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Seele und die Nichtigkeit alles Irdischen. Scipio wünscht daraufhin gleich bei seinen Ahnen zu bleiben, wird aber von ihnen unter Hinweis auf seine geschichtliche Sendung abgewiesen. Der Streit der beiden Göttinnen um seine Seele entbrennt aufs neue, er wählt schließlich Costanza. Nach heftigen Drohungen Fortunas, begleitet von Blitz und Donner, erwacht er und erklärt, der Costanza treu bleiben zu wollen.

      Die Anspielungen auf die Umstände, unter denen das Stück am 1. Oktober 1735 zur Feier des Geburtstages Karls VI. – der in Italien schwere Niederlagen erlitten hatte – aufgeführt wurde, sind hier wie an anderen Stellen, namentlich in den Reden des Africanus und der Costanza, verständlich genug. Dennoch tritt zum Schluß noch die Licenza ein, welche direkt die Anwendung auf den Gefeierten macht, worauf dann in einer Arie und dem Schlußchor noch ein förmlicher Glückwunsch ausgesprochen wird.

      Wohl um des philosophischen und moralischen Gewandes willen, das geradezu als ein Muster seiner Art auch im Drama gepriesen wird38, fand man das Stück auch für die Salzburger Verhältnisse ohne weiteres geeignet. Von einer Handlung kann bei dieser dramatischen Kantate keine Rede sein; daran, daß Scipio im Traume mitspielte und Arien sang, nahm man keinen Anstoß, sein Erwachen zum Schluß wird von Metastasio selbst sogar als vorbildlich gepriesen39.

      Mozart hat dieser überirdischen Geschichte anscheinend ebensowenig Geschmack abzugewinnen vermocht wie wir Modernen, denn das Eigentümlichste gibt er beim Einschlummern und Wiedererwachen des Helden. Jenes wird in einer zarten Schlummermusik, einem beliebten Typus der italienischen Oper, mit Flöten dargestellt, die als langsamer Satz der Ouvertüre beginnt und dann in einem leise verhallenden Decrescendo unmittelbar in die erste Szene hinüberführt40. Scipios Erwachen aber vollzieht sich in dem einzigen begleiteten Rezitativ des Werkes, das, im allgemeinen mehr lärmend als gehaltvoll, in den Bässen erstmals ein beliebtes, den Italienern abgelauschtes Mozartsches Tumultmotiv bringt:

      allerdings noch ohne die später meist damit verbundenen Synkopenharmonien. Sonst herrscht das Secco durchaus, selbst in dem Vortrage der Costanza über die pythagoreische Sphärenharmonie, wo sich wohl kein Italiener die Gelegenheit zu einem Akkompagnato hätte entgehen lassen. Im Secco hat Mozart offenbar die Aufgabe gereizt, die temperamentvolle Fortuna und die bedächtige Costanza in ihren Reden voneinander zu unterscheiden; in den Arien ist ein solcher Unterschied kaum zu erkennen, auch die drei sämtlich Tenor singenden römischen Helden sind sich in ihren Arien ziemlich wesensgleich, sofern von einer persönlichen Färbung überhaupt gesprochen werden kann. Im Charakter gleichen die zehn Arien denen des "Ascanio", nur sind sie noch glänzender und auch orchestral reicher ausgestattet. Formell sind drei davon (2, 6, 7) deshalb wichtig, weil sie im verkürzten da capo beide Hauptgedanken wiederholen, eine Form, die dann der "Lucio Silla" (s.o.) aufgenommen hat. Von der Licenza (13) ist eine zweite Fassung vorhanden, die jedoch nach Handschrift und Stil einer späteren Zeit angehört41. Bezeichnend ist für die meisten Arien aus dieser Zeit die knappe und oft flüchtige Art der Mittelsätze, in denen sich auch die Modulationsordnung der älteren Hassischen Zeit am längsten erhalten hat.

      Von den beiden Chören gehört der Schlußchor (12) dem gewöhnlichen Schlage an, der Chor der Heroen (4) mit seiner schwirrenden Geigenbegleitung entbehrt zwar nicht der Kraft und Würde, steht aber an lebendiger Wirkung den Chören des "Ascanio" nach, auch kommt die Imitation darin kaum über einige Ansätze hinaus.

      Das letzte Werk in dieser Reihe ist der zu Ehren des Erzherzogs Maximilian 1775 in Salzburg komponierte "Re pastore" Metastasios (K.-V. 208, S.V. 10 mit Gr. Waldersees R.-B.).

      Das Personenverzeichnis lautet:

       Alessandro, re di Macedonia.

       Aminta, pastorello, amante d'Elisa, che, ignoto a se stesso, si scuopre poi l'unico legittimo erede del regno di Sidone.

       Elisa, nobile ninfa di Fenicia, dell' antica stirpe di Cadmo, amante d'Aminta.

       Tamiri, principessa fuggitiva, figliuola del tiranno Stratone; in abito di pastorella, amante di Agenore.

       Agenore, nobile di Sidone, amico di Alessandro, amante di Tamiri.

      Der Inhalt ist in Kürze folgender42:

       Alexander beschließt, nachdem er Sidon erobert und dessen Tyrann Strato sich das Leben genommen hat, den Sohn des letzten rechtmäßigen Königs, Abdalonymus43, auf den Thron zu erheben, der unter dem Namen Aminta unerkannt als Schäfer lebt. Nachdem er ihn mit Erfolg selbst auf seinen königlichen Sinn geprüft hat, läßt er ihn in dem Augenblicke, da Aminta vom Vater seiner Geliebten Elisa die Einwilligung zu ihrer Heirat erhalten hat, durch Agenore die Königskrone anbieten und spricht außerdem die Absicht aus, ihn mit der heimlich von Agenore geliebten Tamiri, der Tochter Stratos, zu vermählen. Daraus ergeben sich die bekannten Verwicklungen, bis schließlich der zwischen Tugend und Liebe hin und her geschleuderte Aminta um Elisas Willen auf die Krone verzichtet und Tamiri sich ebenso offen für Agenore erklärt. Gerührt von soviel Edelmut vereinigt nun Alexander die beiden Paare, bestätigt Aminta als Herrscher von Sidon und verspricht, für Agenore ein anderes Königreich zu erobern.

      Diese von Metastasio 1751 für eine Aufführung bei Hofe durch vier Hofdamen und einen Kavalier bestimmte und von G. Bonno komponierte Festoper44 ist eigentlich ein dramatisches Pastoral und gehört als solches in eine Reihe mit dem "Ascanio". Für die Salzburger Aufführung wurden die beiden letzten Akte in einen zusammengezogen, wobei der Dialog sehr beschnitten und mehrere Arien ausgeschieden wurden, ohne daß der Text dadurch erheblich litt. Amintas erste Arie ist durch eine andere mit begleitetem Rezitativ ersetzt, auch vor dem Duett am Schluß des ersten Aktes ein begleitetes Rezitativ des Aminta eingefügt. Statt des kurzen Schlußchores ist eine Art von Finale mit Soli und Tutti hinzugedichtet. Die Partie des Agenore ist einem Tenor übergeben45. Aminta wurde von dem Kastraten Consoli gesungen; sonst wissen wir nichts näheres, weder über die Besetzung noch über die Aufführung46.

      Mozarts Komposition, deren Originalpartitur in zwei Bänden von 284 Seiten erhalten ist, weist dem "Ascanio" gegenüber rein musikalisch einen großen, durch die Werke der Zwischenzeit, besonders die "Finta giardiniera", erklärten Fortschritt auf, dramatisch dagegen verharrt sie durchaus auf demselben Standpunkt, d.h. von einer Charakteristik der Personen, von wahrer Leidenschaft ist nicht die Rede. Auch die ganze neuneapolitanische Rhetorik mit ihren Riesensprüngen, den Koloraturen an falschem Ort usw. kehrt unverfälscht wieder, ja die Oper geht sogar noch einen Schritt weiter, indem sie nunmehr auch das Secco in auffallender Weise vernachlässigt; auch die erregten und empfindungsvollen Partien werden jetzt, ganz wie bei den Italienern, in ziemlich ausdruckslosen, abgegriffenen Phrasen abgemacht47. Ebenso macht sich die Freude an virtuosen Orchesterwirkungen wieder geltend: hierher gehören die Solovioline der Rondoarie Amintas (10) mit ihrem Bläsergefolge von je zwei Flöten, englischen Hörnern, Fagotten und Hörnern, die vier Hörner der Arie Agenores (12) und namentlich die virtuose Flötenpartie in Alessandros Arie (9)48.

      Die moderne, gedrängte Dreiteiligkeit der Arienform erinnert ebenfalls noch an den "Ascanio". Neu kommt hinzu (10, 11) das Rondo nach Bachs und Piccinnis Vorgang. Das in letzter Zeit wieder häufiger gesungene Es-Dur-Rondo (10) hat die Form a-b-a-c (aber mit Wendungen aus b)-a mit einer kleinen Coda, die noch einmal die beiden ersten und die beiden letzten Takte des Hauptthemas bringt und dann pp im Orchester verklingt. Obschon in der Kunst Chr. Bachs wurzelnd, weist das Stück doch schon ganz die echt Mozartsche Mischung von Feuer und holder Schwärmerei auf, auch enthält es eine ganze Reihe späterer Mozartscher Lieblingsgedanken, wie z.B.:

      Wendungen, die freilich ihre Abkunft von Piccinni nicht verleugnen können. Nur wirken sie bei dem weit universelleren Mozart, der ihnen auch starke Gegensätze an die Seite zu setzen versteht, ungleich

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