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etwas verlegen; er ist stets sehr zurückhaltend und keine ausgesprochene Persönlichkeit. Die ihn näher kennen, behaupten, er sei unentschlossen. Und diese Behauptung scheint begründet zu sein. Unter den verschiedenen Ursachen, denen man diese Unentschlossenheit zuschreiben kann, scheint mir besonders die am wahrscheinlichsten, daß der Prinz, der sonst einen gesunden Menschenverstand besitzt, jeden Tag mehr den Mangel an Erziehung fühlt und immer fühlen wird ... Als man diese Erziehung nahezu für beendet hielt, ließ man ihn an den Sitzungen der verschiedenen Ministerien teilnehmen. Er langweilte sich aufs schönste und hinterließ nirgends auch nur eine Spur seines Interesses an den Geschäften, die sich dort abwickelten ... Als er den König ins Feld begleitete, war er nur ganz äußerlich dabei und zeigte keinerlei Lust, sich auszuzeichnen ... Seine größte Sorgfalt beschränkt sich seitdem darauf, daß er sein Regiment gut einexerziert. Und das gelingt ihm ... Er hält auf eiserne Disziplin und liebt die Armee, die er noch vergrößern möchte ...« Und aus Prag schrieb der verbannte Freiherr vom Stein viele Jahre später an die Prinzessin Wilhelm: »Ich verehre den König wegen seiner religiösen Schlichtheit, seiner reinen Liebe zum Guten, ich liebe ihn wegen seines wohlwollenden Charakters und beklage ihn, da er in einem eisernen Zeitalter lebt, wo diese Milde, diese Rechtschaffenheit nur seinen Fall beförderten und in welchem nur eins not tut, um sich zu erhalten: ein überwiegendes Feldherrntalent, verbunden mit rücksichtslosem Egoismus, der alles beugt und niedertritt, um auf Leichen zu thronen.«

      Und gerade diese Eigenschaften besaß Friedrich Wilhelm nicht. Als Kronprinz brauchte er sich zu seinem Glück – abgesehen von den verschiedenen Feldzügen, an denen er teilnahm – nicht um die Politik und die Staatsgeschäfte zu kümmern. Sein Leben mit Luise floß sehr ruhig und gleichmäßig dahin. Wenn sie sich in Potsdam aufhielten, war es noch einförmiger, besonders wenn keine Veranlassung zu irgendwelchen Gesellschaften und Festen war. Seine Pferde, sein Regiment und eine Partie Kegel waren ihm, besonders als jungem Mann, die liebste Zerstreuung. Die Jagd liebte er gar nicht. Er fand sie ebenso roh und grausam wie den Krieg. Hingegen konnte er stundenlang mit der Kronprinzessin in der Umgegend von Paretz ober Potsdam reiten. Auch Luise hatte die größte Freude an diesen Spazierritten, denn sie war eine ausgezeichnete Reiterin. Besonders liebte sie diese Ausflüge zu Pferd, weil dann der Kronprinz an ihrer Seite etwas gesprächiger wurde als gewöhnlich zu Hause. In solchen Augenblicken des Alleinseins war es wohl auch, daß er zu ihr sagte: »Gott sei Dank, daß Du wieder meine Frau bist.« – Und wenn dann Luise fragte: »Bin ich denn das nicht immer?« so antwortete er mit sichtlichem Bedauern: »Leider nein; Du mußt nur zu oft Kronprinzessin sein.«

      Im Grunde war er ein verschlossener, menschenscheuer Charakter, den alles Öffentliche in eine gewisse Verlegenheit versetzte. Und daran waren wohl seine Kinderjahre, seine ganze Erziehung schuld, denn er besaß keine schlechten Anlagen. Er sprach vorzüglich Französisch und konnte, wenn er diese Sprache anwandte, auch viel beredter sein. Deshalb war es auch Luise am liebsten, wenn er sich mit ihr französisch unterhielt und seine Briefe französisch schrieb. Im Deutschen sprach er kurz und abgehackt, im Französischen fließend und leicht.

      Im großen und ganzen war seine Erziehung ziemlich vernachlässigt worden. Sein Vater hatte sich nicht viel um ihn gekümmert. Friedrich Wilhelm II. lagen seine unehelichen Kinder weit mehr am Herzen als seine ehelichen. Um dieselbe Zeit, als der Kronprinz geboren wurde, schenkte auch Madame Ritz einem Sohne vom König das Leben, dem Grafen Alexander von der Mark, und der Vater dieser beiden Kinder war ausschließlich mit dem Bastard beschäftigt, der bereits in seinem neunten Lebensjahr starb und von ihm aufs schmerzlichste betrauert wurde. So sehr trauerte der König um diesen Lieblingssohn, daß er sich den Geist des kleinen Verstorbenen in einer der spiritistischen Sitzungen, welche die Ritz und Bischoffwerder mit Vorliebe für den König veranstalteten, zitieren ließ. Der kleine Geist erschien auch prompt, aber nur, um den König daran zu erinnern, daß dieser Madame Ritz niemals verlassen solle. Und Friedrich Wilhelm II. hat das Versprechen treu gehalten.

      Unter solchen Verhältnissen wuchs der Kronprinz Friedrich Wilhelm auf, an der Seite einer oberflächlichen Mutter, die mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt war. Die Kinder waren meist der Dienerschaft und nicht immer tüchtigen und geschickten Erziehern überlassen. Sie wuchsen auf ohne Liebe und ohne Herzlichkeit. Als der sechzehnjährige Kronprinz in die Hände des klugen Grafen Karl Brühl, des zweiten Sohnes jenes berüchtigten Ministers Augusts des Starken, kam, war es bereits zu spät. Brühl schien in dieser Beziehung keinen Einfluß auf ihn zu haben. Der gutmütige Köckritz, der ihm nach dem Tode Schacks als Adjutant beigegeben wurde und immer sein Freund blieb, war wohl ein äußerst menschlicher Charakter, aber durchaus nicht geeignet, einem so schwachen Menschen, wie Friedrich Wilhelm III., Selbstvertrauen beizubringen, denn Köckritz besaß zu sich selbst auch keins. Noch unbedeutender war der zweite Adjutant von Jagow.

      An der Seite dieses verschlossenen, eigenartigen Gatten baute Luise sich ihr Glück selbst auf, ohne jedoch zu versuchen, seinen Charakter wesentlich zu ändern. Sie war eine mehr passive, weiche Natur, die sich unbedingt dem Manne unterordnete, der ihr vom Gesetz zum Gatten gegeben wurde. Vielleicht wäre eine andere Frau, die weniger auf seine Eigenarten einzugehen verstand, mit Friedrich Wilhelm unglücklich geworden. Luise aber überbrückte alle diese Unebenheiten in ihrer Ehe mit ihrem heiteren Sinn und ihrem großen Feingefühl für alle menschlichen Schwächen. Kleine Rauheiten und Eigenarten ihres Mannes nahm sie mit ihrem biegsamen Wesen immer so auf, daß nie eine Reibung entstehen konnte. Und doch war er nicht immer leicht zu behandeln. Das vertrauliche »Du«, das sie in ihrem Privatleben eingeführt hatten, glättete ebenfalls manche Ungleichheiten. Es war übrigens eine ganz neue Mode, die der preußisch« Hof noch kaum erlebt hatte. Der alte König war aufs höchste darüber erstaunt, als er es hörte. Eines Tages sagte er zu seinem Sohn: »Wie ich höre, nennst du ja die Kronprinzessin du.« – »Geschieht aus guten Gründen«, war die kurze Antwort! Und als der König weiter fragte, sagte der Kronprinz heiter: »Mit dem ›Du‹ weiß man doch immer, woran man ist; dagegen bei dem ›Sie‹ ist immer das Bedenken, ob es mit einem großen S gesprochen wird oder mit einem kleinen!«

      Näher noch als alles andere brachten sie die gemeinsamen Familiensorgen, die Krankheiten der Kinder, des Kronprinzen und der Verwandten. Das Ende des Jahres 1796 und der Anfang des folgenden bedeuteten für Luise und ihren Gatten schwere, sorgenvolle Zeiten. Im Dezember 1796 starb der Prinz Louis, der Mann der Schwester Friederike, im Alter von fünfundzwanzig Jahren an der Bräune. Der Tod des Bruders erschütterte den Kronprinzen dermaßen, daß er einige Tage selbst ganz krank war. Dazu gesellte sich ebenfalls eine Art Bräune, die ihn binnen kurzer Zeit nahe an den Rand des Grabes brachte. Luise verließ ihn nicht einen Augenblick. Mit größter Liebe und Sorgfalt pflegte sie den Kranken und saß Nächte hindurch an seinem Bett, um ihn durch ihre Gegenwart zu trösten. Endlich, am 3. Januar 1797, wendete sich die Krankheit zum Bessern. Wie froh war Luise, als die Krise überstanden war. An Georg schrieb sie damals: »Meinen Mann in Gefahr zu wissen, ihn leiden zu sehen, das ist furchtbar. Niemals werde ich diese Zeiten des Unglücks vergessen.«

      Wenige Tage später, am 13. Januar 1797, starb die 82jährige Witwe Friedrichs des Großen, Elisabeth Christiane. Auch der König Friedrich Wilhelm II. fing in diesem Jahre an zu kränkeln. »Nun komm ich dran«, hatte er zu Bischoffwerder gesagt, als er die Nachricht vom Tod der Königin-Witwe erfuhr. Die Wassersucht machte sich bereits bemerkbar. Der große, starke Mann verfiel sichtlich und mußte die Bäder von Pyrmont aufsuchen. Er reiste ganz offiziell mit der Lichtenau in das damals elegante Modebad ab, während die Königin in dem kleinen bescheidenen Kurort Freienwalde sich aufhielt. Die verwitwete Prinzessin Louis befand sich ebenfalls in der Begleitung des Königs, und einige Wochen später mußte auch das kronprinzliche Paar auf königlichen Befehl nach Pyrmont folgen. Ihnen war inzwischen wieder ein Sohn geboren worden. Am 22. März 1797 hatte Luise dem Prinzen Wilhelm – sein eigentlicher Name war Friedrich Wilhelm Ludwig – das Leben gegeben. Es war der spätere Kaiser Wilhelm I.

      In Pyrmont verlebten sie sehr qualvolle Tage. Aber sie hatten sich der Einladung des Königs doch nicht entziehen können. Die Lichtenau hielt dort förmlich Hof und wurde von den anwesenden Reichsfürsten – es waren mehr als zwanzig – mit allen Ehren ausgezeichnet. Auch der Kämmerer Ritz, des Königs Günstling und die niedrigste Kreatur in der Umgebung Friedrich Wilhelms II., wurde sehr ausgezeichnet und gefeiert. Luise sah das alles mit betrübtem Herzen, und doch vermochte weder sie noch

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