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Zu Hause die Frau, die sich um Kinder und Haus kümmert, und…«

      »Du mußt gerade reden!« fuhr Robert dazwischen. »Was du mir gestern abend gesagt hast, war der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte!« Wütend warf er die Hosen in den Koffer.

      Silvia drehte sich um und verließ das Zimmer. Sie wußte, es hatte keinen Zweck, mit Robert zu reden. Das würde nur zu einem weiteren Streit ausarten – und dazu hatte sie keine Kraft mehr.

      Sie wartete, bis er mit dem schweren Koffer zurück ins Erdgeschoß kam. Dann fragte sie: »Was ist mit den Kindern?«

      »Du bekommst das Sorgerecht, und ich zahle, was nötig sein wird. Über das Haus müssen wir uns noch unterhalten.«

      »Das meinte ich nicht! Sie werden nach dir fragen. Willst du zu ihnen etwa auch den Kontakt abbrechen?«

      »Natürlich nicht. Ich werde heute abend anrufen und mit ihnen reden. Am Wochenende hole ich sie, und wir unternehmen etwas. Bist du jetzt zufrieden?«

      »Wie sollte ich zufrieden sein, wo du Jana und Alex dies alles antust?« fragte sie verzweifelt.

      »Tja, daran ist nichts mehr zu ändern. Wie haben es die beiden aufgenommen?«

      »Jana war sehr vernünftig, und Alex weiß es noch gar nicht.«

      »Wie? Du hast es meinem Sohn vorenthalten, daß wir uns trennen?«

      »Ich habe es heute morgen noch nichts übers Herz gebracht; er hängt besonders an dir.«

      »Kein Wunder!«

      Silvia überging die Anspielung. »Jana ist heute nacht von dem Lärm aufgewacht. Sie hat sofort begriffen, daß es zu Ende ist.«

      »Ich denke, ihr werdet es überstehen«, gab er zurück und hatte schon den Griff der Haustür in der Hand.

      »Wie kannst du nur so herzlos reden?« rief Silvia aufgebracht.

      »Reg dich nicht schon wieder auf. Was ändert sich denn großartig, wenn ich nicht mehr hier lebe? Vorher war ich doch auch höchstens mal am Wochenende für die Kinder da – das will ich auch weiterhin. Ihr lebt in einem schönen Haus und müßt keinen Hunger leiden, ich denke, es gibt Schlimmeres.«

      Mit diesen Worten verließ Robert Kirstein das Haus, ohne sich noch einmal umzudrehen.

      Wütend blickte Silvia auf die geschlossene Tür. Robert hatte ganz recht mit seiner Behauptung, daß es ihnen finanziell nie an etwas mangeln würde – aber gab es nicht auch noch etwas anderes, was die Kinder vermissen würden? Nämlich einen Vater! Es gab sehr wohl einen Unterschied, ob er bei seiner Familie wohnte oder die Kinder am Wochenende für ein paar Stunden zu sich holte.

      *

      Silvia versuchte sich mit aller Kraft auf die Gerichtsverhandlung zu konzentrieren; schließlich erwartete ihr Klient nichts anderes von ihr. Es ging um einen Verkehrsunfall, und in diesem Prozeß sollte geklärt werden, ob Silvias Klient schuld daran war oder nicht.

      Schließlich wurde ein wichtiger Zeuge aufgerufen. Der jedoch war nicht erschienen, und so wurde die Verhandlung auf einen späteren Zeitpunkt vertagt.

      Silvia hatte große Mühe, sich ihre Erleichterung nicht anmerken zu lassen.

      »Es wird schon alles gutgehen, Herr Meisner«, sagte sie zu ihrem Klienten vor dem Gerichtsgebäude.

      »Und wenn er jetzt ganz kneift?« fragte Herr Meisner verzweifelt. »Dann bekomme ich eine Strafe für etwas, an dem ich keine Schuld habe.«

      »Darüber brauchen Sie sich nicht den Kopf zerbrechen. Der Zeuge wurde vorgeladen, und wenn er beim nächsten Mal nicht erscheint, macht er sich selber strafbar.«

      Herr Meisner atmete hörbar auf und reichte Silvia die Hand. »Dann danke ich Ihnen erst einmal.«

      »Ich werde Sie rechtzeitig informieren, wenn der Prozeß fortgeführt wird. Aber Sie werden auch vom Gericht Bescheid bekommen.«

      Nachdem Herr Meisner beruhigt gegangen war, schlenderte Silvia langsam zu ihrem Wagen zurück. Achtlos warf sie ihren Talar auf die Rückbank und nahm ihr Handy, um in der Kanzlei anzurufen.

      »Hat jemand Wichtiges angerufen, Frau Böttcher?« fragte sie, nachdem die Sekretärin abgenommen hatte.

      »Nein, nur das Übliche. Ist die Verhandlung denn schon vorüber?«

      »Sie wurde wegen des Fehlens eines Zeugen vertagt. Wann ist denn der erste Termin heute nachmittag?«

      »Um halb vier, Frau Kirstein. Soll ich ihn verlegen?«

      »Nein, nein. Ich werde pünktlich in der Kanzlei sein. Bis dann.«

      Ratlos blickte Silvia durch die Windschutzscheibe, bevor sie den Motor anstellte. Es war noch lange Zeit, bis Alex von der Schule kam. Was sollte sie mit dem Rest des Vormittages nur anfangen?

      Einkaufen war sie erst einen Tag zuvor, und ansonsten gab es auch nichts zu besorgen, das Silvia die Zeit vertreiben könnte. Es graute ihr, in das stille Haus zurückzufahren, das Robert vor knapp zwei Stunden für immer verlassen hatte.

      Dann fuhr Silvia los; ziellos durchquerte sie die Straßen und stand schließlich doch vor ihrem Haus in der eleganten Neubausiedlung.

      »Guten Tag, Frau Kirstein!« rief vom Nachbargrundstück der pensionierte Zahnarzt Dr. Räber. »Schon Feierabend?«

      »Nein, nur ein geplatzter Gerichtstermin!« rief sie zurück und gab ihrer Stimme einen leichten Ton.

      »Ach, sagen Sie Ihrem Mann doch bei Gelegenheit, daß ich ein Häuschen im Süden suche, ja? Vielleicht hat er ja etwas Passendes anzubieten.«

      »Ich werde es ihm ausrichten, Herr Doktor.« Sie hob die Hand zum Gruß, bevor sie im Haus verschwand.

      Noch wußte niemand in der Nachbarschaft von der Trennung – doch das würde sich schnell ändern. Ob es ihrem Ruf als Anwältin schadete, wenn sie geschieden war?

      Kopfschüttelnd zog sich Silvia Mantel und Stiefel aus. Darüber brauchte sie sich wohl im Moment keine Gedanken zu machen, viel wichtiger war, sich genau zu überlegen, was sie Alex sagen wollte, wenn er aus der Schule kam.

      Silvia sah flüchtig die Post durch. Die Mehrheit davon war für Robert bestimmt, und sie warf die Briefe achtlos auf die Ablage zurück.

      In der Küche stellte Silvia das Radio an und setzte die Kaffeemaschine in Gang. Dann stellte sie sich ans Fenster und sah in das trübe Spätherbstlicht hinaus.

      Wie würde Alex die Neuigkeit aufnehmen? Der sensible Junge konnte einen seelischen Schaden erleiden, wenn Silvia zu unvorsichtig war. Daß er so vernünftig wie Jana reagieren würde – damit war nicht zu rechnen.

      Silvia betete im stillen, daß er nicht ihr die ganze Schuld an der Trennung in die Schuhe schob.

      In diesem Moment sah Silvia ihren kleinen Sohn in seinem knallroten Anorak um die Ecke biegen und schaute verwundert zur Uhr. Richtig, Alex hatte gestern davon gesprochen, daß eine der Lehrerinnen krank war und deshalb einige Schulstunden ausfielen.

      Nun hatte sie so viel Zeit mit düsteren Gedanken vertrödelt und wußte noch immer nicht, wie sie das Gespräch beginnen sollte.

      Bevor Alex seinen eigenen Schlüssel ins Schloß stecken konnte, öffnete Silvia und erschrak. Der Junge hatte vom Weinen verquollene Augen – er wußte es bereits!

      »Mama?« fragte er mit seiner feinen Stimme. »Wieso bist du schon hier?«

      »Ein Termin wurde verschoben«, erklärte sie schnell, während sie Alex ins Haus zog. »Du siehst nicht besonders glücklich aus.«

      Der Kleine stellte seine Schultasche ab und öffnete den Reißverschluß seiner Jacke. »Papa und du – ihr laßt euch scheiden, nicht wahr?« Er sah dabei nicht auf.

      »Hat Jana mit dir darüber gesprochen? Ich hatte sie gebeten, mir zu überlassen, mit dir darüber zu reden«, sagte sie und machte eine hilflose

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