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habe das (von Michael Lewin so benannte) Amt des »Beschwichtigungshofrates« an der Wiener Staatsoper selbst einige Jahre bekleidet, aber so eine Katastrophen-Kollektion, wie sie Bundesminister Heinrich Drimmel vor der Festaufführung des Don Giovanni mitten in der Ära Karajan, am 28. Februar 1959, zum Besten gab, dürfte Einmaligkeits- und Ewigkeitswert besitzen:

      Die Direktion der Wiener Staatsoper hat mich gebeten, Ihnen Folgendes mitzuteilen:

      Durch die in Wien grassierende Grippe waren folgende Dispositionen notwendig geworden, um die Vorstellung überhaupt durchführen zu können.

      1.) Herr Kammersänger Dermota singt, obwohl er an Grippe erkrankt ist, die Partie des Don Ottavio. Die zweite Arie entfällt aus diesem Grunde.

      2.) Die Donna Anna wird von Claire Watson erstmalig in Wien gesungen. Durch anderweitige Verpflichtungen der Dame konnte sie erst diesen Nachmittag in Wien eintreffen. Sie lässt sich entschuldigen, wenn sich musikalische oder szenische Unstimmigkeiten ergeben sollten.

      3.) Durch die Absage von Frau Traute Richter war die Direktion gezwungen, Frau Montserrat Caballé aus Basel an die Staatsoper zu berufen. Sie kam mit der Swissair um 17 Uhr in Wien an. Weiteres siehe unter 2.) Sollte sie die zweite Arie nicht singen, da schon die erste schlecht war, bittet sie um Entschuldigung.

      4.) Herr Kammersänger Greindl lässt sich entschuldigen, da er, nach sechs Vorstellungen total ermüdet, erst um 15 Uhr mit dem Flugzeug aus Berlin kommend, in Wien eintraf.

      5.) Frau Kammersängerin Lipp, die ebenfalls an Grippe erkrankt ist, singt aus kollegialen Gründen zwar die Partie der Zerlina, aber nur mit halber Stimme.

      6.) Als gesund gelten in dieser Vorstellung Herr Waechter, Kammersänger Kunz und Dr. Pantscheff, die ihr Bestes tun werden, um der Vorstellung ein künstlerisches Restgesicht zu bewahren.

      7.) Sollten sich musikalische und szenische Unklarheiten ergeben, so ist weder [dem Dirigenten] Herrn Hollreiser noch [dem szenischen Leiter] Herrn Witt eine Schuld anzulasten.

      Zum Drüberstreuen noch ein Gustostückerl aus dem Hamburger Abendblatt vom 23. August 1996: »Und der Himmel hängt voller Geigen! Zumindest für Friederike Krum«, denn die »schöne Blonde mit den grünen Augen« durfte anlässlich der Hamburger Opernwoche dem Weltstar Plácido Domingo vorsingen. Nach Cherubinos Arie verlangte der Maestro etwas mit »mehr Höhe«, und wirklich: »Friederike trug die Tosca-Arie Wie sie dachte vor.«

      Schwermütiges Postskriptum

      Es heißt ja, dass die Kunst im Allgemeinen und die Musik im Besonderen die Menschen versöhnt und aus ihnen Brüder und Schwestern mache. Die Zuschrift eines ehemaligen Volksopern-Besuchers vom November 2014, die ich zur Beantwortung erhielt, ließ mich daran zweifeln.

      Herr Lawrence F. schrieb aus Übersee, und ich belasse den Text im englischen Original, ohne ein Übersetzungsprogramm zu bemühen:

      During the summer of 1969 I was in Vienna with my then partner, an American girl. We were both students then. I think it relevant to say that we were both studying at the Hebrew University of Jerusalem (doing a year overseas sort of thing) though I was and am a British citizen as she was and is American.

      We were not rich students and we bought some tickets for your Volksopera. We were in Vienna for about a week and on the night of the performance we turned up. Our tickets were not honoured. We were thrown out. I could see a couple about 20 metres behind your opera management watching carefully.

      We were told by your management that you refused us admission and our tickets were removed from our hands. The important couple behind your management got our tickets. There was much gesticulation by the »manager«. His hands were flying out all over the place. How such as we could not come into his august institution. His English was not good, it was a mixture of English and German. But the message was clear.

      I was only 18, maybe 19 and did not have the confidence and experience I have now. I think I gave up the tickets too easily. Anyway I just wanted to send you my hatred. Hatred from the bottom of my heart for what you did to us. It meant nothing to us then. But with the experience of years, it means a lot now. Fear not; I will never buy another ticket.

      Nun, im Jahr 1969 war ich zarte sieben Jahre alt, arbeitete also noch nicht an der Volksoper. Kein Mensch wird je rekonstruieren können, warum der arme Herr F. auf so unsanfte Weise seine Karten einbüßte – und ob sich die Geschichte überhaupt an der Volksoper zugetragen hat, die im Sommer ja bekanntlich geschlossen hat. Ich konnte dem nach 45 Jahren noch Hasserfüllten nur empfehlen, den Weg der Vergebung einzuschlagen.

      Und die Bitte um Vergebung richte ich bei dieser Gelegenheit auch gleich an meine Leserschaft, sollte das bisher Konsumierte Ihnen so gar nicht zusagen. Geben Sie mir eine neue Chance mit dem nächsten Kapitel!

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