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was wir euch jetzt erzählt haben. Sie wird ein Praktikum als Pferdepflegerin machen.«

      »Na, die wird sich umgucken, wenn sie mit Herrn Wenger zu tun hat«, kicherte die dreizehnjährige Anna. »Hoffentlich denkt sie nicht, sie könnte machen, was sie will.«

      »Das wird er ihr ziemlich schnell austreiben«, vermutete die Baronin.

      »Und dann wird sie ziemlich schnell wieder von hier verschwinden«, setzte Christian hinzu. »Wenn sie bisher immer nur gemacht hat, was sie wollte, warum sollte sie sich dann bei uns anders verhalten?«

      »Das ist die Frage«, erklärte der Baron. »Es wäre jedenfalls schön, wenn wir den Barrentrops helfen könnten bei diesem Problem – und solltet ihr dazu beitragen, wären wir euch dankbar.«

      »Wenn sie blöd ist, will ich aber nichts mit ihr zu tun haben«, murrte Konrad.

      »Sie ist nicht blöd, Konny!«, wies die Baronin ihren Sohn zurecht. »Sie ist wild und ungebärdig, hat wohl auch keine guten Manieren – aber ich denke, das übersehen wir zunächst einfach. Jeder Mensch hat eine Chance verdient, oder nicht?«

      »Na, sie hatte aber bisher doch schon einige Chancen, oder nicht? Immerhin ist sie schon einundzwanzig«, entgegnete Konrad.

      Der Baron kürzte die Diskussion mit der Feststellung ab: »Wenn ihre Eltern sie dazu bringen, dieses Praktikum anzutreten, wird sie kommen, und wir werden uns ein Bild von ihr machen. Bis dahin können wir nur Vermutungen anstellen. Ich schlage vor, dass wir auf den Tag ihres Eintreffens warten.«

      »Ich finde das interessant«, verkündete Anna, die selten einer Meinung mit ihrem Bruder war.

      Christian, ihr Cousin, schlug sich, wie so oft, auf ihre Seite. »Ich auch«, sagte er. »Vielleicht ist sie sogar ganz nett.«

      Konrad warf ihnen einen verächtlichen Blick zu. Christian war ein Jahr jünger als er, Anna drei – für ihn waren sie noch Kinder, während er sich selbst eigentlich schon für erwachsen hielt. »Dann könnt ihr euch ja mit ihr anfreunden, wenn ihr wollt«, stellte er fest, »aber ohne mich, das sage ich euch gleich. Wo wohnt sie denn überhaupt?«

      »In einer unserer Suiten, denn auch wenn sie in den Ställen arbeitet, bleibt sie unser Gast«, erklärte die Baronin.

      »Das heißt, sie isst immer mit uns?«, fragte Konrad entsetzt. »Wir werden nie mehr unter uns sein? Das ist nicht euer Ernst, oder?«

      Sofia und Friedrich wechselten einen kurzen Blick. Das war in der Tat ein Problem, über das sie bisher noch nicht nachgedacht hatten. Zwar weilten häufig Besucher auf Schloss Sternberg, doch blieben sie selten länger als einige Tage. In diesem Fall freilich musste man mit Monaten rechnen, falls sich Julietta einigermaßen einfügte. Das konnte sich durchaus zu einer Belastung für das Familienleben auswachsen.

      »Wartet doch erst einmal ab«, ließ sich jetzt Christian vernehmen. »Vielleicht ist sie nach ein paar Tagen wieder weg, dann haben wir uns umsonst Gedanken gemacht.«

      »Und wenn nicht?«, fragte Konrad. »Dann müssen wir jedes Mal, wenn wir ohne sie reden wollen, extra einen Termin für ein Gespräch ausmachen. Das ist eine schwachsinnige Idee!« Er funkelte seine Eltern zornig an.

      »Ganz Unrecht hast du nicht, Konny«, gab die Baronin zu, »aber ich bin Christians Ansicht: Wir warten ab. Vielleicht entwickelt sich Juliettas Aufenthalt bei uns anders, als wir es uns jetzt ausmalen.«

      Doch Konrad ließ sich nicht besänftigen, er murrte weiter vor sich hin, bis der Baron energisch ein anderes Thema anschnitt, das schließlich auch seinen Sohn ablenkte. Eins aber stand nach diesem Gespräch bereits fest: Einfach würde die nächste Zeit auf keinen Fall werden.

      *

      »Das mache ich nicht!«, erklärte Julietta rundheraus. »Ich lasse mich doch nicht einfach verschicken wie ein Stück Vieh. Ich bleibe hier.«

      »Ganz sicher nicht«, erklärte Caroline sanft, aber unnachgiebig. »Wir haben dir oft genug gesagt, dass du hier nicht ewig herumlungern kannst, ohne zu arbeiten oder eine Ausbildung zu machen, Julietta.«

      »Ich arbeite!«, erklärte die junge Frau zornig, wobei sie ihre langen blonden Haare mit einer ungestümen Kopfbewegung nach hinten warf. »Ich bewege die Pferde – oder etwa nicht?«

      »Ja, aber nur, soweit es dir Spaß macht. Sobald du ernsthaft mit einem Pferd arbeiten sollst, findest du Ausreden, weil es dir zu anstrengend ist. Du musst etwas lernen, Julietta.«

      »Ich weiß, wie man mit Pferden umgeht, mehr muss ich nicht lernen, ich könnte überall arbeiten.«

      »Gut«, sagte Adalbert mit gefährlich ruhiger Stimme, »dann packst du noch heute deine Sachen und suchst dir irgendwo eine Arbeit. Nimm dir dann dort eine Wohnung und sieh zu, wie du zurecht kommst. Das wird dir dann ja keine Probleme bereiten.«

      Julietta starrte ihren Vater an. »Ihr wollt mich rauswerfen?«, fragte sie ungläubig.

      »Deine Mutter und ich sehnen uns nach einem ruhigen Leben, nachdem wir vier Kinder großgezogen haben«, erklärte Adalbert. »Über dich ärgern wir uns Tag für Tag, wie du weißt, und wir möchten dich einfach nicht länger um uns haben, Julietta. Deine Geschwister haben das Haus längst verlassen, nur du bist noch hier. Unser letztes Angebot, das du annehmen oder ablehnen kannst, ist dieses Praktikum auf Sternberg. Gehst du darauf nicht ein, wirst du deine Sachen packen und ab sofort selbstständig an einem Ort deiner Wahl leben.«

      »Ich glaube es einfach nicht!«, sagte Julietta mit heiserer Stimme. »Ihr seid meine Eltern, und ihr tut mir so etwas an?«

      »Wir tun dir gar nichts an«, entgegnete Caroline, die merkte, dass die Nerven ihres Mannes bereits wieder zum Zerreißen gespannt waren. »Du tust uns etwas an, Julietta. Wie dein Vater schon sagte: Wir sehnen uns nach Ruhe. Die werden wir nicht finden, so lange du mit uns unter einem Dach wohnst. Es ist aber nicht nur in unserem, sondern auch in deinem Interesse, dass du endlich etwas mit deinem Leben anfängst.«

      »Was redet ihr denn?«, rief Julietta aufgebracht. »Mein Leben ist vollkommen in Ordnung, ich fühle mich wohl hier, ich will hier bleiben!«

      »Das mag sein, aber wir wollen dich hier nicht mehr haben«, erwiderte ihre Mutter.

      Ganz plötzlich füllten sich Juliettas Augen mit Tränen des Zorns. »Das wird euch noch leid tun!«, flüsterte sie. »Ihr jagt eure eigene Tochter weg, das werdet ihr bereuen.«

      »Wir jagen dich nicht weg, wir bieten dir ein Praktikum auf Sternberg an, das über die größte Pferdezucht weit und breit verfügt. Wir haben dir oft genug gesagt, dass du nicht für immer hier bleiben kannst. Seit deinem Abitur sind zwei Jahre vergangen, in denen du nichts gelernt, nichts getan hast, außer zu reiten, wenn du Lust dazu hattest. Das reicht nicht, Julietta. Es reicht ganz und gar nicht«, erklärte Adalbert. »Denk in Ruhe über unser Angebot nach, bevor du es ausschlägst, und dann sag uns morgen, wie deine Entscheidung lautet. Solltest du das Angebot nicht annehmen, wirst du innerhalb einer Woche ausziehen. Das ist mein letztes Wort.«

      »Und meins auch«, setzte Caroline hinzu. Gemeinsam mit ihrem Mann verließ sie den Raum. Sie zitterte am ganzen Leib, es war ihr schwer gefallen, Julietta gegenüber hart zu bleiben, aber sie war froh, es geschafft zu haben. Wenn ihre Jüngste den richtigen Weg von allein nicht fand, musste sie eben dazu gezwungen werden.

      Julietta aber schäumte vor Wut. Sie fühlte sich nicht nur erpresst, sondern auch ungerecht behandelt, und sie konnte ihr eigenes Leben wahrhaftig nicht so sehen wie ihre Eltern es taten. Alles war doch in bester Ordnung! Was wollten sie denn nur von ihr – dass sie sich anpasste und tat, was alle taten? Sie selbst fühlte sich als Rebellin, und sie würde sich nicht unterjochen lassen, auf keinen Fall!

      »Auf keinen Fall!«, murmelte sie, aber es gelang ihr nicht, die Furcht, die sich in ihr ausbreitete, unter Kontrolle zu bekommen. Ihre Eltern hatten durchaus den Eindruck gemacht, als sei es ihnen ernst gewesen mit ihren Ankündigungen. Wenn sie tatsächlich darauf bestanden, dass sie auszog …

      Wilde Angst schnürte ihr plötzlich die Kehle zusammen. Sie wollte

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