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zum Bei­spiel alle jene, die sich zu klei­den wis­sen, und jene, die ohne Er­rö­ten eine Geld­hei­rat ein­ge­hen, hält eine tat­säch­li­che Tren­nung von ma­te­ri­el­len In­ter­es­sen und Ge­fühls­le­ben für un­be­dingt not­wen­dig. Die an­dern sind ver­lieb­te Nar­ren, die mei­nen, sie und ihre Ge­lieb­te sei­en al­lein auf der Welt! Ih­nen sind die Mil­lio­nen nichts, aber den Hand­schuh, die Ka­me­lie, die ihre An­ge­be­te­te ge­tra­gen, be­wer­ten sie nach Mil­lio­nen! Wenn ihr bei ih­nen auch das ver­ächt­li­che Geld nicht fin­det, so fin­det ihr doch, sorg­sam in Ze­dern­holz­schach­teln auf­ge­bahrt, die Lei­chen wel­ker Blu­men! Alle glei­chen sie ein­an­der: sie alle ha­ben kein ›Ich‹ mehr. ›Du‹, das ist ihr Gott. Was ist da zu tun? Könnt ihr die­se Er­kran­kung des Her­zens ver­hin­dern? Es gibt Nar­ren, die ohne jede Be­rech­nung lie­ben, und es gibt Wei­se, de­ren gan­ze Lie­be Be­rech­nung ist.«

      »Bi­xiou, du bist groß­ar­tig!« schrie Blon­det. »Was sagt Fi­not?«

      »An an­derm Ort«, er­wi­der­te Fi­not mit Wür­de, »wäre ich ei­ner Mei­nung mit den Gent­le­men; hier je­doch den­ke ich …«

      »Eben­so wie die schlech­ten Sub­jek­te, in de­ren Ge­sell­schaft ich mich be­fin­de,« ent­geg­ne­te Bi­xiou. »Wahr­haf­tig ja,« sag­te Fi­not. »Und du?« wand­te sich Bi­xiou an Cou­ture. »Dumm­hei­ten!« rief Cou­ture. »Eine Frau, die ih­ren Kör­per nicht zum Sprung­brett macht, um den Mann, den sie aus­zeich­net, em­por­kom­men zu las­sen, ist eine herz­lo­se, selbst­süch­ti­ge Frau.«

      »Und du, Blon­det?«

      »Ich, ich er­pro­be die Sa­che prak­tisch.«

      »Nun,« fuhr Bi­xiou mit bos­haf­ter Stim­me fort, »Ras­ti­gnac war nicht eu­rer An­sicht. Neh­men und nicht wie­der­ge­ben ist schreck­lich und so­gar leicht­sin­nig; aber neh­men, um sich das Recht zu er­wir­ken, gött­lich, hun­dert­fach zu­rück­zu­ge­ben – das ist eine rit­ter­li­che Tat! So dach­te Ras­ti­gnac. Ras­ti­gnac fühl­te sich tief ge­de­mü­tigt, daß er von Del­phi­ne von Nu­cin­gen Geld an­neh­men muß­te, ich weiß da­von zu re­den, ich sah, wie er mit Trä­nen in den Au­gen die­sen Zu­stand be­klag­te. Ja, er wein­te in der Tat … nach Tisch! Na, nach un­se­rer An­sicht …«

      »Höre mal, du machst dich über uns lus­tig,« sag­te Fi­not. »Kei­ne Spur. Es han­delt sich um Ras­ti­gnac, des­sen Kum­mer nach eu­rer An­sicht ein Be­weis sei­ner Ver­dor­ben­heit ist; denn da­mals lieb­te er Del­phi­ne viel we­ni­ger. Aber was ist da zu ma­chen! Der arme Jun­ge hat­te die­ses Schwert im Her­zen. Er ist eben ein ent­ar­te­ter Edel­mann, seht ihr, und wir sind tu­gend­sa­me Künst­ler. Also, Ras­ti­gnac woll­te Del­phi­ne be­rei­chern – er, der Arme, sie, die Rei­che! Wollt ihr es glau­ben? Er ist ans Ziel ge­kom­men. Ras­ti­gnac, der sich ge­schla­gen hät­te wie ein Jar­nac, mach­te sich von nun an den Auss­pruch Hein­richs II. zu ei­gen: ›Es gibt kei­ne ab­so­lu­te Tu­gend, nur Ge­le­gen­hei­ten und Um­stän­de.‹ Da­mit leg­te er den Grund­stein zu sei­nem Reich­tum.«

      »Du soll­test lie­ber mit dei­ner Ge­schich­te be­gin­nen, an­statt uns zur Selb­st­an­kla­ge zu ver­lei­ten,« sag­te Blon­det mit lie­bens­wür­di­ger Gut­mü­tig­keit. »Ah, mein Klei­ner,« sag­te Bi­xiou und gab ihm einen wohl­wol­len­den Klaps auf den Hin­ter­kopf, »du wirst dich beim Cham­pa­gner wie­der­fin­den.«

      »Bei Sei­ner Hei­lig­keit dem Ak­tio­när,« sag­te Cou­ture, »er­zäh­le uns dei­ne Ge­schich­te!«

      »Ich war ge­ra­de an ei­nem Kno­ten,« gab Bi­xiou zu­rück, »aber mit dei­nem Fluch gibst du mir die Auf­lö­sung.«

      »Es gibt also Ak­tio­näre bei der Ge­schich­te?« frag­te Fi­not. »Stein­rei­che, so wie dei­ner,« er­wi­der­te Bi­xiou. »Es scheint mir,« sag­te Fi­not, »daß du ei­nem gu­ten Kin­de, bei dem du ge­le­gent­lich eine Fünf­hun­dert­fran­ken­no­te fin­dest, Rück­sich­ten schul­dig bist …«

      »Kell­ner!« rief Bi­xiou. »Was willst du von ihm?« frag­te ihn Blon­det. »Fünf­hun­dert Fran­ken für Fi­not, um mei­ne Zun­ge zu lö­sen und mich von der Ver­pflich­tung der Dank­bar­keit zu ent­bin­den.«

      »Er­zäh­le dei­ne Ge­schich­te!« er­wi­der­te Fi­not la­chend. »Ihr seid Zeu­gen,« sag­te Bi­xiou, »daß ich nichts mit die­sem Un­ver­schäm­ten zu tun habe, der da glaubt, mein Schwei­gen sei nicht mehr als fünf­hun­dert Fran­ken wert! Wenn du die Ge­wis­sen nicht bes­ser ein­zu­schät­zen weißt, wirst du nie­mals Mi­nis­ter wer­den. Also gut!« sag­te er mit schmun­zeln­der Stim­me, »mein lie­ber Fi­not, ich wer­de die Ge­schich­te er­zäh­len, ohne Na­men zu nen­nen, und wir sind quitt.«

      »Er wird uns be­wei­sen,« sag­te Cou­ture lä­chelnd, »daß Nu­cin­gen den Ras­ti­gnac reich ge­macht hat.«

      »Du bist gar nicht so weit vom Schuß, als du denkst,« er­wi­der­te Bi­xiou. »Ihr wißt nicht, was Nu­cin­gen als Geld­mann ist.«

      »Nur weißt du wohl lei­der nicht das ge­rings­te über sein ers­tes Auf­tre­ten?« frag­te Blon­det. »Ich habe ihn al­ler­dings nur in sei­nem ei­ge­nen Hau­se ge­se­hen,« sag­te Bi­xiou; »aber es ist ja nicht un­mög­lich, daß wir ein­an­der frü­her ein­mal über den Weg ge­lau­fen sind.«

      »Das Auf­blü­hen des Hau­ses Nu­cin­gen ist eins der größ­ten Wun­der un­se­rer Zelt,« be­merk­te Blon­det. »Im Jah­re 1804 war Nu­cin­gen we­nig be­kannt, die Ban­ken von da­mals hät­ten ge­zit­tert, hun­dert­tau­send Ta­ler sei­ner Ak­zep­te am Plat­ze zu wis­sen. Aber der große Geld­mann war sich sei­ner Min­der­wer­tig­keit be­wußt. Wie sich be­kannt ma­chen? Er stellt sei­ne Zah­lun­gen ein. Schön! Sein bis­her nur in Straß­burg und im Quar­tier Pois­son­niè­re be­kann­ter Name er­tönt al­ler­or­ten! Er ent­schä­digt sei­ne Leu­te mit lee­ren Wor­ten und nimmt sei­ne Zah­lun­gen wie­der auf: als­bald ge­hen sei­ne Pa­pie­re in ganz Frank­reich. Durch einen un­er­hör­ten Zu­fall stei­gen die Pa­pie­re, fin­den An­klang und Ab­satz. Nu­cin­gens sind sehr ge­sucht. Das Jahr 1815 kommt, der Mann rafft sei­ne Gel­der zu­sam­men, kauft vor der Schlacht bei Wa­ter­loo Staats­pa­pie­re, stellt im Mo­ment der Kri­se sei­ne Zah­lun­gen ein und li­qui­diert mit Wort­schi­ner Mi­nen­ak­ti­en, die er sich zwan­zig Pro­zent un­ter dem Wert be­schafft hat­te, zu dem er selbst sie emit­tier­te! Ja, mei­ne Her­ren, er kauft bei Gran­det hun­dert­fünf­zig­tau­send Fla­schen Cham­pa­gner, um sich zu de­cken, denn er sah den Fall die­ses ehr­sa­men Va­ters des be­kann­ten Gra­fen d’Au­bri­on vor­aus, und eben­so­viel Fla­schen Bor­deaux­wein bei Du­berg­he. Die drei­hun­dert­tau­send Fla­schen, zu drei­ßig Sous das Stück ge­kauft, gibt er den Ver­bün­de­ten von 1817 bis 1819 im Palais Roy­al zu trin­ken – zu sechs Fran­ken die Fla­sche. Die Pa­pie­re des Hau­ses Nu­cin­gen und sein Name be­kom­men eu­ro­päi­schen Ruf. Die­ser all­mäch­ti­ge Baron hat sich über den Ab­grund er­ho­ben, in dem je­der an­de­re zu­grun­de ge­gan­gen wäre. Zwei­mal brach­te sei­ne Li­qui­da­ti­on sei­nen Gläu­bi­gern un­er­hör­te Vor­tei­le; er woll­te sie um­brin­gen – un­mög­lich! Er gilt als der eh­ren­haf­tes­te Mann von der Welt. Bei der drit­ten Zah­lungs­ein­stel­lung wer­den die Pa­pie­re des Hau­ses Nu­cin­gen so­gar in Asi­en, in Me­xi­ko, in Aus­tra­li­en, ja bei den Wil­den ge­hen. Ouvrard ist der ein­zi­ge, der die­sen El­säs­ser, den Sohn ei­nes aus Stre­ber­tum ge­tauf­ten Ju­den, durch­schaut hat: ›Wenn Nu­cin­gen sein Gold fah­ren läßt,‹ sag­te er, ›so könnt

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