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wissen, was in ihrem Kopf vorgeht«, murmelte Bettina. »Kann mir das mal jemand erklären? Sie kann doch nicht ihr Leben lang hier wohnen bleiben und nichts tun außer reiten und ab und zu mal einen Stall ausmisten! Was ist denn nur los mit ihr?«

      Sie bekam keine Antwort, auch Caroline und Adalbert versuchten nicht, eine Erklärung zu finden. Ihnen war Julietta ja ebenfalls ein Rätsel – vielleicht war sie sich sogar selbst eins.

      *

      »Herr Hagedorn«, sagte die Baronin einige Tage später, »es ist möglich, dass es in der nächsten Zeit ein wenig schwierig für uns alle wird – und ganz besonders für Sie.«

      »Frau Baronin?«, fragte er höflich.

      Es fiel Sofia schwer, dieses Gespräch zu führen. Auch wenn sie zu Eberhard Hagedorn unbedingtes Vertrauen hatte, so kam es ihr doch falsch vor, ihn vor einem Gast zu warnen, den sie erwarteten. Aber sie fühlte sich verpflichtet, ihn auf das vorzubereiten, was ihnen vermutlich bevorstand. »Wir erwarten ja einen Gast«, begann sie, brach jedoch gleich wieder ab, da sie nicht wusste, wie sie fortfahren sollte. Schließlich war es nicht ihre Absicht, Julietta bloßzustellen oder sie vor dem Personal herabzusetzen.

      »Ich weiß, Frau Baronin, die junge Frau von Barrentrop«, erwiderte Eberhard Hagedorn unverändert gelassen. »Machen Sie sich bitte darüber keine Gedanken, ich bin sicher, Frau von Barrentrop wird sich hier einleben, wenn sie erst einmal einige Tage bei uns ist.«

      Sie bewunderte ihn wieder einmal für sein wunderbares Taktgefühl. Natürlich, sie musste ihm überhaupt nichts sagen, er war ohnehin immer über alles informiert. Wie er das machte, war sein Geheimnis, aber es gab niemanden auf Sternberg, der besser Bescheid wusste über das, was hier vor sich ging, als der alte Butler.

      »Ich danke Ihnen«, sagte sie leise. »Und ich hoffe sehr, dass Sie Recht behalten.«

      »Machen Sie sich bitte keine Sorgen, Frau Baronin. Dem Zauber von Sternberg hat auf Dauer noch niemand widerstehen können, das wissen Sie doch – Frau von Barrentrop wird es ebenso ergehen.«

      Als er das Zimmer verlassen hatte, dachte sie über seine Worte nach. ›Der Zauber von Sternberg‹ – wie hübsch er das gesagt hatte! Sie lächelte unwillkürlich.

      *

      »Lass uns nicht so weit weggehen, Chris«, bat Anna, als Christian und sie mit Christians Boxer Togo einen Spaziergang machten. »Ich will Juliettas Ankunft auf keinen Fall verpassen. Vielleicht benimmt sie sich ja gleich am Anfang schon daneben.«

      »Du redest wie Konny«, stellte Christian mit leicht tadelndem Unterton fest. »Ich dachte, du findest es interessant, dass sie kommt?«

      »Tu ich ja auch«, erwiderte sie leicht gekränkt.

      »Na also«, sagte er versöhnlich. »Was hast du davon, wenn sie sich daneben benimmt? Das ist doch nur unangenehm. Ich fände es viel besser, wenn sie richtig nett wäre – schließlich bleibt sie lange hier. Und sie ist ja nicht viel älter als wir.«

      »Sie ist über zwanzig«, entgegnete Anna in einem Tonfall, der besagte, dass Julietta damit zu den wirklich alten Damen gehörte. »Jedenfalls wird sie sich bestimmt nicht mit uns abgeben, du weißt doch, wie Frauen in dem Alter sind. Die denken nur an ihre Schönheit und daran, wie sie sich einen Mann angeln können.«

      »Ich hatte aber nicht den Eindruck, dass es bei Julietta auch so ist«, meinte Christian.

      Sie kamen nicht dazu, ihre Debatte fortzusetzen, denn ein Wagen kam langsam die Auffahrt herauf.

      »Das ist sie!«, stieß Anna hervor. »Das muss sie sein, Chris.«

      Togo jagte bereits davon, auf den Wagen zu. Er ließ es sich niemals nehmen, neue Gäste auf seine eigene Art zu begrüßen.

      Anna und Christian beeilten sich, ihm zu folgen. »Der Wagen ist ja total dreckig«, stellte Anna fest.

      Das hatte Christian ebenfalls schon festgestellt. Es war ein kleines rotes Auto, dem nun eine junge Frau mit langen blonden Haaren entstieg, die ihr recht wirr vom Kopf abstanden. Sie trug Jeans und ein Hemd, das ihr einige Nummern zu groß war, dazu derbe Schuhe. Sie holte einen Rucksack aus dem Kofferraum und schickte sich an, auf das Schlossportal zuzugehen, als Anna laut rief: »Julietta?«

      Die junge Frau drehte sich um. Eine Hand legte sie schützend über die Augen, um besser sehen zu können. »Ach, ihr seid das«, sagte sie. »Anna und Konny, oder? Es muss mindestens zehn Jahre her sein, dass ich zum letzten Mal hier war.«

      »Ich bin Christian, nicht Konny«, stellte der kleine Fürst klar. »Willkommen auf Schloss Sternberg, Julietta.«

      »Bist du immer so förmlich? Hallo, ihr beiden.«

      »Hallo«, erwiderte Anna. »Chris war nicht förmlich, nur höflich.«

      »Und was soll das heißen? Dass ich unhöflich war? Du liebe Güte, das fängt ja gut an hier. Das ist ja fast noch schlimmer als bei uns zu Hause!« Julietta hätte wohl noch mehr gesagt, wenn nicht das Eingangsportal von innen geöffnet worden und Eberhard Hagedorn erschienen wäre. »Willkommen auf Schloss Sternberg, Frau von Barrentrop«, sagte er höflich, woraufhin Julietta entnervt ausrief: »Geht das jetzt so weiter? Muss ich mir diesen Satz von jedem Menschen anhören, dem ich begegne?«

      »Ich fürchte, gnädige Frau, ich verstehe nicht, was Sie meinen«, erwiderte Eberhard Hagedorn.

      »Ich habe Julietta auch schon willkommen geheißen, Herr Hagedorn«, erklärte Christian.

      »Dann entschuldigen Sie die Wiederholung«, bat der Butler, noch immer formvollendet höflich. »Darf ich Ihnen Ihr Gepäck abnehmen?«

      »Das kann ich allein tragen oder sehe ich so schwach aus, dass Sie denken, ich würde unter der Last zusammenbrechen?«

      Anna und Christian wechselten einen kurzen Blick. Diese Kostprobe genügte bereits, um ihnen einen Vorgeschmack auf das Kommende zu geben.

      Eberhard Hagedorn ließ sich auch jetzt nicht aus der Fassung bringen. Er bat Julietta einzutreten und geleitete sie in den Salon, in dem die Baronin auf das Eintreffen des Gastes wartete.

      »Julietta, wie schön, dich zu sehen«, sagte Sofia lächelnd. »Bitte, setz dich zu mir und trink eine Tasse Tee mit mir. Und ihr«, wandte sie sich an Anna und Christian, die dem Gast gefolgt waren, »könnt euch später mit Julietta unterhalten, ich wäre jetzt gern mit ihr allein.« Mit langen Gesichtern traten die beiden den Rückzug an – so hatten sie sich das nicht vorgestellt.

      »Kaffee wäre mir lieber«, erklärte Julietta ungeniert und ließ sich in einen Sessel fallen, der der Baronin gegenüber stand. Sie streckte die Beine lang aus und rutschte nach unten.

      »Wenn du liegen möchtest«, sagte Sofia kühl, »solltest du das Sofa wählen.«

      Julietta sah sie verständnislos an, ohne ihre Position zu verändern, so dass Sofia sich genötigt sah, deutlicher zu werden.

      »Würdest du dich bitte hinsetzen?«, fragte sie. »Ich bin es nicht gewöhnt, dass jemand vor mir liegt, während ich mich mit ihm unterhalte.«

      Julietta wurde tatsächlich rot, während sie sich nach oben schob. »Tut mir leid«, murmelte sie.

      Sofia machte Eberhard Hagedorn, der an der Tür gewartet hatte, ein Zeichen und bat ihn, dem Gast Kaffee zu servieren, dann wandte sie sich wieder Julietta zu. »Du wirst hier ein Praktikum als Pferdepflegerin machen, gleichzeitig aber auch unser Gast sein, Julietta«, sagte sie ruhig. »Ich erwarte von dir, dass du dich an die Sitten in unserem Hause anpasst. Das ist eine Frage der Höflichkeit und des Respekts.«

      Wieder wurde Julietta rot. Sofia sah ihr an, dass sie eine heftige Erwiderung auf der Zunge hatte, die sie jedoch hinunterschluckte. Gleich darauf servierte Eberhard Hagedorn den Kaffee. Als er sich zurückgezogen hatte, sagte Julietta: »Ihr habt mich alle jetzt schon verurteilt, stimmt’s?«

      »Verurteilt?«, fragte Sofia. »Wieso sollten wir? Wir kennen dich doch gar nicht, Julietta.«

      »Aber du hast gleich

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