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auch ein wenig die Pläne verderben und wäre nur gerecht. Vielleicht half Derrik ihr ja, seinen Sohn zu baden. Das Bett würde warten müssen.

      »O Gott, jetzt muß ich mich ja noch umziehen. Nur noch eine Sekunde.«

      Frederik nickte ergeben.

      Inzwischen war es kurz nach neun, als sie mit dem Essen beginnen konnten. Kristin war der Appetit allerdings vergangen, die Wohnung roch durchdringend nach Johannes’ Malheur, trotz der geöffneten Fenster. Frieren oder ersticken, eine andere Wahl blieb nicht.

      Wenigstens schien es Frederik zu schmecken. Sogar das Steak war genau richtig durch, als sie es servierte. Die Uhr zeigte jetzt halb zehn. Das Kino würde wohl ausfallen, aber möglicherweise war das gar nicht so schlimm. Sie waren bereits wieder im Stadium des Flirtens, und Johannes schlief.

      Um Viertel vor zehn klingelte es. Kristin vermerkte es auf der imaginären Schuldenliste ihrer Freundin. Halb zehn war ausgemacht gewesen.

      Vor der Tür stand eine heulende Marion.

      »Mein Gott, was ist nun wieder los?« raunzte Kristin sie an.

      Ihr Bedarf an Tränen und Katastrophen war reichlich gedeckt. Es war klar, daß sie Marion jetzt nicht einfach das Kind in den Arm drücken und sie in ihre Wohnung schicken könnte. Good bye, Glück zu zweit…

      »Entschuldige…, aber ich… es war so schrecklich…«

      »Komm rein, Mensch, Marion, diesen Abend kann man echt in die Tonne treten.«

      »Ist dein Besuch nicht gekommen?«

      »Doch. Und eigentlich könnte es sogar nett gewesen sein.«

      Diese Antwort konnte Kristin Marion nicht ersparen, sie wäre daran erstickt. Aber Marions eigener Kummer wog schwerer. Sie ging nicht darauf ein.

      »Darf ich vorstellen? Frederik Holl, Marion Altmann, Johannes’ Mutter.«

      Marion schniefte noch einmal, wischte sich über die Augen und streckte Frederik mit einem kleinen, verlegenen Lächeln die Hand entgegen.

      Kristin war es, als hörte sie deutlich das Zusammenschließen zweier chemischer Kreise. Marion und Frderik sahen sich an, und die Zeit blieb stehen.

      Na, das war ja wohl die Höhe! Sie wurde rot und wußte nicht, was sie tun oder sagen sollte. Noch immer rührten sich ihre Gäste nicht. Als wäre sie gar nicht vorhanden! Und das mitten in ihrem Wohnzimmer, nachdem sie aus lauter Gutmütigkeit alle Schwierigkeiten für Marion aus dem Weg geräumt hatte! Da wagte diese Schlange es, ihr hier vor ihren Augen den zukünftigen Liebhaber auszuspannen?

      Und Frederik? Er könnte schließlich auch mal wieder checken, daß er bei ihr zu Besuch war, gerade ihr teures Essen konsumiert und eben noch tief in ihren Augen gesehen hatte!

      »Also…«, begann sie.

      Beide drehten sich wie auf Kommando zu ihr um. Sie sahen aus wie frisch vom Mond gefallen, mit einem unläubigen, träumerischen Ausdruck in den Augen, der Kristin die Sprache raubte. Sie hätte sowieso nicht gewußt, was sie sagen sollte.

      »Ich… glaube, ich gehe dann mal. Danke, daß du auf Johannes aufgepaßt hast.«

      Seit wann sprach Marion mit dieser leicht rauhen, kurzatmigen Stimme?

      »Er hat Durchfall, und war voll bis zum Hemdkragen!«

      Das war deutlich und nahm der Romantik den Glanz. Marion schluckte und schlüpfte wieder in die Mutterrolle, die Kristin auch sehr viel angezeigter fand.

      »O Gott, also doch… Ich war nicht sicher…«

      »Du hast es also gewußt und ihn mir trotzdem gebracht. Vielen Dank.«

      Kristin spürte Wut und Gemeinheit in sich. Sie wollte verletzen. Sie wollte allen klarmachen, daß man so nicht mit ihr umspringen konnte.

      »So schlimm war es doch auch nicht, Kristin«, mischte sich Frederik zu allem Überfluß ein.

      »Hab ich ihn saubergemacht oder du? Es stinkt noch immer.«

      Frederik sah sie an, als habe er plötzlich ein Monster mit zwei Köpfen vor sich und schwieg. Kristin war es egal, der Abend war verdorben.

      »Er steht im Schlafzimmer.«

      Marion ging hinüber und zog das Bettchen durch die Tür. Sofort sprang Frederik ihr bei und trug es mit Marion zusammen hinüber. Am liebsten hätte Kristin die Tür hinter ihm geschlossen. Sie wußte, wo er jetzt lieber wäre als bei ihr.

      Natürlich wahrten sie alle die Form. Marion winkte von der Tür aus noch einmal. Frederik kam zurück und setzte sich. Er trank einen Schluck Wein und sah aus, als wäre er weit weg.

      »Ich glaube, du solltest jetzt gehen. Fürs Kino ist es sowieso zu spät und ich bin… etwas müde.«

      Was sollte das? Warum sollte sie ihn aufhalten, wo er doch augenscheinlich gar kein Interesse mehr an ihr hatte? Vielleicht war es ganz gut so. Seine Augen waren viel zu blau, um treu zu sein. Für Marion zeigte sich vermutlich die nächste Liebespleite ab, wenn sie sich tatsächlich in Frederik verliebt hatte.

      Mit diesem nur zum Teil befriedigendem Gedanken ging Kristin schlafen.

      *

      Drei Tage ging Kristin ihrer Freundin aus dem Weg. Sie war noch immer sauer, wenn sie inzwischen auch zugeben mußte, daß Marion Frederik keine schönen Augen gemacht oder sonst irgendwie versucht hatte, ihn ihr auszuspannen. Eigentlich müßte sie ihm viel mehr böse sein. Aber wenn die beiden buchstäblich der Blitz getroffen hatte, konnte sie auch das nicht. So etwas gab es ja wohl, wenn Kristin auch lieber gesehen hätte, daß sie das »Opfer« dieses Blitzes gewesen wäre.

      Eine leichte Schadenfreude empfand sie bei dem Gedanken, daß Frederik sich jetzt wohl mit Ersatzvaterpflichten herumplagen müßte. Dabei war er darauf nicht gerade erpicht, wie sie wußte. Möglicherweise hatten die beiden sich gar nicht wiedergesehen, und sie machte sich umsonst Gedanken, daß sie Frederik nun dauernd bei Marion antreffen würde.

      In die Buchhandlung kam er nicht. Also ging sie davon aus, daß auch er sie mied. Hatte er ihr gegenüber wenigstens ein schlechtes Gewissen? Recht geschah ihm. Sie hatte sich soviel Mühe gegeben, ihm ein schönes Essen vorzusetzen, und das war nun der Dank…

      Langsam beruhigte sie sich. Was hatte es für einen Sinn, böse zu sein? Viel schlimmer wäre es gewesen, wenn sich Marion und er getroffen hätten, nachdem sie mit ihm etwas angefangen hatte. So war nicht viel passiert außer einem freundschaftlichen Kuß. Das war doch wenigstens eine Beruhigung.

      Wie es Marion wohl erging? Eigentlich könnte sie ja auch einmal klingeln. Doch Kristin wartete vergeblich darauf, obwohl sie wußte, daß ihre Freundin – oder sollte Ex-Freundin heißen? – Zu Hause war.

      Schließlich wurde es ihr zu dumm. Was nützten die Spekulationen? Entweder sie blieben Freundinnen, oder es war vorbei, aber wissen wollte Kristin es

      nun.

      Sie nahm ihren Mut zusammen, versuchte den leichten Ärger, den sie schon wieder empfand, als sie hier bei Marion vor der Tür stand, zu unterdrücken und klingelte.

      Einen Moment geschah gar nichts. Dann hörte sie eine sehr fröhliche Marion rufen, daß sie sofort an die Tür käme. Kristin war sicher, daß sie jemanden erwartete – und das war bestimmt nicht sie.

      Am liebsten wäre sie schnell in ihre Wohnung zurückgegangen. Aber so albern konnte sie nicht wirklich sein. Standhaft blieb sie in Warteposition.

      »Ach, ich freue…«

      Marion erkannte, daß es nicht der erwartete Besucher war und wurde rot.

      »Du bist es…«

      »Ja, ich bin es nur.«

      »Das habe ich nicht gesagt.«

      »Aber gedacht. Entspann dich. Es war dir deutlich anzusehen. Kann ich mit dir sprechen?«

      »Natürlich. Komm herein.

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