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Freun­de, hal­tet ihm mil­dern­de Um­stän­de zu­gu­te,« sag­te Blon­det; »kaum daß er den Kral­len des Elends ent­ron­nen, fiel er in die Hän­de ei­nes ge­rie­be­nen Schlau­ber­gers.«

      »Du scheinst Nu­cin­gen gut zu ken­nen,« sag­te Bi­xiou; »in der ers­ten Zeit fan­den Del­phi­ne und Ras­ti­gnac ihn sehr ›lenk­bar‹, für ihn schi­en die Frau ein Spiel­zeug, ein Schmuck sei­nes Hau­ses zu sein. Und das ist es, was den Mann in mei­nen Au­gen hebt: Nu­cin­gen scheut sich nicht, aus­zu­spre­chen, daß sei­ne Frau ge­wis­ser­ma­ßen die Re­prä­sen­tan­tin sei­nes Ver­mö­gens ist, eine un­ver­äu­ßer­li­che, aber un­ter­ge­ord­ne­te Sa­che im Le­ben der Po­li­ti­ker und Finanz­män­ner, die mit Hoch­druck ar­bei­ten. Ich selbst habe ihn sa­gen hö­ren, Bo­na­par­te sei da­mals, als er mit Jo­se­phi­ne an­knüpf­te, dumm ge­we­sen wie ein Spieß­bür­ger und habe sich dann, als er den Mut ge­habt, sie als Sprung­brett zu be­nut­zen, da­durch lä­cher­lich ge­macht, daß er sie zu sei­nem Ka­me­ra­den zu ma­chen such­te.«

      »Je­der hö­he­re Mensch soll­te über die Frau die An­schau­un­gen des Ori­en­ta­len ha­ben,« sag­te Blon­det. »Der Baron hat die An­schau­un­gen des Mor­gen- und Abend­län­ders in reiz­vol­les Pa­ri­se­risch über­tra­gen. Mar­say, der nicht lenk­bar war, war ihm un­er­träg­lich, aber Ras­ti­gnac hat ihm sehr ge­fal­len, und er hat ihn aus­ge­nutzt, ohne daß die­ser es ahn­te. Alle Las­ten sei­ner Ehe bür­de­te er ihm auf. Ras­ti­gnac muß­te die Lau­nen Del­phi­nes auf sich neh­men, er führ­te sie ins Bois, er be­glei­te­te sie ins Thea­ter. Die­ser klei­ne Groß­po­li­ti­ker von heu­te hat lan­ge Zeit sein Le­ben da­mit ver­bracht, Bil­let­doux zu schrei­ben und zu le­sen. An­fäng­lich wur­de Eu­gen we­gen ei­nes Nichts ge­schol­ten; er freu­te sich mit Del­phi­ne, wenn sie hei­ter war, be­küm­mer­te sich, wenn sie trau­rig war, er trug die Las­ten ih­rer Mi­grä­nen, ih­rer Be­kennt­nis­se; er schenk­te ihr sei­ne gan­ze Zeit, sei­ne kost­ba­re Ju­gend, um die Hohl­heit, den Mü­ßig­gang die­ser Pa­ri­se­rin aus­zu­fül­len. Del­phi­ne und er hiel­ten große Be­ra­tun­gen über Klei­der und Schmuck, er er­trug das Feu­er ih­res Zor­nes und den Über­mut ih­rer Lau­ne, wäh­rend sie – ge­wis­ser­ma­ßen als Aus­gleich – sich für den Baron be­zau­bernd mach­te. Der Baron sei­ner­seits lach­te sich ins Fäust­chen, dann, als er sah, daß Ras­ti­gnac un­ter dem Ge­wicht sei­ner Las­ten zu­sam­men­brach, gab er sich den An­schein, Ver­dacht zu schöp­fen, und ver­band die bei­den Lie­ben­den durch ihre ge­mein­sa­me Angst von neu­em.«

      »Ich gebe zu, daß eine rei­che Frau in der Lage ist, Ras­ti­gnac an­stän­dig aus­zu­stat­ten, aber wo­her hat er sein Ver­mö­gen ge­nom­men?« frag­te Cou­ture. »Ein so großes Ver­mö­gen wie das sei­ne muß ir­gend­wo­her kom­men, und nie­mand hat ihn je­mals ver­däch­tigt, auf ein gu­tes Ge­schäft ge­ra­ten zu sein?«

      »Er hat ge­erbt,« sag­te Fi­not. »Von wem?« frag­te Emi­le Blon­det. »Von Dumm­köp­fen am Wege,« ent­geg­ne­te Cou­ture. »Er hat nicht al­les ge­nom­men, lie­be Jun­gen,« sag­te Bi­xiou:

       »… ›Be­ru­higt euch über den falschen Alarm,

       Ein je­der reicht heu­te dem Schwin­del den Arm.‹

      Ich will euch den Ur­sprung sei­nes Ver­mö­gens be­rich­ten. Zu­nächst ist un­ser Freund kein Bur­sche, wie Fi­not ge­sagt hat, son­dern ein Gent­le­man, der das Spiel und die Kar­ten kennt und den die Ga­le­rie ach­tet. Ras­ti­gnac hat all den Ver­stand, den man ha­ben muß, um im ge­ge­be­nen Au­gen­blick zu han­deln, er ist wie ein Söld­ner, der sei­nen Mut nur ge­gen drei Un­ter­schrif­ten und sons­ti­ge Si­cher­heit ver­kauft. Er scheint ge­dan­ken­los, schwatz­haft, leicht­fer­tig, un­be­stän­dig, ohne fes­te An­schau­un­gen; so­bald sich ihm aber et­was Erns­tes bie­tet, ein Plan, eine Be­rech­nung, so wird er sich nicht ver­zet­teln, wie Blon­det da, der sich auf Kos­ten des lie­ben Nach­barn strei­tet. Ras­ti­gnac rafft sich auf, kon­zen­triert sich, prüft den Punkt, an dem der An­griff ein­zu­set­zen hat, und greift dann mit al­len Mit­teln an. Mit der Tap­fer­keit ei­nes Mu­rat sprengt er den Block, die Ak­tio­näre, die Grün­der, kurz­um den gan­zen Hau­fen aus­ein­an­der; hat der An­griff sei­ne Wir­kung ge­tan, so kehrt er zu sei­nem be­hag­li­chen, sorg­lo­sen Le­ben zu­rück und wird wie­der der schwel­ge­ri­sche Süd­fran­zo­se, der nichts­sa­gen­de, ta­ten­lo­se Ras­ti­gnac, der sich erst mit­tags zu er­he­ben braucht, weil er im ge­ge­be­nen Au­gen­blick wach zu sein ver­stand.«

      »Sehr schön, aber komm end­lich zu sei­nem Ver­mö­gen!« be­merk­te Fi­not. »Bi­xiou wird uns nur das eine sa­gen,« ent­geg­ne­te Blon­det, »Ras­ti­gnacs Ver­mö­gen – das ist Del­phi­ne von Nu­cin­gen, eine be­ach­tens­wer­te Frau, die Ehr­geiz und Vor­sicht ver­eint.«

      »Hat sie dir Geld ge­lie­hen?« frag­te Bi­xiou. All­ge­mei­nes Ge­läch­ter. »Du täuschst dich in ihr,« sag­te Cou­ture zu Blon­det; »ihr gan­zer Geist be­steht dar­in, mehr oder we­ni­ger pi­kan­te Din­ge zu sa­gen und Ras­ti­gnac mit ganz un­be­que­mer Treue zu lie­ben und ihm blind zu ge­hor­chen; sie ist in ih­ren In­stink­ten durch­aus Ita­li­e­ne­rin.«

      »Geld bei­sei­te« sag­te An­do­che Fi­not bit­ter. »Still, still« er­wi­der­te Bi­xiou mit schmei­cheln­der Stim­me, »könnt ihr es nach al­le­dem, was wir er­ör­tert ha­ben, noch wa­gen, den ar­men Ras­ti­gnac zu be­schul­di­gen, auf Kos­ten des Hau­ses Nu­cin­gen ge­lebt zu ha­ben? Wagt ihr es, zu be­haup­ten, man habe ihm eine Woh­nung ge­sucht und ein­ge­rich­tet und ihn da hin­ein­ge­setzt, wie sei­ner­zeit un­ser Freund des Lu­peaulx die Tor­pil­le? Üb­ri­gens kann die Sa­che – ab­strakt ge­spro­chen, wie Roy­er-Col­lard sa­gen wür­de – vor der Kri­tik der rei­nen Ver­nunft be­ste­hen; was al­ler­dings die­je­ni­ge der un­rei­nen Ver­nunft an­lang­t…«

      »Aber ja,« rief Blon­det, »er hat recht! Die Fra­ge ist ur­alt. Sie war die Ver­an­las­sung zu dem be­rühm­ten Zwei­kampf zwi­schen la Châtaig­ne­raie und Jar­nac, dem wir den be­kann­ten Auss­pruch ›Coup de Jar­nac‹ ver­dan­ken. Jar­nac wur­de be­schul­digt, mit sei­ner Schwie­ger­mut­ter all­zu gute Be­zie­hun­gen zu un­ter­hal­ten. Wenn eine Tat­sa­che so wahr ist, darf sie nicht aus­ge­spro­chen wer­den. Aus Er­ge­ben­heit für Kö­nig Hein­rich II., der sich die­se Bos­heit ge­stat­tet hat­te, nahm la Châtaig­ne­raie den Auss­pruch auf sich, und es kam zu dem Duell, das die fran­zö­si­sche Spra­che um die be­kann­te Be­zeich­nung be­rei­cher­te.«

      »Ach! von so weit her kommt die Be­zeich­nung,« sag­te Fi­not; »da ist sie ja ge­ra­de­zu vor­nehm.«

      »Es gibt Frau­en,« fuhr Bi­xiou ernst­haft fort, »es gibt auch Män­ner, die es ver­ste­hen, sich zu tei­len und nur teil­wei­se zu ver­schen­ken. Sol­che Leu­te wer­den stets ihre ma­te­ri­el­len In­ter­es­sen von ih­rem Ge­fühls­le­ben tren­nen. Sie schen­ken ei­ner Frau ihre gan­ze Zeit und ihre Ehre. Als Ge­gen­leis­tung neh­men sie aber von der Frau nichts an. Ja, es ist un­eh­ren­haft, nicht nur die See­len, son­dern auch Geld und Gut zu ver­schmel­zen. Die­se Leh­re wird oft ge­nug vor­ge­tra­gen, aber sel­ten an­ge­wen­det …«

      »Ach, was für Lap­pa­li­en!« sag­te Blon­det. »Der Mar­schall von Ri­che­lieu, ein Ken­ner in Sa­chen der Galan­te­rie, setz­te Frau de la Po­pe­li­niè­re eine Pen­si­on von tau­send Louis aus. Ag­nes So­rel brach­te mit kind­li­cher Selbst­ver­ständ­lich­keit Kö­nig Karl VII. ihr Ver­mö­gen, und der Kö­nig nahm es an.

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