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Re di Ponto", in drei Akten, nach der Parinischen Übersetzung von Racines Tragödie gedichtet von Vittorio Amadeo Cigna-Santi aus Turin, wo die Oper bereits 1767 in des dortigen Kapellmeisters Quirino Gasparini Komposition aufgeführt worden war73.

      Zuerst wurden die schon in Bologna begonnenen Seccorezitative vollendet, und zwar mit solcher Eile, daß dem Knaben die Finger vom Schreiben wehtaten. Die Arien entstanden dagegen, dem Brauche der Zeit folgend, erst nach genauer Übereinkunft mit den Sängern, die dabei ein großes Wort mitzureden hatten.

      Auch Wolfgang suchte es den Sängern rechtzumachen, wie er nur konnte. Sie erschwerten es ihm schon dadurch, daß sie spät in Mailand eintrafen und ihm möglichst wenig Zeit zum Komponieren ließen. Der Vater wachte darüber, daß Wolfgang, solange es irgend ging, seine Kräfte schonte; namentlich ließ er ihn nicht ohne die größte Not nach dem Essen schreiben, sondern ging dann gewöhnlich mit ihm spazieren. Die geistige Anspannung bei einer so wichtigen Aufgabe machte den Knaben ernst gestimmt; er ermahnt wiederholt Mutter und Schwester, fleißig zu beten, daß die Oper gut gehen möge, "daß wir dann glücklich wieder beysammen sein können". Dagegen bat Leopold die Freunde in Salzburg, ein gutes Werk zu tun und ihm heitere und spaßhafte Briefe zu schreiben, um ihn zu zerstreuen. Natürlich fehlte es nicht an dem unvermeidlichen Verdruß, den ein jeder Kapellmeister, "zumal ein fremder und so junger", von der "Virtuosen-Kanaille" auszustehen hatte, allein der Vater schreckte vor keiner Schwierigkeit zurück, zu deren Überwindung "Geistesgegenwart und beständiges Nachdenken nötig war", und meinte, sie würden sich auch dadurch "glücklich durchbeißen, wie der Hanswurst durch den Dreckberg".

      Zuerst traf – statt der Gabrielli – als Primadonna Antonia Bernasconi ein, die Tochter eines Kammerdieners des Herzogs von Württemberg, Wagele, durch ihren Stiefvater Andrea Bernasconi (seit 1754 Kapellmeister in München)74 zur Sängerin ausgebildet. Mit ihr wurde die "erste Bataille gewonnen"; denn durch sie hofften die Gegner den jungen Komponisten zu stürzen. Ein unbekannt gebliebener Feind Wolfgangs suchte sie zu bereden, die von diesem komponierten Arien nebst dem Duett zurückzuweisen und dafür die Kompositionen von Gasparini, die er ihr brachte, einzulegen. Allein die Bernasconi wies diesen ehrlosen Antrag ab. Sie war vielmehr über die Arien, die Wolfgang "nach ihrem Wunsch und Willen" gemacht, "ganz außer sich vor Freuden"; auch der alte, erfahrene Maestro Lampugnani, der ihr ihren Part einstudierte, wußte die Komposition nicht genug zu loben. Ein anderer Sturm am theatralischen Himmel wurde durch den Tenoristen erregt, den Cavaliere Guglielmo d'Ettore, der in München in Diensten, und zuletzt in Padua mit großem Beifall aufgetreten war75. Zwar wurde auch dieser Sturm glücklich abgewehrt, aber die Ränke müssen arg gewesen sein, da L. Mozart noch später seinen Sohn daran erinnert, um ihm in Paris Mut zu machen. Am spätesten stellte sich der primo uomo ein, nicht Manzuoli, sondern Santorini, der zuletzt in Turin gesungen hatte und mit ihnen in Bologna bekannt geworden war. Erst am 1. Dezember kam er in Mailand an, und am 26. Dezember war die Aufführung.

      Die Proben begannen unter günstigen Umständen; selbst der Kopist hatte seine Sache so gut gemacht, daß in der Rezitativprobe sich nur ein Fehler gefunden hatte, und die Sänger bewährten sich als vortrefflich. "So viel ich ohne väterliche Parteilichkeit sagen kann", schrieb L. Mozart am 8. Dezember76, "finde ich, daß Wolfgang die Oper gut und mit vielem Geist geschrieben hat". Am 17. Dezember war die erste Probe mit vollem, starkbesetztem Orchester77 im Redoutensaal, zwei Tage darauf die zweite im Theater; sie entschieden bereits vollständig zugunsten der neuen Oper. L. Mozart berichtet78:

       Bevor die erste Probe mit dem kleinen Orchester gemacht wurde, hatte es nicht an Leuten gefehlt, welche mit satyrischer Zunge die Musik schon zum Voraus als etwas Junges und Elendes ausgeschrieen, und so zu sagen prophezeyet, da sie behaupteten, daß es unmöglich wäre, daß ein so junger Knabe, und noch dazu ein Teutscher79, eine italienische Oper schreiben könnte, und daß er, ob sie ihn gleich als einen großen Virtuosen erkannten, doch das zum Theater nöthige chiaro ed oscuro unmöglich verstehen und einsehen könnte. Alle diese Leute sind nun von dem Abend der ersten kleinen Probe an verstummt und reden nicht eine Sylbe mehr. Der Copist ist ganz voll Vergnügen, welches in Italien eine gute Vorbedeutung ist, indem, wenn die Musik gut ausfällt, der Copist manchmal durch Verschickung und Verkaufung der Arien mehr Geld gewinnt als der Kapellmeister für die Komposition hat80. Die Sängerinnen und Sänger sind sehr zufrieden und völlig vergnügt, absonderlich die Prima donna und Primo uomo wegen des Duetts voller Freude.

      Auch das Orchester war mit seiner Aufgabe zufrieden; die bedeutendsten Musiker, Fioroni, Sammartini, Lampugnani, Colombo erklärten sich für die Oper. So konnte das Spiel schon vor der Aufführung als gewonnen gelten.

      Diese fand am 26. Dezember unter Wolfgangs Leitung statt. Der Erfolg übertraf noch die Erwartung. Nach allen Arien, einige wenige der Nebenpersonen ausgenommen, erfolgte ein erstaunliches Händeklatschen und der Ruf: "Evviva il Maestro! Evviva il Maestrino!" Eine Arie der Primadonna wurde wiederholt. In der zweiten Aufführung steigerte sich der Beifall, zwei Arien wurden wiederholt und auch das Duett da capo verlangt; allein da es ein Donnerstag war und der nächste Tag ein Fasttag, die meisten aber noch zu Hause essen wollten, mußte man sich kurz fassen; die Vorstellung dauerte aber mit den nach jedem Akt eingelegten Balletten sechs starke Stunden. Am 5. Januar 1771 konnte der Vater seiner Frau schreiben:81

       Die Opera unseres Sohnes geht mit allgemeinem Beyfall fort und, wie die Italiener sagen, ist alle stelle. Nun sind wir schon seit der dritten Aufführung bald im Parterre bald in den Logen oder Palchi Zuhörer und Zuseher, wo jedermann mit dem Sgr. Maestro zu reden und ihn in der Nähe zu sehen begierig ist ... Denn der Maestro ist nur verbunden, drei Abend die Opera im Orchester zu dirigieren, wo beym zweiten Klavier der Maestro Lampugnani accompagnirt, welcher, da der Wolfgang nicht mehr spielt, nun das erste, der Maestro Melchior Chiesa aber das zweite Klavier spielt.

      Die Oper wurde etliche zwanzig Male bei vollen Häusern und stets gleichem Beifall wiederholt. Die Mailänder Zeitung (2. Jan. 1771) versicherte, der jugendliche Komponist "studia il bello della natura e ce lo rappresenta adorno delle più rare grazie musicali". Wolfgang erhielt im Publikum den Namen des "Cavaliere filarmonico," den die Accademia filarmonica zu Verona gewissermaßen bestätigte, indem sie ihn am 5. Januar 1771 als ihren Kapellmeister unter ihre Mitglieder aufnahm (Beil. III D, 3).

      Nach der Aufführung fehlte es nicht an Zerstreuung. Bei der jungen Frau d' Aste, der Tochter des Gubernialsekretärs Troger, mit dem ein sehr freundschaftlicher Verkehr stattfand, hatte sich Wolfgang auf Leberknödel und Sauerkraut angemeldet; beim Grafen Firmian wurden sie häufig eingeladen, am 4. Januar gab er eine Akademie, worin Wolfgang ein neues, schönes und schweres Konzert zum Spielen vorgelegt wurde. Dann unternahmen sie einen Abstecher nach Turin, wo sie eine prächtige Oper sahen, waren am 31. Januar wieder in Mailand, "die zweite Opera zu sehen", und reisten nach kurzem Aufenthalt nach Venedig, wo sie am Faschingmontag ankamen. Hier fanden sie die freundschaftlichste Aufnahme in dem Hause eines Kaufmanns Wider, eines Geschäftsfreundes von Hagenauer, dessen Sohn Johannes in dieser Familie gelebt hatte. Wenn der auch immer Gutes von ihnen spreche, so versichert L. Mozart, er könne niemals genug sagen, so redliche, dienstfertige, höfliche Menschen seien ihm wenig vorgekommen. Sie genossen mit allem Behagen die Freuden eines venezianischen Karnevals. Da sie bald bei der ganzen Nobilität eingeführt waren, standen ihnen jederzeit herrschaftliche Gondeln zu Diensten, um sich auf den Lagunen schaukeln zu lassen; eine Gesellschaft drängte die andere, jeden Abend konnten sie in der Oper oder an einem Belustigungsorte zubringen; eine Akademie, die sie gaben, fiel glänzend aus.

      Auf der Rückreise, die am 12. März angetreten wurde, hielten sie sich einen Tag in Padua auf. Sie besuchten die musikalischen Spitzen, den Franziskaner Franc. Ant. Vallotti (1697–1780), der für den ersten Orgelspieler Italiens und einen Theoretiker und Kontrapunktisten neben Padre Martini galt82, und den Komponisten und Münchner Kammermusikdirektor Giov. Ferrandini83 – Tartini war im Jahr vorher gestorben –, und Wolfgang ließ sich auch auf der trefflichen Orgel in Sta. Giustina hören. Hier wurde ihm auch der Auftrag erteilt, ein Oratorium zu schreiben, das er zu Hause

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