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Holz gedeckt. In die breiten Fenster des untersten Stockwerks waren bunte Glasscheiben eingelassen. Die deutlich kleineren Fenster der oberen Etagen hingegen – dort lagen vermutlich die Gästezimmer – waren mit einfachen weißen Scheiben ausgestattet. Vor dem Gasthaus hatten die Bewohner einen Brunnen ausgehoben, der nicht nur für Trinkwasser sorgte, sondern, wie es in so großen Städten wie Miragon üblich war, auch als Löschwasserquelle für eventuelle Brände fungierte.

      „Also dann, solltet ihr euch wider Erwarten länger als einen Tag in Miragon aufhalten, habt ihr uns frühzeitig darüber zu informieren.“ Mit diesen Worten machte Thore auf dem Absatz kehrt und verschwand in Richtung Eingangstor.

      „Was für freundliche Wachleute die hier doch haben“, schüttelte Raja den Kopf. „Kommt, lasst uns die Felsschwingen dort an den Pfahl binden und reingehen, mal sehen, ob der Wirt mehr Anstand besitzt.“

      Obwohl es erst später Nachmittag war und die meisten Miraner um diese Zeit noch ihren alltäglichen Geschäften nachgingen, war das Wirtshaus bereits gut besucht. An der Theke, die zwei Drittel des hinteren Teils in Anspruch nahm, saßen grölende Männer, die sich mit erhobenen Bierkrügen zuprosteten. An den Tischen und Bänken, die in der Nähe des lodernden Kamins aufgebaut waren, saßen zahlreiche Gäste. Miraner, Handels- und Wandersleute aus den unterschiedlichsten Regionen Nibelars und sogar zwei Nordclam-Zwerge, die an ihren bodenlangen schwarzen Umhängen zu erkennen waren. Die Luft in der Schankstube war widerlich. Es roch nach einer Mischung aus Schweiß, Alkohol und Rauch.

      „Was kann ich für die Herrschaften tun?“, erhob sich eine kratzig klingende Stimme über das Gegröle. Eine junge Frau, etwa in Sarunas Alter, stand vor den Freunden. „Mein Name ist Lunora, ich bin die Tochter des Wirts.“ Sie lächelte höflich und strich sich eine aschblonde Haarsträhne aus dem Gesicht. Die Frau sah vollkommen erschöpft aus. Dunkle Ringe lagen unter ihren Augen, die Wangen wirkten eingefallen und das zum Knoten gebundene Haar matt vor Schmutz. Sie trug ein einfaches Leinenkleid, unter welchem ihre hagere Statur zu erkennen war.

      „Wir würden heute gern bei Euch nächtigen und bräuchten vier Zimmer“, erklärte Raja.

      „Ach herrje“, jammerte Lunora. „Da muss ich erst nachsehen, ob wir noch genügend Platz haben. Wenn Ihr einen Augenblick warten würdet.“ Sie wies auf einen freien Tisch. „Bitte setzt Euch doch so lange. Ich komme gleich wieder.“ Schon schritt die Miranerin davon und verschwand durch eine Schwingtür hinter dem Tresen.

      Raja, die den Geruch von Tabak verabscheute, sah sich mit gerümpfter Nase um. Überall an den Tischen zogen blaugraue Rauchkringel auf. Der Bereich um den Kamin wurde von einigen pausenlos an ihren Pfeifen nuckelnden Männern derart verseucht, dass die brennenden Holzscheite nur mehr wie durch Nebel zu erkennen waren. Kopfschüttelnd sah sich die Zwergin weiter um. Nein, die Feuerelfen waren noch nicht da. Raja bemerkte, dass ihre Begleiter ihrerseits nach den Brüdern Ausschau hielten. „Sie sind noch nicht da“, erklärte sie schlicht.

      „Es sei denn“, fügte Saruna hoffnungsvoll hinzu, „sie sind schon auf ihren Zimmern.“

      „Das könnte allerdings sein. Ah, da kommt die Tochter des Wirts zurück, sie wird wissen, ob die beiden schon hier sind“

      „Ihr habt Glück“, erklärte Lunora. „Es sind gerade noch vier Zimmer frei.“

      „Sehr schön“, erwiderte Raja mit einem gewinnenden Lächeln auf den Lippen. „Ach, was ich noch fragen wollte, befinden sich unter Euren Gästen auch zwei Feuerelfen?“ Die Zwergin gab sich große Mühe, ihre Frage so beiläufig wie möglich klingen zu lassen.

      „Feuerelfen? Nein, Gäste ihres Volkes hatten wir schon seit Jahren keine mehr. Aber warum fragt Ihr?“

      „Nun, wir sind hier mit ihnen verabredet. Seid also bitte so gut und informiert uns umgehend, sowie sie eintreffen.“

      Lunoras erschöpfte Augen blitzten voller Neugier auf. „Natürlich. Wenn ich fragen darf, wie lange gedenken die Herrschaften zu bleiben?“

      „Ein paar Tage.“ Rajas Begleiter legten verwirrt die Stirn in Falten, sagten aber nichts.

      „Und Eure Freunde, die Feuerelfen, werden sie auch mehrere Tage bleiben?“

      „Höchstwahrscheinlich.“

      Nun mischte sich Gweldon in das Gespräch. „Sind die Zimmer für uns schon vorbereitet?“

      Die Wirtstochter schüttelte den Kopf. „Noch nicht, aber in ein paar Minuten.“

      „Wenn Ihr so nett wärt und uns so rasch wie möglich die Räumlichkeiten zuweisen würdet? Ich habe noch einiges zu erledigen.“

      „Selbstverständlich. Kann ich denn sonst noch was für die Herrschaften tun?“

      „Das wäre so weit alles.“

      „Gut, dann bereite ich sogleich die Zimmer für Euch vor. In der Zwischenzeit wird sich Mera um Euer leibliches Wohl kümmern.“ Sie winkte eine beleibte Frau mit schmutziger Schürze und hochgebundenem grauem Haar zu sich. „Solltet Ihr sonst noch etwas brauchen, lasst es mich wissen.“

      „Das werden wir, habt Dank.“

      Während Lunora sich an ihre Arbeit machte, kam Mera an den Tisch der Freunde und nahm ihre Bestellungen auf. Als die Magd schließlich in Richtung Küche verschwand, wandten sich Saruna und Gweldon beinahe gleichzeitig an Raja.

      „Was sollte das eben? Weder wir noch Azarol oder Zemeas haben vor, länger als eine Nacht hierzubleiben.“

      „Gweldon hat recht. Ich verstehe nicht, warum du das gesagt hast.“

      Anstelle der Zwergin antwortete Taluas, auf dessen Gesicht ein wissender Ausdruck lag. „Das ist doch ganz einfach“, erklärte er, „wir wissen nicht, wer oder was sich alles in Miragon herumtreibt. Gut möglich, dass es so manch einen interessieren könnte, wie lange wir hierbleiben. Es kann also nicht schaden, ein paar Gerüchte, gerade über die Dauer unseres Aufenthalts, in die Welt zu setzen.“

      Saruna nickte. „Verstehe. Und was machen wir jetzt? Soweit ich weiß, muss Gweldon noch auf den Markt und du, Raja, zur Prinzessin. Jemand sollte aber hierbleiben und auf die Brüder warten.“

      „Alles zu seiner Zeit. Als Erstes muss ich jetzt mal was essen. Ich habe seit heute Vormittag nichts mehr zu mir genommen und mein Magen knurrt schon wie ein Rudel hungriger Wölfe“, jammerte die Zwergin.

      „Dem kann ich nur zu stimmen.“ Taluas legte sich bedächtig die prankenhafte Hand auf den Bauch. „Ah, sehr schön, da kommt schon Mera.“

      Beladen mit je zwei großen Steinkrügen und Bechern trat die Magd zu ihnen an den Tisch. „So, hier hätten wir zwei Braunhopfenbiere.“ Sie stellte die Krüge vor Taluas und Raja ab. „Und dann hätten wir noch einen kalten Goldblatttee für Euch.“ Mera reichte Gweldon einen dampfenden Becher. „Und für die junge Dame einen Glasblütensaft, hier bitte. Darf ich Euch sonst noch etwas bringen?“

      Auf diese Frage hatten die beiden Zwerge nur gewartet. Freudig gaben sie eine große Bestellung über geräucherten Käse, Hirschwürste, Speck und das in Miragon bekannte Tränenbrot auf. Tränenbrot daher, weil die handgroßen Backwaren sowohl die Form als auch den leicht salzigen Geschmack von Tränen hatten. Mera hatte sich gerade Taluas’ und Rajas Wünsche notiert, als die Wirtstochter von hinten an sie herantrat, ihr die Hand auf die Schulter legte und sie innehalten ließ.

      „Eure Zimmer wären nun fertig“, verkündete sie.

      „Wunderbar, wenn Ihr uns die Räumlichkeiten dann bitte zeigen würdet?“ Gweldon nahm seinen Rucksack und erhob sich.

      „Aber willst du denn nicht erst noch was essen?“ Raja blickte den Alchemisten verständnislos an.

      „Später, ich habe noch viel zu erledigen. Saruna“, er wandte sich an seine Schwester, „was ist mit dir? Begleitest du mich jetzt oder bleibst du hier?“

      „Ich weiß nicht, jemand sollte doch auf die Brüder

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