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war kräftig verbogen.

      Nick, der Erfahrung in so kleinen Unfällen hatte, sah es sofort. Er stieg von seinem Rad ab, half Pünktchen auf die Beine und drückte den Lenker wieder gerade.

      »Danke«, piepste Pünktchen beschämt. Ihre blauen Augen schimmerten feucht.

      »Weißt du«, meinte Nick versöhnlich, »mir gefällt es, dass du noch klein bist.« Er hätte die anderen, die von dem kleinen Unfall nichts bemerkt hatten, zurückrufen können. Doch er tat es absichtlich nicht.

      Pünktchen strich sich die ins Gesicht gefallenen Haare zurück und schüttelte die Heufäden von ihrem T-Shirt. »Aber Mädchen wie Sissi gefallen dir besser«, widersprach sie ihm eifersüchtig.

      »Wer sagt denn das?« Nick lachte belustigt auf.

      »Das sieht man, wenn du mit ihr sprichst.«

      »Quatsch!« Nick tippte sich unmissverständlich an die Stirn. »Soll ich dir einmal etwas sagen? Sissi hat längst einen Freund. Er hat sie sehr lieb. Das hat er mir selbst gesagt.«

      »Der junge Mann, der so lange bei Tante Isi war?« Pünktchen bekam vor Staunen den Mund nicht mehr zu.

      »Mutti sagt, er ist Rechtsanwalt, und deshalb könnte er sich am besten um den Fall Tim kümmern.«

      »Wenn Tante Isi das sagt, dann stimmt es auch«, meinte Pünktchen voll ehrlicher Überzeugung. »Komm jetzt, die anderen sind gleich am See. Und bitte, Nick, sag ihnen nicht, dass ich gestürzt bin.« Treuherzig sah das hübsche kleine Mädchen zu dem Jungen auf.

      »Ehrensache!« Nick drückte Pünktchen tröstend die Hand. Liebevoll gab er den Blick der blauen Augen zurück. Für Sekunden war ein Zauber zwischen den beiden, den sie nicht zu deuten wussten. Er gab einen kleinen Vorgeschmack auf das, was später einmal sein konnte. Doch Nick und Pünktchen waren noch zu jung, um das zu begreifen. Mit übermütigem Geschrei jagten sie den Kameraden nach.

      »Wer ist zuerst im Wasser?«, kreischte Henrik und freute sich unbändig, dass er unter der kurzen Hose bereits die Badehose trug. Blitzschnell streifte er das T-Shirt über den Kopf und die Sandalen von den Füßen. Er lief ins Wasser, sodass es hoch aufspritzte. »Gewonnen!«, schrie er und warf die Ärmchen hoch.

      »Was hast du eigentlich gewonnen?«, erkundigte sich Vicky, die sehr vorsichtig ins nasse Element ging.

      »Das größte Stück Schokoladenkuchen!« Henrik hüpfte vor Freude wie ein Gummiball.

      Vicky schickte sich an, ihn dafür ordentlich nass zu spritzen. Da schrie Nick: »Genehmigt!«, und schlichtete so den aufkommenden Streit.

      Es wurde ein sehr fröhlicher Nachmittag. Die Kinder von Sophienlust, die alle ausgezeichnete Schwimmer waren, tobten im klaren Wasser des Waldsees. Sie übten an einer besonders tiefen Stelle Kopfsprünge, machten Wettschwimmen und veranstalteten eine regelrechte Wasserschlacht. Es wurde gelacht, gequietscht und aus Leibeskräften geschrien.

      Später lagen alle müde in der Sonne und ließen sich Magdas berühmten Schokoladenkuchen und den mitgebrachten Tee schmecken. Henrik schmatzte mit besonderer Genugtuung. Sein Stück Kuchen war so groß, dass er beide Hände brauchte, um es zu halten. Er vertilgte es bis zum letzten Krümel.

      Als die Sonne hinter den hohen Tannen verschwand, mahnte Nick zum Aufbruch. Ein bisschen zerzaust und erschöpft erreichten die Kinder Sophienlust.

      Eben verabschiedete sich Sissi von Schwester Regine. Das junge Mädchen winkte Nick und seinen Kameraden zu, stieg aufs Fahrrad und radelte los.

      Nachdenklich brachte Nick die Fahrräder in den Schuppen bei den Ställen. Er hatte schon oft überlegt, weshalb Sissi jeden Tag die weite Strecke von Maibach mit dem Rad zurücklegte, nur um Tim versorgen zu können. Die Antwort, die ihm dazu einfiel, hatte er jedesmal verworfen. Doch jetzt glaubte er zum ersten Mal, dass sie gar nicht so dumm sei. Sissi sah aus wie eine Schülerin der Oberstufe, aber wenn sie Tim im Arm hielt, dann ging eine merkwürdige Verwandlung mit ihr vor. Dann sah sie so mütterlich aus wie seine Stiefschwester Andrea. Das war es! Andrea war kaum älter als Sissi gewesen, als Peterle zur Welt gekommen war. Warum sollte Sissi nicht auch …

      Nick pfiff durch die Zähne. Doch dann wurde seine Aufmerksamkeit von einem gewohnten Geräusch in Anspruch genommen. Unweit von Sophienlust hielt der Linienbus. Durch die Bäume hindurch konnte Nick sogar erkennen, dass jemand ausstieg. Das Hausmädchen Ulla kam vom Einkaufen in der Stadt zurück. Und der junge Mann, der eben den Bus verließ, war das nicht Frank Brehm? Natürlich! Sicher kam er wegen Sissi. Und nun war sie unterwegs nach Hause.

      Nick überlegte nicht lange. Er rannte in den Schuppen zurück, griff nach seinem Rad und schwang sich darauf. Mit aller Kraft trat er in die Pedale. Wenn er Glück hatte, würde er Sissi noch einholen.

      Nick wählte einen Abkürzungsweg quer durchs Feld. Kurz vor Bachenau bog er wieder auf die Landstraße ein. Und da sah er tatsächlich Sissi nur einige hundert Meter vor sich.

      »Warte, Sissi«, schrie er. »Schwester Regine will dich noch etwas fragen. Kannst du nicht zurückkommen?«

      Arglos radelte das Mädchen den Weg zurück.

      *

      Sissi war so in Gedanken, dass sie gar nicht merkte, dass Nick kurz vor der Einfahrt zum Park verschwand. Erst als vor ihr auf dem Weg eine hohe schmale Gestalt auftauchte, verlangsamte sie ihr Tempo etwas.

      Die Haltung des jungen Mannes, sein lockiges braunes Haar, sein Gang, das alles erinnerte sie schmerzlich an Frank. Doch in der nächsten Sekunde wusste sie es. Das war kein Wunschbild, kein Traum. Das war er! Der Mann, den sie liebte, den sie immer lieben würde.

      Sissi konnte plötzlich das Gleichgewicht nicht mehr halten. Sie stellte die Füße zu beiden Seiten ihres Fahrrads auf den Boden.

      Der junge Mann, der so zielstrebig auf das schlossartige Gebäude von Sophienlust zuging, hörte das Geräusch und drehte sich um. Er stutzte und breitete dann unbewusst beide Arme aus. »Sissi!« Wie der Angstschrei eines Ertrinkenden kam dieses eine Wort von seinen Lippen.

      Das Mädchen ließ das Rad fallen und rannte in die Arme des geliebten Mannes. Stürmisch schmiegte es sich an seine Brust. Sissis Herz klopfte so hart, und ihr Atem ging so rasch, dass sie keinen Laut hervorbringen konnte. Ein Zittern lief durch ihre schlanken Glieder. Ihre Zähne schlugen klappernd aufeinander. Tränen perlten aus ihren schönen Augen. Doch diesmal waren es Tränen der Freude.

      Auch Frank war so erschüttert, dass er zunächst nicht sprechen konnte. »Sissi, meine Sissi«, brachte er endlich heiser hervor. »Ich habe dich gefunden! Es war wie eine Odyssee, ein Weg voller Hindernisse und Intrigen.«

      »Warum hast du so lange nichts von dir hören lassen?«, schluchzte das Mädchen. »Ich hab so sehr auf dich gewartet. Ich hätte dich so nötig gebraucht.«

      »Ich weiß. Es tut mir so furchtbar leid, dass ich nicht bei dir sein konnte. Ich hab dir unzählige Briefe geschrieben, Sissi.«

      Das Mädchen stemmte sich ein wenig ab, hob sein tränenüberströmtes Gesicht. »Aber ich habe keinen einzigen erhalten.«

      »Ich weiß. Deine Stiefmutter hat sie alle vernichtet, weil sie wollte, dass du mich vergisst. Deshalb hat sie mir auch das Stipendium an der Sorbonne besorgt. Ich wusste lange nichts davon, Sissi. Es war eine schlimme Zeit für mich. Wie gern hätte ich mein Studium unterbrochen, um zu dir zu kommen. Aber das konnte ich mir einfach nicht leisten.«

      Jetzt wurde Sissi vieles klar. Sie wusste, dass Frank die Wahrheit sagte. »Es ist vorbei. Und unsere Liebe war stärker. Stärker als alle Verleumdung.«

      Beide Arme schlang Sissi um Franks Hals. Keiner der beiden jungen Menschen merkte, dass sich das Hausmädchen Ulla noch einmal neugierig umdrehte und dass Nick zufrieden herüberschaute, als er nun zum zweiten Mal sein Rad in den Schuppen brachte. Für Frank und Sissi versank die ganze Welt. Sie sahen einander in die Augen und vergaßen die Zeit. Voll Sehnsucht und Innigkeit fanden sich ihre Lippen zu einem langen seligen Kuss. Was diese beiden jungen Menschen empfanden, konnten Worte nicht ausdrücken. Es war das höchste,

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