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Maschinenraum. Walter Gröbchen
Читать онлайн.Название Maschinenraum
Год выпуска 0
isbn 9783903184657
Автор произведения Walter Gröbchen
Жанр Математика
Издательство Bookwire
DAS HOFFNUNGSVOLLE LEUCHTEN DES BILDSCHIRMS
Die wirksamste Abwehr von Covid-19: der eigene, hoffentlich gesunde Menschenverstand.
In diesen Tagen sind gute Nachrichten doppelt willkommen. Hier ist eine: Die Neuen Medien funktionieren als Live-Ticker, Informationsquelle und persönliches Nachrichten-Netzwerk im Fall einer unklaren Bedrohungslage durchaus. Jedenfalls besser als erwartet. Sie zeigen dabei die ganze Bandbreite der Reaktionen auf das Corona-Virus (offiziell: Covid-19) – von epidemischer Angst über sterile Sachlichkeit bis zu demonstrativer Gelassenheit. Letztere nicht selten verbunden mit einer gesunden Portion Ironie. »Ich habe weniger Angst vor dem Virus als davor, was passiert, wenn plötzlich alle zuhause bleiben und den ganzen Tag hier auf Twitter verbringen«, warf ein forscher Politikberater – der sich selbst »Agent Provocateur« nennt – in die Runde.
Tatsächlich ist das Szenario nicht ganz unvorstellbar. Wer nach China blickt oder, weit näher, Italien, für den sind Abriegelungen ganzer Wohnblocks, ja Städte und Provinzen, inzwischen das Denkmodell der Stunde. Trautes Heim, Glück allein (regelmäßiges Händewaschen nicht vergessen)! Österreichs Entscheidungsträgern wird dito nichts anderes einfallen, so entschlossen sie auch in die TV-Kameras blicken. Allein: Zurück bleibt der Eindruck, dass derlei das Virus nicht stoppt. Und es eine beunruhigende Kluft gibt zwischen der gebetsmühlenartig wiederholten Botschaft, Covid-19 sei »harmloser als eine Grippe« und medizinischem Fachpersonal, das in Schutzanzügen durch die Gegend stapft wie in einem Endzeit-Thriller.
Ein weiteres Twitter-Fundstück – ein Video des britischen Daily Telegraph – macht erst recht betroffen: Es zeigt den Gesundheitsminister des Iran, stark schwitzend, bei der Verkündung der offiziellen Botschaft, man hätte »alles im Griff«. Am nächsten Tag bekam der Mann sein persönliches medizinisches Testergebnis: positiv.
Zu Tode gefürchtet ist aber auch gestorben. Die Technik – und ihr Funktionieren – sind in solchen Situationen die Voraussetzung für eine systematische, erfolgversprechende Abwehrreaktion. Stephen Hawking, der britische Astrophysiker, warnte 2017 vor den größten Bedrohungen der Menschheit: Klimawandel, Atomkrieg, genetisch veränderte Viren, Künstliche Intelligenz. Aber grundsätzlicher Pessimismus war Hawking nicht eigen: »Nachdem wir die Nutzung des Feuers entdeckt hatten, haben wir uns ein paar Mal dumm angestellt. Und dann den Feuerlöscher erfunden.« Die größte Gefahr für sich selbst und diesen Planeten sei der Mensch. Aggression als Wesenszug der humanoiden Spezies. Einzig wirksames Gegenrezept: Empathie.
Es ist ein wohl kein Zufall, dass Medien alter und neuer Bauart dieses Aggressionspotenzial – das Angst (oft irrationaler Natur) als Nährboden hat – widerspiegeln, verstärken und potenzieren. Insofern erlaube ich mir, in diesen Tagen Selbstdisziplin anzuraten: Man überlege sich doppelt und dreifach, wie eine Botschaft auf Seite der Empfänger verstanden werden kann (inklusive aller denkbaren Missverständnisse), bevor man auf die »Send«-Taste drückt. Das gilt insbesondere für öffentliche Wortäußerungen. Damit kein Missverständnis entsteht: Alles, was uns zum Lachen bringt, ist ausdrücklich erwünscht.
ENTSCHEIDUNGSFRAGEN
Die Software-Wahl der Stunde ist keine Überlebensfrage. Oder doch?
Der Maschinenraum hält als Metapher Einzug in die Kommunikation der Krisenstäbe. So sprachen diese Woche sowohl Kanzler Kurz wie auch Vizekanzler Kogler davon, das sei der Raum, wo Entscheidungen getroffen würden. Das ist falsch. Wenn man sich schon nautischer Metaphorik bedienen will, dann wäre das die Kommandobrücke.
Im Maschinenraum tun subalterne, dreckverschmierte Gestalten Dienst, sie schaufeln Kohle, bedienen Stellräder und heizen den Kessel. Aber ja, ohne sie wäre auch die Brückenbesatzung mit Kapitänspatent verloren. An schiefen Bildern, unzulässigen Vergleichen und gewagten Gedanken mangelt es dieser Tage wahrlich nicht. Aber wir müssen lernen, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen, Wesentliches von Nebensächlichem, Realität von Fiktion. Und das rasch.
Die Entscheidung, ob man weiter auf restriktive (und zunehmend repressive) Maßnahmen gegen eine Pandemie setzt oder, in striktem Gegensatz dazu, rasch wieder die Wirtschaft ankurbelt, statt Desinfektionsmittel Optimismus versprüht und ein vergleichsweise normales Alltagsleben zulässt, ist gerade die Kernfrage. Ich stelle nur eine einzige Frage in den Raum: Kann eine Gesellschaft, in der auf Jahre hinaus biologisch begründetes Misstrauen herrschen wird, überhaupt zu so etwas wie Normalität zurückkehren? Man muss kein Tourismusmanager oder Oberarzt sein, um die Dringlichkeit dieser Frage zu spüren. Kühle Darwinisten würden antworten: Das Verrecken von Millionen Menschen hat uns bis dato auch nicht geschert, die Welt ist, wie sie ist, der Lebens-und Überlebenskampf bis hinein in die kleinsten Wirtschafts-, Kultur-und Privaträume ist unser Schicksal. Aber ich bin kein Darwinist. Und weiß mich als Mensch von einer Bestie zu unterscheiden. So hoffe ich zumindest, und, fatal banal, die Hoffnung stirbt zuletzt. Genug der Herumphilosophiererei im Homeoffice. Gut von Böse zu trennen, ist aber auch hierorts eine Frage, die sich ständig stellt.
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Zoom. Das ist eine kleine, in ihren Basisfunktionen gratis erhältliche Software, die Videokonferenzen im Web ermöglicht. Gut, das tun andere Programme auch – von Microsoft Teams bis Skype –, aber tatsächlich scheint es mir via Zoom simpler, unkomplexer und in puncto Audio- und Videoqualität besser zu funktionieren als mit den genannten Alternativen (eine brauchbare Netzbandbreite vorausgesetzt). »Die Coronakrise wirkt wie eine gigantische Werbekampagne für die Software«, konstatierte Der Spiegel. Und warnte zugleich, wie viele andere Medien dieser Tage, vor ihrem Gebrauch. Aus Datenschutz- und Sicherheitsgründen. Man kann beim geringsten Zweifel dazu die Details – nebst unzähligen mahnenden Stimmen – im Netz finden.
Bin ich, sind wir also einmal mehr Opfer eines Herdentriebs? Oder sollten wir jetzt nicht zu kleinlich oder gar latent panisch sein mit all unseren Bedenken? Zoom hält gerade meine kleine Firma am Laufen, das funkt. Aber ob ich in ein, zwei Jahren immer noch diesem Pragmatismus anhänge und meine Liebe überlebt, wird sich erst weisen.
HANDSHAKE MIT DEM GROSSEN BRUDER?
An einer potenziell hilfreichen App entzündet sich das Misstrauen der Staatsbürger. Ausgerechnet!
Extra noch mal nachgezählt: Ich habe aktuell 106 Apps auf meinem Smartphone installiert. Seit vorgestern eine mehr, aber dazu später. Von diesen Apps greift mehr als die Hälfte ungeniert auf mein Adressbuch oder meine Facebook-Freundesliste zu, schaltet nach Bedarf Kamera und Mikrofon ein, zeichnet meinen Standort auf, die Bewegungsdaten und den Browser-Verlauf. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie sich für mein Gewicht, den Pulsschlag und die Blutdruckwerte interessieren. Freilich kann man das Gros der Greifarme dieser Datenkraken ausschalten, aber die Werkseinstellung ist zunächst auf Neugier programmiert. Und nicht wenige Nutzer vergessen, den Auslieferungszustand nicht wörtlich zu nehmen und die entsprechenden Um- und Einstellungen vorzunehmen. Aus Bequemlichkeit, aus Schlendrian, aus Unwissen. Oder auch (oft gehört!), weil man »eh nichts zu verbergen« hat. Für Konzerne, deren Geschäftsmodell sich in Big-Data-Schürfrechten erschöpft, ein gefundenes Fressen. Dass generell kaum eine Applikation unseres digitalen Lebensstils den Implikationen der Datenschutzgrundverordnung genügt, ist Allgemeingut.
Umso erstaunter war ich, als in den letzten Tagen einer potenziell hilfreichen, ja lebensrettenden App besonderes Misstrauen und vorauseilender Hohn entgegenschlug. Sie wird vom Österreichischen Roten Kreuz angeboten, allein das sollte vertrauensstiftend sein. Die App, leger »Stopp Corona« benannt, ist dazu gedacht, den Verbreitungswegen des Virus auf die Schliche zu kommen. Und User zu warnen, wenn sie mit Menschen in Berührung waren, die später positiv getestet werden. Relativ unkompliziert, elegant und unbestechlich. Dass Nationalratspräsident Sobotka – ein Oberlehrer vor dem Herrn