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ja, über Klientenmangel kann ich wirklich nicht klagen. In Ihrer Kanzlei ist es bestimmt nicht anders.«

      »Nein, zum Glück. Jetzt, wo ich für meine Kinder allein sorge, kann ich jeden Pfennig gebrauchen.«

      »Sie schaffen es schon, da bin ich sicher.« Sonja Koch gab Silvia zum Abschied die Hand. »Ich rufe Sie an, wenn ich vom Anwalt Ihres Mannes etwas höre. Und frohe Weihnachten.«

      »Ebenfalls.«

      Als Silvia wieder in ihrem Auto saß, dachte sie an das bevorstehende Weihnachtsfest – das erste Mal würde Robert fehlen. Auch wenn Silvia langsam ihren Kummer verarbeiten konnte, war ihr nicht wohl bei dem Gedanken, daß die Kinder ihren Vater am Weihnachtstag sehr vermissen würden.

      *

      »Glaubst du, daß Mama die Topflappen gefallen werden?« fragte Jana ihren Bruder und hielt eines der etwas unförmigen Häkelteile hoch. Gerade erst hatte sie in der Schule häkeln gelernt und wollte die Mutter zu Weihnachten mit ihrem ersten eigenen Werk überraschen.

      Alex sah skeptisch auf den Topflappen. »Sieht eher aus wie ein Putzlappen.«

      »Du bist gemein, Alex!« rief Jana empört. »Dabei kannst du überhaupt nicht häkeln.«

      »Du auch nicht«, gab Alex zurück und streckte seiner Schwester frech die Zunge heraus. »Ich habe für Mama ein Bild gemalt, das ist tausendmal schöner als deine Lappen.«

      »Ich wette mit dir, daß Mama beide Geschenke gleich schön findet.«

      »Wann wollen wir eigentlich in die Stadt, um noch ein kleines Geschenk für sie zu kaufen?«

      »Wenn wir genügend Taschengeld gespart haben«, gab Jana zurück und widmete sich wieder ihrer Häkelarbeit.

      »Ich habe schon zehn Mark gespart«, sagte Alex stolz. »Wieviel Geld hast du?«

      »Hm, mit den fünf Mark von Papa sind es siebzehn Mark.« Sie rechnete mit gerunzelter Stirn noch einmal nach.

      »Dann haben wir siebenundzwanzig Mark!« rief Alex, der für sein Alter schon sehr gut rechnen konnte.

      »Genau, aber davon müssen wir für Papa auch noch etwas kaufen.«

      Alex dachte laut nach: »Wie wäre es mit Rasierwasser?«

      »Gute Idee. Und für Mama kaufen wir ein Parfüm.«

      »Ob uns Papa Heilig Abend besucht?« Alex blickte abwartend zu Jana hinüber, die mit überkreuzten Beinen auf ihrem Bett saß. »Dann könnten wir ihm gleich unser Geschenk geben.«

      Jana erwiderte nach ein paar Sekunden: »Ich weiß nicht, vielleicht kommt er an einem der Weihnachtstage und holt uns in seine neue Wohnung.«

      »Papas neue Wohnung ist spitze!« gab Alex begeistert zurück. Dabei faszinierte ihn am meisten der gläserne Lift an der Außenseite des supermodernen Wohnhauses.

      Jana antwortete nicht. Sie fragte sich wieder einmal, ob sie sich nur einbildete, daß ihr Vater sich eindeutig mehr mit Alex beschäftigte als mit ihr, wenn sie mit ihm zusammen waren. Früher, als er noch bei seiner Frau lebte, war Jana nie aufgefallen, daß der kleine Bruder vorgezogen wurde. Aber vielleicht bildete sie sich das auch nur ein?

      »Wollen wir nicht noch heute in die Stadt fahren?« drängte Alex, den es offensichtlich langweilte, seiner Schwester dabei zuzusehen, wie sie mit Haken und Wolle eine Schlaufe nach der anderen zog. »Deinen komischen Lappen kannst du doch immer noch weiternähen.«

      »Häkeln«, verbesserte Jana und legte ihr Handarbeitszeug endlich zur Seite. »Meinetwegen fahren wir heute, du Nervensäge. Ich muß nur noch mein Häkelzeug verstecken, damit Mama es nicht findet.«

      »Und dann müssen wir noch einen Zettel schreiben, daß wir in der Stadt sind. Damit sich Mama keine Sorgen macht, wenn sie früher als wir zu Hause ist.«

      »Stimmt, aber besser ist es, wenn wir sie im Büro anrufen.« Jana sprang von ihrem Bett. »Ich erledige das, während du deinen dicken Pullover anziehst.«

      »Ich habe doch schon einen an«, sagte Alex.

      »Ja, aber draußen ist es bitterkalt. Also zieh deinen Norwegerpullover über.«

      »Immer mußt du über mich bestimmen«, maulte Alex, verzog sich aber trotzdem in sein Zimmer, um sich umzuziehen.

      Jana rief in der Kanzlei an und sagte Frau Böttcher, daß sie und ihr Bruder in die Stadt fahren wollten, um Weihnachtsgeschenke zu besorgen.

      »Na, dann viel Spaß, ihr beiden«, sagte Verena Böttcher freundlich. »Ich richte es eurer Mutter aus.«

      Als die Kinder aus dem Haus gingen, wurde es schon fast dunkel. Zum Glück war die Bushaltestelle nicht weit entfernt, und es gab ein Häuschen, in dem man sich vor dem eiskalten Wind schützen konnte.

      Alex zitterte schon nach kurzem vor Kälte, und Jana sagte fast schadenfroh: »Und du wolltest noch nicht einmal deinen dicken Pullover anziehen.«

      »Hast ja recht.« Alex trat von einem Fuß auf den anderen. »Sieh mal, da kommt der Bus!«

      Die Geschäfte der Innenstadt waren festlich geschmückt, und es wimmelte nur so von Menschen. Jana hatte Mühe, Alex nicht in der Menge zu verlieren, denn der blieb an jeder Auslage mit glänzenden Augen stehen, selbst wenn es sich um Geschirr oder Bohrmaschinen handelte.

      »Jetzt komm endlich!« mahnte Jana und zog ihren Bruder ungeduldig am Jackenärmel. »Wenn wir die Geschenke gekauft haben, können wir noch ein bißchen bummeln.«

      »Au ja! Ich habe gehört, daß es ein neues Computerspiel gibt, das möchte ich gern mal in der Spielwarenabteilung ausprobieren.«

      Jana stöhnte und verdrehte die Augen. »Also gut, aber zuerst gehen wir in die Parfümabteilung.«

      Schnell hatten die Kinder das Passende für die Eltern gefunden, und Alex durfte endlich in die heißgeliebte Spielwarenabteilung. Sie atmete erleichtert auf, als der Kleine nach einer Weile meinte: »So, jetzt können wir nach Hause fahren.«

      Sie drängten sich durch die Menschenmassen zum Ausgang des Kaufhauses. Auf dem Gehweg schrie Alex plötzlich: »Sieh mal, da hinten ist Papi.«

      »Wo?«

      »Na, da auf der anderen Straßenseite.«

      Nun sah ihn auch Jana. Robert stand vor dem Schaufenster eines eleganten Juweliergeschäftes. Alex wollte gerade die Straße überqueren, als Jana ihn zurückhielt.

      »Spinnst du? Siehst du nicht die Autos? Um ein Haar wärst du überfahren worden. Warte jetzt, bis kein Auto kommt.«

      Alex sah zur anderen Straßenseite hinüber. »Wo ist Papa denn jetzt hin?«

      Auch Jana sah sich suchend um. »Vielleicht ist er in den Laden da gegangen?«

      »Na gut, dann sehen wir mal nach. Komm, jetzt ist die Straße frei.«

      Tatsächlich stand Robert in dem Geschäft und ließ sich von der Verkäuferin ein paar Brillantringe zeigen. Die Kinder drückten sich an der Schaufensterscheibe die Nasen platt, um nichts zu versäumen.

      »Für wen will Papa denn einen Ring kaufen?« fragte Alex verständnislos.

      »Woher soll ich das wissen?« gab Jana ärgerlich zurück.

      Plötzlich erhellte sich Alex’ Gesicht. »Vielleicht für Mama. Dann versöhnen sie sich wieder und lassen sich nicht scheiden.«

      Jana blickte nachdenklich durch das Schaufenster. »Meinst du? Das wäre natürlich super.«

      Inzwischen hatte sich Robert für einen der kostbar glitzernden Ringe entschieden und ließ ihn sich in Geschenkpapier einpacken.

      »Auf alle Fälle ist der Ring ein Geschenk«, sagte Alex leise.

      »Natürlich, du Blödi. Dachtest du etwa, Papa kauft für sich selber so einen Ring?«

      »Ich

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