kronprinzessin naiverweise die Höflinge begrüßte, die an ihr vorbeischritten, sagte ihre Schwiegermutter ziemlich spitz zu ihr: »Wenn bei mir Cour ist, so gilt diese Cour nur mir, und ich allein habe zu grüßen.« Auch Friederike wurde getadelt und ausgescholten.

      Am 24. Dezember, abends 6 Uhr, fand im Weißen Saal des Berliner Schlosses die Trauung Luises unter den althergebrachten Zeremonien statt und wurde vom Konsistorialrat Sack vollzogen. Die Braut sah entzückend aus. »Schön wie ein Engel«, meinte Prinzessin Radziwill. »Die diamantene Königskrone auf dem aschblonden Haar stand ihr bezaubernd.« Der Kronprinz war trotz seines kühlen und ernsten Wesens so von seinem Glück durchdrungen, daß man es ihm ansah.

      Nach der Trauung fand im Rittersaal ein großes Bankett statt, bei dem nach überlieferter Sitte die Generale Graf Brühl und von der Marwitz di« Speisen auftrugen und Kammerherren und Hofdamen bei Tisch bedienten, bis die königliche Familie den ersten Trunk getan hatte. Dann zogen sich die Höflinge an die Marschallstafel zurück, um dort ebenfalls zu speisen. Nach der Tafel

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