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Verspätung ins Festspielhaus. Die Verschiebung des Beginns um eine Stunde wurde vom Intendanten Jürgen Flimm persönlich mit einem »technischen Gebrechen« begründet. Die Panne wurde Stadtgespräch, der Schuldige allerdings blieb ungeoutet.

      Wenige Tage nach dem Vorfall benützte die Oboistengattin ein Salzburger Taxi. Der Chauffeur gab sich kundig: »Wissen S’, warum die Lulu-Generalprob’ verschoben worden is’? Der Dirigent hat verschlafen!«

      Franz Patay, mittlerweile Rektor der Konservatorium Wien Privatuniversität (was uns nicht berechtigt, ihn als »Privatrektor« anzusprechen), ist Sohn eines Philharmonikers. Der Vater nahm den kleinen Franz mehrmals zum Dienst in die Staatsoper mit. Der Knabe sah die unterirdischen Garderoben und den versenkten Orchestergraben und meinte, »Oper« sei eine Art U-Boot. Erst als er einmal in der Mittelloge für eine Ballettaufführung Platz nehmen durfte, weitete sich sein Begriff von dieser Kunstform zum Guten.

      Jahre später schnupperte der Student Patay auch Bühnenluft als Staatsopern-Statist. Vorstellung für Vorstellung marschierte er zum Beispiel im Schlussbild von Carmen als stolzer Spanier in der hinteren Reihe ein. Als er den Kollegen aus der ersten Reihe fragte, ob man nicht einmal Platz tauschen könnte, winkte dieser kategorisch ab:

      – Das geht nicht.

      – Warum nicht?

      – Ich bin Premierenbesetzung.

      Bisweilen passiert es, dass man Anekdoten witzig, aber falsch erzählt. So geschah es mir in Schwan drüber, wo sich folgende Zeilen finden:

      Der ehemalige ORF-Archivchef und Opernfreunde-Präsident Peter Dusek empfing Luciano Pavarotti in Salzburg zu einem Künstlergespräch. Er öffnete dem Tenorissimo die Wagentüre, und während sich der beleibte Italiener mühsam aus dem Auto kämpfte, verwies der ebenfalls nicht magere Dusek auf die Außentemperaturen: »Hot, what?«

      In Wahrheit spielte sich diese Geschichte, wie mir mitgeteilt wurde, anders ab. Luciano Pavarotti hatte in Salzburg einen Liederabend bei Rekord-Außentemperaturen absolviert.

      Im Anschluss daran fragte er Peter Dusek: »How was it?«

      Und dieser replizierte: »Hot was!«

      Auch nicht schlecht.

      Aufmerksamer Korrektor in dieser Sache war mein Freund Franz-Leo Popp, dessen Lob ich im ersten Schwan gesungen habe.

      Zum runden Geburtstag des fanatischen und international bewunderten Autogrammsammlers Erich Wirl holte Leo selbst zur Laudatio aus. Wirls Hobby, von Künstlern stets drei bis vier Porträts signieren zu lassen – und das durch Jahrzehnte –, hatte ihn zum Herrscher über eines der größten privaten Fotoarchive der Welt werden lassen. Leo weckte in seiner Rede Mitleid mit den Sängerinnen und Sängern: Ein Tenor mit Doppelnamen, dessen Wirl vor der Vorstellung in der Arena di Verona habhaft wurde, hätte angeblich seine Auftrittsarie versäumt, weil er zu so vielen Unterschriften genötigt worden war.

      Und auch die junge Maria Meneghini-Callas bereute der Legende nach ihren Doppelnamen, nachdem sie von Erich Wirl in die Pflicht genommen worden war: »Hast g’hört? Die Callas hat sich scheiden lassen. Wegen dem Wirl!«

      Villazóniana

      Man kann ja selbst am wenigsten beurteilen, wem man ähnlich sieht. Mir wurde jahrelang eine Ähnlichkeit mit Rolando Villazón und mit Rowan Atkinson (dem Darsteller des Mr. Bean) unterstellt, was mich immer ehrte und freute.

      In der New Yorker Buchhandlung Barnes & Noble zeigte sich ein Verkäufer vor Jahren richtig enttäuscht, als ich ihm meine Kreditkarte mit dem nichtssagenden Namen vorlegte; er wäre überzeugt gewesen, in der Kassen-Schlange hätte sich der britische Komiker langsam auf ihn zubewegt.

      Den Vogel schoss Dieter Chmelar nach der Präsentation von Schwan drüber ab. Er titelte: »Wagner-Trenkwitz: Wo blieben seine Drillinge?« Unter Villazóns Konterfei schrieb er: »Kam nicht.« Unter jenes von Mr. Bean: »Sagte ab.« Und unter das meine: »Erschien allein.«

      Dass Rolando Villazón einer der witzigsten Zeitgenossen überhaupt (nicht nur in Operngefilden) ist, muss hier nicht bewiesen werden. So sehr man über seine Geschichten lachen kann, wenn er sie persönlich vorträgt, so blass wirken sie, wenn sie auf plattes Papier geworfen werden. Versuchen wir es trotzdem.

      In seiner Debütinszenierung von Massenets Werther beschäftigte Villazón zwei Clowns – er hat das Handwerk des philosophischen, ernsthaften Spaßmachers (oder handelt es sich um spaßhafte Ernstmacher?) ja selbst erlernt. Eine Dame und ein Herr begleiteten und kommentierten also die Leiden des jungen Dichters und hatten auch selbst eine minimale Gesangsaufgabe: »Vivat Klopstock, Klopstock vivat« war von ihnen zu intonieren.

      Als es bei der Generalprobe zu der Stelle kam, hatte niemand mit der panischen Nervosität der beiden üblicherweise schweigsamen Professionisten gerechnet. Der eine, vor Aufregung vollkommen stimmlos, krächzte sein »Vivat Klopstock« wie ein hysterischer Rabe, während die andere in ihrer Not eine Oktave höher einsetzte und die Anwesenden mit einem schrillen Quietschen verstörte. Bei der Premiere ging dann aber alles glatt …

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      So groß ist die Ähnlichkeit mit Rolando nun auch wieder nicht. Aber Dieter Chmelars Glosse hat mich trotzdem gefreut.

      Rolando, der gut ein halbes Dutzend Sprachen spricht, fühlt sich in der Muttersprache natürlich am wohlsten. Den Grund gab er so an: »Im Spanischen haben wir nur A, E, I, O, U. Aber diese Ä, Ü und Ö im Deutschen! Und erst das Französische: on, en …«

      Als der Tenor mit seinem französischen Sprachcoach Werthers Arie Pourquoi me réveiller einstudierte, entspann sich folgender absurder Dialog:

Villazón: Pourquoi me …
Coach: Das mö ist zu hell.
Villazón: Pourquoi me …
Coach: Noch ein bisschen dunkler, weniger offen: mö.
Villazón Mö.
Coach: Nein: mö.
Villazón: Mö.
Coach: Jetzt war es zu dunkel: mö.
Villazón: Mö.
Coach: Genau so! Mö!
Villazón: Mö.
Coach: Nein, das war wieder zu offen …

      … etc. etc. Verzweifeltes Fazit des Stars: »Ich habe überhaupt keinen Unterschied gehört! Wir haben eine Viertelstunde nur

      mö, mö, mö gesagt … Wie die Schafe!«

      Eine Geschichte, die Rolando Villazóns humoristisches Temperament belegt, weiß meine Schwester Daniela, Mitglied des Staatsopern-Chors zu berichten. Willy Decker probte bei den Salzburger Festspielen 2005 La traviata mit der Netrebko und Villazón – und er probte vorzugsweise pausenlos.

      Bei einer dieser Marathonveranstaltungen schnappte sich der Tenor ungesehen ein Mikrofon und sprach mit sonorer Stimme »Willy, hier spricht Gott. Mach eine Pause, ich muss Pipi!«

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      Villazón widmete mir, weil er schon dabei war, sein Bild in meinem ersten Schwan.

      Und wenn ich schon beim Bestehlen des Schwesterherzens bin, hier

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