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schon einmal dort. Ich habe immer befürchtet, dass sein unruhiges Blut ihn eines Tages forttreiben könnte«, warf Andrea ein. »Jetzt ist es so weit. Erzähle, Hans-Joachim.«

      »Hat Helmut gesagt, dass er zum Zirkus will?«, rief Henrik gespannt dazwischen. »Verstehen könnte ich’s. So ein Zirkus ist eine feine Sache.«

      »Aber er kann euch nicht einfach im Stich lassen«, erklärte Nick kopfschüttelnd. »Das wäre nicht fair. Oder bist du damit einverstanden, dass Andrea die drei Bären und alle anderen Tiere plötzlich ohne Hilfe versorgen soll?«, wandte er sich an Hans-Joachim von Lehn.

      Der Tierarzt nickte seinem jungen Schwager zu. »Nein, damit wäre ich nicht einverstanden. Durchaus nicht. Als sich im Laufe unserer Unterhaltung nicht länger verheimlichen ließ, dass Helmut Koster über kurz oder lang zum Zirkus Ramoni zurückkehren will, um seinem früheren Direktor zu helfen, das Unternehmen wieder in die Höhe zu bringen, haben wir es ihm nicht weiter schwer gemacht. Er fragte, ob er vielleicht die kleine Schimpansin Luja mitnehmen dürfte, die er so geschickt abgerichtet hat und die sicherlich auch mit anderen Tieren gut zusammenarbeiten könnte. Da machte Andrea dann gleich den Vorschlag, er solle auch die drei Bären mitnehmen.«

      »Ja«, bestätigte die junge Frau ein bisschen verlegen. »Hoffentlich sind alle Kinder damit einverstanden. Aber es wäre mir wirklich zu viel, wenn ich die großen Raubtiere allein betreuen müsste. Wir kriegen ja vielleicht einmal einen anderen Tierpfleger, aber im Augenblick würde ich doch allein dastehen.«

      »Isabell, Taps und Tölpl … Na ja, wenn es sein muss«, kam es etwas zögernd über Henriks Lippen.

      »Immerhin hätte Helmut doch bleiben können, bis du einen Nachfolger gefunden hast«, wandte Nick ein. »Die Bären waren eine prima Attraktion bei Waldi & Co. Sie werden uns fehlen.«

      »Wir sind aber nie ein Raubtierheim gewesen. Eigentlich führt die Sache zu weit. Isabell ist ja eine harmlose alte Bärin, aber was auf die Dauer aus den Jungbären wird, wenn nicht der richtige Mann kommt, um sie abzurichten, kann man nicht absehen«, äußerte Dr. von Lehn ernsthaft. »Ich habe mir in letzter Zeit manchmal Sorgen gemacht, dass mit den Kindern im Freigehege etwas passieren könnte. Die Bären sind groß und stark geworden und können aus Spielerei und Übermut allerlei anrichten. Ich sehe sie ganz gern mit Helmut Koster ziehen.«

      »Dann lasst ihr ihn also gleich gehen, wenn er gehen will?«, fragte Nick. »Waldi & Co. ohne Helmut … Nein, das kann ich mir gar nicht vorstellen. Aber wir helfen dir, Andrea. Es kommen ja bald die großen Ferien.«

      »Wir werden euch beim Wort nehmen, und Justus ist vielleicht zwischendurch auch einmal so nett einzuspringen, wenn Not am Mann sein sollte«, antwortete Hans-Joachim von Lehn. »Andrea nimmt sich leicht zu viel vor, wenn es um die lieben Tiere geht.«

      »Ich schaffe es schon, Hans-Joachim«, verteidigte sich Andrea. »Wir können Helmut jetzt nicht davon abhalten, Herrn Ramoni zu helfen. Auch wenn Wanja gefunden wird, bleibt die enge Verbindung zwischen Helmut und seinem alten Zirkus bestehen.«

      »Wanja muss gefunden werden«, versetzte Denise von Schoenecker, die dem Gespräch schweigend gelauscht hatte. »Und jetzt sollte Henrik zu Bett gehen. Es ist viel zu spät geworden.«

      »Ich kann doch nicht einschlafen«, erklärte Henrik.

      »Versuche es wenigstens. In zwei Stunden werden wir alle zu Bett gehen, denn auch morgen muss etwas getan werden. Wir nützen Wanja nicht, wenn wir uns die Nächte um die Ohren schlagen, Henrik.«

      Gegen elf ging dann das Telefon.

      »Nimm du bitte ab, Alexander«, bat Denise mit fremder heiserer Stimme. »Ich kann jetzt keine schlechten Nachrichten entgegennehmen. Hoffentlich ist es nichts Schlimmes!« Sie faltete unwillkürlich die Hände und wiederholte in Gedanken das Gebet, das sie vorhin mit Henrik gesprochen hatte: Lieber Gott, beschütze und behüte unseren lieben Wanja. Lass ihm nichts Böses geschehen und führe ihn zurück zu uns oder zu seinem Großvater!

      Alexander von Schoenecker hatte das Gespräch in seinem Arbeitszimmer entgegengenommen. Nun kam er mit lächelndem Gesicht zurück.

      »Eine gute Nachricht«, sagte er warm. »Wanja liegt in der Universitätsklinik von Heidelberg. Er ist im Wald in der Nähe der Autobahn gefunden worden. Vor einer halben Stunde ist er endlich aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht und hat seinen Namen genannt. Die Polizei wusste dann gleich, dass er gesucht wird.«

      Andrea sprang auf. »Mein Himmel, bin ich froh und dankbar«, rief sie aus. »Ich glaube, ich wäre in meiner Unruhe die ganze Nacht hier sitzen geblieben.« Sie umarmte ihre Mutter, ihren Vater, ihren Mann und schließlich auch Nick, der sich um Wanja nicht weniger gesorgt hatte als alle anderen.

      Alexander von Schoenecker berichtete, was er erfahren hatte. Wanja war in sehr schlechtem Zustand ins Krankenhaus eingeliefert worden, aber nun ging es ihm dank der vielen angewendeten Mittel etwas besser. »Es besteht keine akute Lebensgefahr mehr«, sagte er. »Der Arzt, der hier anrief, versicherte mir, dass sie den Jungen in ein bis zwei Wochen wieder auf die Beine bringen werden.«

      »Lieber Gott, ich danke dir«, sagte Denise laut und andächtig.

      »Helmut Koster muss es erfahren. Und die Leute im Zirkus, die kein Telefon haben, müssen wir auch sofort verständigen«, rief Andrea spontan aus. »Komm, Hans-Joachim! Selbst wenn Helmut Koster schon schlafen sollte, was ich nicht glaube, werden wir ihm die gute Botschaft noch bringen.«

      Der Aufbruch, zu dem Andrea und Hans-Joachim sich vorher nicht hatten entschließen können, ging nun schnell vonstatten.

      »Helmut Koster wird zum Zirkus fahren. Wetten?«, sagte Nick. »Die lassen sich bestimmt gern von ihm wecken, wenn er ihnen mitteilen kann, dass Wanja nichts Schlimmes passiert ist.«

      *

      Helmut Koster schlief noch nicht. Er war damit beschäftigt, einen Brief an Gregor Ramoni aufzusetzen, in dem er seinem ehemaligen Chef nicht nur seine tatkräftige Hilfe anbieten wollte, sondern darüber hinaus seine gesammelten Ersparnisse. Das alles war schon schwierig genug für den Tierpfleger. Aber das Komplizierteste an diesem Brief war das Problem mit Natascha. Helmut Koster wollte alles von ihrer Entscheidung abhängig machen. Denn solange sie nicht einverstanden war, würde es für alle Beteiligten unmöglich sein, erfolgreich miteinander zu arbeiten. Helmut erwartete nicht, dass sie seine Mitarbeit wenigstens dulden werde, sobald sich Wanjas Schicksal geklärt hatte.

      Ach, der arme Helmut hatte schon einige Bogen vom Block abgerissen und zerknüllt in den Papierkorb geworfen, weil ihm das, was er geschrieben hatte, nicht gefallen hatte. Gewiss, er wollte helfen und mitarbeiten. Aber es sollte natürlich auch nicht so aussehen, als biete er ein Almosen an mit seinem Ersparten. Und schließlich lag ihm auch daran, den Eindruck zu vermeiden, er mache sein Angebot nur aus Schuldgefühlen heraus.

      Helmut hatte eben wieder einen missglückten Brief weggeworfen, als er den Wagen des Tierarztes zurückkommen hörte. Wenige Augenblicke später klopfte es an seiner Tür.

      »Wir sahen, dass Sie noch Licht haben, Helmut. Aber wir hätten Sie auch geweckt. Wanja ist gefunden worden. Er liegt in der Universitätsklinik von Heidelberg. Dorthin hat ihn ein hilfsbereiter Autofahrer gebracht. Passiert ist ihm nichts, nur unterkühlt war er, und stark erkältet hat er sich. Na, was sagen Sie nun?«, sprudelte Andrea hervor.

      »Wir wollten es Ihnen gleich mitteilen, Helmut«, fügte Hans-Joachim hinzu. »Da wir keine Möglichkeit haben, Herrn Ramoni zu benachrichtigen …«

      »Natürlich, ich fahre sofort hin, wenn Sie mir den Wagen noch ein drittes Mal zur Verfügung stellen wollen, Frau von Lehn. Das meinten Sie doch?«

      »Ja, Helmut, sofern Sie nicht zu erschöpft sind, nach all den Aufregungen.«

      Helmut Koster schüttelte den Kopf. »Ich bin ganz frisch und hellwach, Herr Dr. von Lehn. Es gibt nichts Schöneres für mich als diesen Auftrag. Ach, ich habe die ganze Zeit versucht, an Herrn Direktor Ramoni zu schreiben. Aber es fiel mir so schwer, alles in der richtigen Form auszudrücken. Nun kann ich ihn persönlich fragen, ob er meine Mithilfe im Zirkus annehmen will.«

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