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Erzherzogin Sophie. Anna Ehrlich
Читать онлайн.Название Erzherzogin Sophie
Год выпуска 0
isbn 9783903083103
Автор произведения Anna Ehrlich
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Sophies Lehrer Friedrich Wilhelm Thiersch
Die Religion
Sophie wurde wie ihre Geschwister sorgfältig im römisch-katholischen Glauben erzogen, aber auch zur Toleranz des evangelischen Glaubens. Dies lag nicht nur an der Konfession ihrer Mutter: Bayern hatte durch die Auflösung des Heiligen Römischen Reiches 1806 einige protestantische Gebiete dazugewonnen. Zum Zeitpunkt des Todes von Kurfürst Karl Theodor soll es in München erst drei Protestanten gegeben haben, die ihren Glauben nach außen hin aber nicht zeigen durften. Bereits wenige Wochen nach dem Einzug von Max und Karoline in München hatte sich das geändert, rund 150 Menschen kamen zum ersten evangelischen Gottesdienst seit der Reformation nach Schloss Nymphenburg. Jedermann konnte sich offen zu seiner Religion bekennen. Die unterschiedlichen Religionsbekenntnisse der Eltern verursachten bei den Kindern keine Glaubenskonflikte, wofür die Königin sorgte. Sie nahm selbst immer wieder an katholischen Hofgottesdiensten teil und fühlte sich vom katholischen Gottesdienst oft mehr angezogen als vom protestantischen, da Ersterer »dem Herzen und Gemüt mehr Nahrung gäbe als der nüchterne Verstand«11. Sophies Schwester Ludovika berichtete: »In unserer Jugend waren wir angeprotestantelt.«12 Doch dürfte die Religion ihrer Mutter auf Sophie wenig Einfluss gehabt haben, galt sie doch zeitlebens als besonders fromme Katholikin.
Heiratspläne und Verlobung
Was Sophie nicht ahnen konnte: Ihre Eltern fassten schon während des Wiener Kongresses für sie und eine ihrer Schwestern eine Einheirat in das österreichische Kaiserhaus ins Auge. Sophie verfügte über einen scharfen Verstand und galt als die Intelligenteste der Mädchen. Sie war willensstark, politisch interessiert, gebildet und ehrgeizig, was sie für eine bedeutende Stellung empfahl. Also sollte sie den österreichischen Thronfolger Ferdinand (1793–1875) und eine ihrer Schwestern dessen jüngeren Bruder Erzherzog Franz Karl (1802–1878) heiraten. Doch Karoline war von Ferdinand entsetzt, sowohl von seinem Äußeren als auch von seinem vermeintlich schwachen Verstand. Sie schrieb ihrer Mutter Amalia: »Ich glaube, die anfängliche Kälte der Kaiserin [Maria Ludovika] rührte daher, dass, wie man behauptete, der Kaiser für seinen Sohn eine meiner Töchter im Auge hat. Wahrscheinlich glauben sie, ich würde die Sache mit Begeisterung aufgreifen, und nun sieht sie das Gegenteil. Sie weiß, dass ich meine Tochter nie zwingen werde, und wenn sich dieser unglückliche, kleine Prinz nicht besser entwickelt, könnte ich eine derartige Verantwortung nie auf mein Gewissen nehmen.«13 Trotz der politischen Vorteile einer solchen Heirat dachte sie nicht daran, Sophie oder eine andere Tochter unglücklich zu machen.
Bei einem von Ferdinands Besuchen in München 1819 bezeichnete ihn Sophies Schwester Auguste in ihrem Tagebuch als »Tölpel« und schrieb, dass »er wie eine Missgeburt aussieht und nicht einmal imstand ist, zu heiraten, obwohl er schon sechsundzwanzig Jahre alt ist«14 und ferner, »dass Ferdinand bei einer Vorstellung im Theater die ganze Vorstellung hindurch schlief, und als er erwachte, il lâcha une bordée de vent, zum Erstaunen aller«15. Dass ein österreichischer Erzherzog seinen Flatulenzen im Theater freien Lauf ließ, kam natürlich bei der feinen Gesellschaft nicht gerade gut an. Keine der in Betracht gezogenen Prinzessinnen wollte diesen Mann heiraten, und so wurden die österreichischen Heiratspläne vorerst auf Eis gelegt.
1823 wurden sie wieder aktuell, vermutlich auf Betreiben von Kaiserin Karoline Auguste, Sophies Stiefschwester. Diesmal fasste man Ferdinands jüngeren Bruder Franz Karl als Bräutigam für Sophie ins Auge. Es mag auf den ersten Blick verwundern, dass das bayerische Königspaar ausgerechnet seine vielversprechendste Tochter mit dem zweitgeborenen Sohn des österreichischen Kaisers verheiraten wollte. Da Ferdinand aber als nicht regierungsfähig galt, konnte man durchaus hoffen, dass Franz Karl der nächste Kaiser sein würde. Die Grundlage für diese Annahme lieferte ein Gutachten, das der kaiserliche Leibarzt Andreas Joseph Stifft (1760–1836) eigens wegen der Heiratspläne zwischen den Häusern Habsburg und Wittelsbach verfasste: Darin stellte er fest, dass Ferdinand »apoplektisch« sei, also zu Schlaganfällen neigte, und seine Lebenserwartung daher eher gering sein würde. Außerdem meinte Stifft, dass »der Erzherzog vielleicht nicht impotent, aber so beschaffen ist, dass eine Ehe für ihn tödlich sein könnte«16. Erzherzog Franz Karl, der seinem Bruder Ferdinand innig verbunden war, vertraute dem Urteil des Leibarztes nicht. Wie Ferdinands langjähriger Kammervorsteher August Franz Marcel Ségur-Cabanac (1771–1847) meinte, war Stifft »ein Mann, dessen Glaubwürdigkeit sehr anzuzweifeln ist und der sich unter schamloser Ausnützung seiner Stellung Vorteile zu verschaffen suchte«. Trotz dieser Zweifel standen die Chancen für Sophie, an Franz Karls Seite österreichische Kaiserin zu werden, sehr gut.
Im Mai 1824 reiste Franz Karl mit Staatskanzler Metternich nach Tegernsee, um Sophie kennenzulernen. Ihre Mutter bemerkte dazu: »Der Erzherzog wird hierher kommen, um sie kennenzulernen. Sophie ist darüber etwas erschrocken, sieht aber der Zukunft ohne den geringsten Widerwillen entgegen, zumal sie in Bezug auf die äußere Erscheinung vernünftig ist.«17
Diese Vernunft war durchaus nötig, denn Franz Karl war zwar gesund und in seiner Entwicklung nicht zurückgeblieben wie sein Bruder, aber ein Traumprinz war auch er nicht. Besondere Talente oder Geistesgaben konnte er nicht vorweisen. Er war nicht sehr groß und hatte die für viele Habsburger typische vorstehende Unterlippe, doch zumindest hatten sein Schädel und sein Körper im Gegensatz zu seinem Bruder eine einigermaßen normale Form. Er galt als gutmütig und freundlich, war aber völlig ohne Ehrgeiz oder Interessen und zog ein gemütliches Dasein der Politik und dem Militär vor.
Erzherzog Franz Karl
Sophie hatte schon bei der ersten Begegnung rasch bemerkt, dass sie ihrem zukünftigen Ehemann geistig weit überlegen war, auch von seinem Äußeren war sie alles andere als angetan. Bei Sophies Eltern hielt sich die Begeisterung über den künftigen Schwiegersohn ebenfalls in Grenzen, wie Karoline ihrer Mutter schrieb: »Ich danke dem Himmel, dass Sophie so vernünftig ist. Mich würde er zu Tode langweilen. Manchmal halte ich es nicht mehr aus. Dabei ist er gebildet, sagt man, und er beginnt, sehr verliebt zu werden. Das sollte mich freuen, aber ab und zu möchte ich ihn schlagen. Und Sophie ist so hübsch und geistreich!«18
Trotz aller Defizite des Bräutigams überwogen die Vorteile dieser Verbindung, und so stimmten sowohl die Eltern als auch Sophie der Heirat zu. Die jungen Leute gingen in den Park: »In diesem Spaziergang erklärte sich der Erzherzog gegen meine Schwester Sophie, die er heiraten wird. Sie sagte mir, dass er ihr gefiele, und sie ihm«19, schrieb Sophies Bruder Ludwig. Die Verlobung folgte am 29. Mai, dann reiste Franz Karl ab und Sophie blieb vorerst noch bei ihren Eltern. Gemeinsam verbrachten sie einige Tage in Baden-Baden, danach reiste die Familie zurück nach Tegernsee, wo Franz Karl sie im August neuerlich besuchte.
Sophies Abreise
Die Abreise nach Wien war für den 20. September vorgesehen, und die Eltern hatten vor, ihre Tochter dorthin zu begleiten: »Wir werden Sophie nach Wien begleiten. Sie können sich vorstellen, welche Angst ich vor dieser Reise habe, weil ich ohne sie zurückkehren muss«20, schrieb die Königin ihrer Mutter. Es war keine Hochzeit »per procurationem«, also mit einem Bräutigam-Stellvertreter, geplant. Sophie erkrankte allerdings im August, wie ihre Mutter meinte, wegen »ihrer unglückseligen Übertreibung im Tanzen in Baden-Baden und ihren unnötigen Promenaden an den Vormittagen«21. Die Reise nach Wien wurde auf Mitte Oktober verschoben, worüber die Prinzessin nicht allzu unglücklich war. Franz Karl war sehr um sie besorgt und wollte gleich wieder nach Tegernsee kommen, wurde aber von Karoline beruhigt und dezent von einem weiteren Besuch abgehalten.
Wegen