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Die Feuerwehrfrau, ihre Ärztin, deren Mutter und das ganze Dorf. Lo Jakob
Читать онлайн.Название Die Feuerwehrfrau, ihre Ärztin, deren Mutter und das ganze Dorf
Год выпуска 0
isbn 9783956093203
Автор произведения Lo Jakob
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Aber falls nicht? Willa wagte kaum weiterzudenken, was das bedeuten könnte. Es gab so viele Was-wäre-Wenns. Was wäre, wenn Maxi Gnädig ihre Traumfrau wäre? Was wäre, wenn das umgekehrt nicht der Fall wäre? Was wäre, wenn sie sich komplett blamieren würde? Was wäre, wenn die Feuerwehrfrau sich noch nicht einmal an sie erinnern könnte? Was-wäre-wenn, was-wäre-wenn. Aber sie musste es trotzdem versuchen.
»Ach, noch eine kuriose Begebenheit«, sagte sie wie nebenbei, als ob es nicht um Informationen ginge, die vielleicht ihr ganzes weiteres Leben beeinflussen könnten.
»Ja?«, kam die begierige Aufforderung weiterzureden. Schwiegersohn in spe und Kaffee und alles sofort vergessen. Auf die Tratschsucht ihrer Mutter war einfach immer Verlass.
»Gestern Nacht muss es in Weiler einen Einsatz der Feuerwehr gegeben haben. Waren da irgendwo Pferde ausgebrochen?« Das klang hoffentlich sehr unverfänglich. Sie umschiffte Maxi Gnädig vollständig. Denn wenn eines klar war, ihre Mutter war wie ein Fuchs auf der Fährte einer Feldmaus, wenn es darum ging, Dinge zu erschnüffeln, die nicht für sie bestimmt waren. Willa musste also mit äußerster Vorsicht vorgehen.
»Das war Claudias kleine Herde. Die haben mal wieder den Elektrozaun niedergetrampelt. Dieter sollte es einfach lassen, seinen Vorgarten so liebevoll zu bepflanzen. Diese Frau ist einfach nicht dazu in der Lage, Pferde zu halten. Das ist doch ein Skandal.« Während sie sprach, wischte ihre Mutter mit einem aus ihrer Schürze hervorgeholten Tuch über den makellos sauberen kleinen Tisch im Eingangsbereich.
Willa zuckte die Schultern über die Aburteilung. »Das kommt eben manchmal vor.«
Gertruds Kopf schnellte hoch. »Das darf es aber nicht. Dann müssen die Viecher eben immer im Stall bleiben.«
Ihre Mutter mochte grundsätzlich keine Tiere. Das betraf nicht nur Pferde, sondern auch Hunde und Katzen. Kaninchen oder Meerschweinchen. Sie mochte nur Rinder. Und das nur als Wiener Schnitzel auf ihrem Teller.
Auch das ignorierte Willa aus strategischen Gründen. »Es wurde jemand dabei verletzt.« Ihr war klar, dass sie damit nur Öl ins Feuer goss, weil ihre Mutter die Pferdehalterin offensichtlich bereits auf dem Kieker hatte, aber Willa musste ja schließlich irgendwie aufs eigentliche Thema kommen.
»Mit Blaulicht sind die mitten in der Nacht durchs Dorf gefahren mit ihrem Krankenwagen. Stell dir das mal vor. Diese Unverschämtheit.« Das Tuch wurde unsanft zurückgestopft und bekam den ganzen Unmut ihrer Mutter zu spüren.
Willa unterdrückte auch hier wieder die Worte, die unmittelbar aus ihr heraussprudeln wollten und die sehr viel aggressiver ausgefallen wären. Sie schaffte eine sachliche Antwort. »Das ist ja wohl verkraftbar, wenn es um eine lebensbedrohliche Verletzung geht.«
Ihre Mutter winkte ab. »Ach was, lebensbedrohlich.« Sie verschwand beim Reden in die Küche und sprach über ihre Schulter hinweg weiter. »Die ist doch schon wieder zu Hause. Woher weißt du das alles? Und wieso interessiert dich das?«
Willa folgte ihr und sagte zu ihrem Rücken: »Weil ich in meiner letzten Schicht das Vergnügen hatte, die Feuerwehrfrau zu behandeln und das schon ein immenser Zufall war.«
Ihre Mutter drehte sich unvermittelt um und sah sie plötzlich sehr misstrauisch an. Das war wohl schon zu viel gewesen. Willa wurde schlagartig klar, dass Maxi Gnädig in Weiler mit Sicherheit so bekannt war wie ein bunter Hund. Wenn ihr Gaydar sie nicht komplett in die Irre geführt hatte, war das natürlich eines der Gesprächsthemen für den Dorfklatsch. Das Geschwätz fand vermutlich kein Ende. Eine Lesbe bei der örtlichen Feuerwehr.
Die jetzt auch noch von der zweiten Lesbe mit großem Tratschfaktor behandelt wurde. Der neuen Hausärztin des Dorfes.
Wie hatte sie nur so doof sein können zu denken, dass ihre Mutter nicht sofort Lunte wittern würde? Ihr Blick allein sagte alles: Misstrauen, Ablehnung, Widerwillen. Ihre Mutter war einfach so vorhersehbar in ihrer Homophobie.
»Halt dich bloß von der fern. Das ist eine ganz furchtbare Person.«
Dieses Mal gelang es Willa nicht, ihre Reaktion hinunterzuschlucken, und sie fiel sehr sarkastisch aus. »Wie kann denn das sein, wenn sie in der Feuerwehr ist?« Sie wusste, welch große Stücke ihre Mutter auf die Weilerer Feuerwehr hielt. Hätte Willa sich nach einem Mann aus der Freiwilligen erkundigt, Gertrud Schneck hätte Freudentänze aufgeführt.
»Da gehen die Frauen nur so ein und aus. Und arbeiten tut sie auch nichts. Ein ganzes Lotterleben führt diese Person. Eine Schande fürs Dorf.«
Wie Willa diese Aussage hasste. Eine Schande. Alles, was nicht in Gertrud Schnecks Weltbild passte, war eine Schande. Viel zu oft hatte dieser Ausdruck auch auf sie schon Anwendung gefunden.
»Wer sagt das?«, fragte Willa, obwohl sie die Antwort bereits wusste. Ihre Mutter sagte das. Ihre Mutter verurteilte Maxi Gnädig gnadenlos. »Eigentlich hatte ich einen soliden Eindruck.« Die pure Provokation. Mehr brauchte es nicht als die paar Worte.
Gertrud verzog das Gesicht zu einer angewiderten Grimasse. »Solide? Wie kann denn so eine solide sein!«
Und genau in diesem Moment bereute Willa ihre Entscheidung, die neue Dorfärztin zu werden, aufs Tiefste. Denn sie war ja auch so eine. Nur dass ihre Mutter das nie akzeptieren würde.
6
Maxi schaffte es nicht einmal unter Aufbietung ihres ganzen Willens, sich aufzusetzen. Nicht einmal so langsam wie eine Schnecke und in Zeitlupe. Sie hatte das Gefühl, dass ein Felsbrocken auf ihrer Brust lag und ihr die Luft abschnürte.
So langsam machte sich eine leichte Panik in ihr breit und sie bereute ihre Entscheidung, die Schmerztablette abgelehnt zu haben, die Elli ihr in der Frühe hatte geben wollen. Sie hatte es zwar gestern Nacht selbst mit Ellis Hilfe kaum geschafft, sich auszuziehen, aber die letzten Stunden hatte sie sich gut gefühlt. Der Schmerz war erträglich gewesen. Kein Vergleich zu jetzt. Dazu kam, dass sie wirklich äußerst dringend pinkeln musste.
»Elli«, sagte sie so laut es ging, aber es kam nur ein heiseres Krächzen heraus, das ihre Schwester vermutlich gar nicht erreichen würde, denn wahrscheinlich war sie eine Etage tiefer.
Im Türrahmen tauchte aber tatsächlich eine Gestalt auf. Allerdings nicht ihre Schwester, sondern ihre Mutter. »Schmerztablette?«, fragte sie, als ob es eh klar wäre und sie auf nichts anderes gewartet hätte, als dass ihr ältestes Kind endlich zur Vernunft kam.
Aus lauter Bockigkeit wollte Maxi fast schon ablehnen, der Schmerz war aber zu groß für solch dumme Spielchen. »Zuerst eigentlich Klo, aber ich glaube, das schaff ich nicht ohne«, gab sie also zu, und ihr schmerzverzerrter Gesichtsausdruck musste wohl sämtliche Mutterinstinkte angesprochen haben, denn im Nu hatte sie eine Tablette vor dem Mund und ein Glas Wasser mit Strohhalm in der Hand.
»Kriegst du die so runter?«
Maxi grummelte bejahend und schluckte das Ding kurzerhand. Elli hatte sie gestern Nacht so hoch aufgebettet, dass sie zuversichtlich war, den riesigen Klumpen Schmerztablette ihre Speiseröhre hinunterquetschen zu können, ohne daran zu ersticken.
Ihre Mutter blieb auf der Bettkante sitzen, und gemeinsam warteten sie endlose Minuten. Maxi konnte gar nicht sagen, wie dankbar sie um die Gesellschaft war. Ihre Mutter konnte ebenso wie sie im richtigen Moment schweigen. Das war wunderbar. Sie hielt nur Maxis Hand und schaute sie immer wieder aufmunternd an.
Wer sie nicht kannte, machte immer wieder erstaunte Bemerkungen über ihre Ähnlichkeit. Bei ihrer Mutter überwog zwar so langsam das Grau in den dunklen Locken, und sie war insgesamt eine rundlichere, weichere Version, aber man konnte es nicht leugnen – sie sahen sich verdammt ähnlich. Außerdem hatte Ingrid Maxi mit sechzehn bekommen, der Altersunterschied war wirklich eher wie bei Geschwistern. Ingrid sah sogar mehr aus wie ihre Schwester als Elli. Die kam nach ihrem verstorbenen Vater. Ihr