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hatte sie es immer eilig, die Küchenarbeit zu erledigen, aber nun machte es ihr direkt Spaß, den traditionellen Heringssalat vorzubereiten. Jede Menge Plätzchen hatte sie mit den Kindern schon am vergangenen Wochenende gebacken, und der Mandelkuchen im Backofen duftete verführerisch.

      Als das Telefon klingelte, unterbrach Silvia nur ungern ihre Tätigkeit. Sie wusch sich schließlich die Hände und nahm ab.

      »Hallo, ich bin’s!«

      »Hallo, Robert. Was gibt es?« fragte Silvia kühl und stellte erleichtert fest, daß ihr Herz nicht mehr so schnell klopfte, wenn sie seine Stimme vernahm.

      »Was hast du mit den Kindern gemacht?«

      »Ich verstehe nicht…«

      »Du brauchst gar nicht zu leugnen, Silvia. Als sie am vergangenen Sonntag bei mir waren, fand ich sie sehr zurückhaltend. Hast du ihnen Lügen über mich erzählt?« Roberts Stimme klang wütend.

      Silvia lachte auf. »Warum hast du sie nicht gefragt?«

      »Habe ich ja, doch sie waren richtig verstockt.«

      »Möglicherweise liegt es daran, daß sie dich mit einer deiner Flammen gesehen haben.«

      »Blödsinn!«

      »So, meinst du? Mir haben sie jedenfalls genau geschildert, daß sie dich mit deiner neuen Freundin in der Stadt gesehen haben. Ich mußte Alex regelrecht überreden, mit dir zu gehen. Es tut mir leid, Robert, aber ich habe mein Bestes getan, damit du nicht wie ein Bösewicht dastehst. Aber die Kinder sind nicht dumm und können eins und eins zusammenzählen.«

      Einen Moment blieb es still in der Leitung, es schien, als würde Robert ernsthaft über Silvias Worte nachdenken. Unvermittelt fragte er plötzlich: »Was macht ihr morgen abend?«

      »Wir werden schön essen und dann unter dem Weihnachtsbaum unsere Geschenke auspacken – wie jedes Jahr.«

      »Vielleicht ist es eine gute Idee, wenn ich dabei bin?«

      Silvia erschrak. Nein, sie wollte nicht, daß Robert wieder Unruhe stiftete.

      »Ich halte das für keine gute Idee. Es reicht, wenn du die Kinder an einem der Feiertage zu dir holst. Und jetzt entschuldige mich bitte, mein Kuchen ist gleich fertig.« Ohne ein weiteres Wort legte Silvia auf.

      Kopfschüttelnd blieb sie noch ein paar Sekunden neben dem Telefon stehen. Was hatte das denn eben zu bedeuten? Entweder hatte Roberts Freundin etwas anderes vor, oder er wollte den Kindern beweisen, welch guter Vater er war.

      Ansonsten hätte Silvia nichts dagegen einzuwenden gehabt, daß Robert den Heiligen Abend mit seiner Familie verbrachte – doch Jana und Alex waren momentan nicht besonders gut auf ihren Vater zu sprechen.

      Nachdenklich ging Silvia in die Küche zurück. Der Mandelkuchen war tatsächlich fertig und duftete herrlich. Zum Abkühlen stellte ihn Silvia auf den Eßtisch im Wohnzimmer.

      Sie lächelte. Ab morgen würde man nicht mehr so leichtsinnig Eßwaren offen stehenlassen können, denn Silvia wollte den Kindern einen langersehnten Wunsch erfüllen: Pünktlich zur Bescherung würde es klingeln und von einem Mitarbeiter der Tierhandlung ein junger Bernhardiner gebracht werden.

      Robert hatte nie Tiere im Haus geduldet, er hatte immer behauptet, daß sie nur Schmutz und Lärm machten. Nun brauchte niemand mehr auf den ehemaligen Hausherrn Rücksicht nehmen – und zum ersten Mal seit der Trennung fühlte sich Silvia wohl in ihrer Haut.

      Die Kinder würden Augen machen, wenn sie den Hund sahen; von dem Angebot Roberts sollten sie jedoch nichts erfahren, entschied Silvia.

      Es war noch etwas Zeit, bis die Kinder vom Basteln bei den Nachbarskindern zurückkommen würden, und Silvia ging in ihr Schlafzimmer, wo sie die Geschenke versteckt hatte. Es hatte einen Riesenspaß gemacht, die Geschäfte nach den Sachen zu durchstöbern, von denen sie glaubte, daß sie die Kinder glücklich machen würden. Bisher hatte Robert immer entschieden, was die Kinder zu Weihnachten und den Geburtstagen bekamen – das war ihr eigentlich nie aufgefallen!

      »Mami, wo steckst du?« Das war eindeutig Alex’ helles Stimmchen.

      »Ich bin hier oben!« Silvia verschloß die Schlafzimmertür und ging hinunter, wo sich die Kinder gerade von ihren dicken Jacken und Stiefeln befreiten.

      »Hattet ihr einen schönen Nachmittag?« fragte sie und strich Alex eine vorwitzige Strähne aus der Stirn.

      »Hm, wir haben eine Krippe aus Ton und einen Weihnachtsstern für den Baum gebastelt«, erwiderte der Kleine stolz.

      Die Mutter der Nachbarskinder Sascha und Tina war eine ehemalige Handarbeitslehrerin, die die schönsten Bastelvorschläge hatte und die die Kinder begeistert nacharbeiteten. Daß Frau Bunge Janas etwas schiefen Topflappen geschickt korrigiert hatte, brauchte Silvia ja nicht unbedingt zu erfahren.

      »Wie wäre es mit einer Kostprobe frisch gebackenen Mandelkuchens?« fragte Silvia schließlich.

      Bei dem anschließenden Jubelschrei hielt sie sich lachend die Ohren zu.

      *

      Das Weihnachtsfest verlief so harmonisch, wie Silvia gehofft hatte. Robert rief gegen Abend an, um den Kindern zu sagen, daß er am nächsten Tag mit ihnen ein Weihnachtsmärchen im Theater besuchen und natürlich seine Geschenke abliefern wollte.

      Silvia wußte nicht, ob er damit rechnete, daß die Kinder ihn bitten würden, schon am Heiligen Abend zu kommen. Sie taten es nicht, worüber Silvia sehr erleichtert war.

      Während Jana nicht mehr ganz so distanziert mit Robert sprach, wechselte Alex nur wenige Worte mit ihm. Vermissen schienen ihn alle beide jedenfalls nicht besonders.

      Die Augen der Kinder wurden immer größer, als der junge Bernhardinerrüde pünktlich gebracht wurde. Auf tapsigen Pfoten kam der Hund schwanzwedelnd sofort auf die beiden Kinder zu, die ihr Glück gar nicht fassen konnten.

      Bewegt sah Silvia zu, wie das Hundebaby jaulend abwechselnd an seinem neuen Herrchen und Frauchen hochsprang. Jana faßte sich als erstes: »Mami, ist das jetzt unser Hund?«

      Silvia nickte mit Tränen der Rührung in den Augen. Es war schon lange her, daß die Kinder so glücklich um die Wette gestrahlt hatten.

      »Ja, das ist jetzt euer Hund. Er heißt übrigens Tobias von Waldhof.«

      »Wie?« fragte Alex staunend.

      »Nun, euer Hund hat einen hervorragenden Stammbaum, daher der lange Name. Aber ich glaube, er wird auch auf euch hören, wenn ihr ihn Tobi nennt.«

      Als ob er seinen Namen bereits verstünde, lief Tobi zu Silvia und sprang auch sie an.

      »Du bist aber ein ganz Lieber«, lobte Silvia und tätschelte den weichen Hundekopf.

      »Tobi«, lockte Alex, »komm mal her. Ich bin jetzt dein Herrchen und das ist dein Frauchen. Und unsere Mama ist deine Oma.«

      »Wie bitte?« Lachend stemmte Silvia die Fäuste in die Hüften. »Das mit der Oma vergessen wir aber ganz schnell wieder!«

      Kichernd nahmen die Kinder den Hund in ihre Mitte und gingen mit ihm ins Wohnzimmer, wo unter dem festlich geschmückten Weihnachtsbaum noch jede Menge liebevoll verpackter Geschenke lagen.

      *

      Am Mittag des letzten Tages im Jahr rief Gudrun Schäfer an. Sie und ihr Mann Horst betrieben ebenfalls ein gut florierendes Immobilien-Büro. Es war übrigens das erste Mal, daß sich jemand aus dem Bekanntenkreis bei Silvia meldete.

      »Wie geht es dir?« fragte Gudrun in ihrer lockeren Art. »Die Feiertage gut überstanden?«

      »Ja, danke«, gab Silvia leicht verwundert zurück. »Was verschafft mir die Ehre deines Anrufes?«

      »Eigentlich wollte ich dich nur fragen, ob du Lust hast, heute abend unser Gast zu sein. Wir wollen nicht großartig feiern, nur eine kleine Runde wird anwesend sein. Du weißt doch, wie nett unsere kleinen Parties immer sind.«

      O

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