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angeht. Sie verfügen über eindeutig zu viel Macht, die aufgehalten werden muss, bevor dadurch die Welt zerstört wird.

      Finn löst sich von mir und geht auf die Gitterstäbe zu, die er mit seinen Händen fest umschlingt. Seine Muskeln spannen sich so sehr an, dass sich dadurch seine Hemdsärmel straffen.

      »Was tust du da?«, frage ich beunruhigt.

      Versucht er etwa die Stäbe auseinanderzudrücken? Wie will er das schaffen ohne Magie?

      »Ich werde nicht so leicht aufgeben«, bringt er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

      Doch ganz gleich, wie sehr sich Finn bemüht, das Eisen zu krümmen, es regt sich nichts. Finns Kräfte reichen dafür nicht aus. Der Todeskriecher hätte die Stärke sicher besessen, doch mit der neuartigen Rune in unserer Haut ist es unmöglich.

      ›Das ist sinnlos‹, höre ich Danev in mir sagen und stimme ihr stumm zu.

      Mit vorsichtigen Schritten gehe ich zu Finn hinüber und lege meine Hand auf seine Arme. Seine Muskeln entspannen sich ein wenig, doch die Stäbe hält er noch immer umschlungen. »Hör auf. Die Rune hat dir sämtliche Fähigkeiten genommen, Finn. Wir können ohne sie nichts ausrichten.«

      Er sieht zur Seite, als würde er es nicht ertragen, in meine Augen zu schauen. »Rave, du weißt, was sie in diesen verdammten Gewölben …« Er atmet tief ein. »Ich schaffe es einfach nicht, wenn sie dich …«

      »Sch«, flüstere ich und lege meine Arme um seinen Rumpf. »Ich schaff das schon.«

      Ich bin allerdings der festen Überzeugung, dass ich nicht nur erneut die schlimmsten Qualen durchleben werde, wenn sich Kora an den Foltermethoden beteiligt, sondern auch dieses Mal versage. Sie werden mich brechen. Dessen bin ich mir bewusst.

      Doch das würde ich Finn nie sagen.

      Es dauert noch eine Weile, bis wir deutlich spüren, wie das Luftschiff im Hafen landet und von den Stützbalken aufgefangen wird. Die Erschütterung bringt mich aus dem Gleichgewicht, und obwohl ich mich an einem der Gitterstäbe festgehalten habe, falle ich zu Boden.

      Finn kniet sich sofort zu mir herunter, um mir beim Aufstehen zu helfen. »Wir sind da«, haucht er und in seiner Stimme höre ich ein bedrohliches Knurren heraus.

      »Vielleicht können wir uns freikämpfen«, schlägt Ravass vor, der sich breitbeinig neben die Tür seines Kerkers stellt.

      Ein flaues Gefühl macht sich in meinem Magen breit. Ich kenne das Imperium schon zu lange und weiß, dass wir eindeutig mehr brauchen als unsere bloßen Fäuste. Kora wird sich bereits denken können, was wir vorhaben.

      Mir ist bewusst, dass mein Bruder und Finn versuchen wollen, uns zu retten, doch dafür ist es längst zu spät. Sie können nicht ahnen, wie viel Runenmagie hier wirklich im Spiel ist und welche Macht uns in der Hauptstadt erwarten wird. Nicht einmal Nura, Iain oder der Erbauer hätten hier eine Chance, da sie den gerüsteten Soldaten und der Runenmagie hilflos ausgeliefert wären. Wir bräuchten dafür schon eine Armee.

      Erneut ertönen Schritte über uns. Anhand ihres Klanges erkenne ich, dass es die Kommandantin ist, die mit mehreren Soldaten Richtung Treppe läuft. Als sie ihre Füße auf die Stufen setzt, um zu uns herunterzukommen, spannt sich mein ganzer Körper an.

      Finn stellt sich schützend vor mich und drängt mich von der Tür weg. Finster sehen wir drei zu der blondhaarigen, groß gewachsenen Frau, deren Kapuze dieses Mal auf ihren Schultern liegt.

      Voller Vorfreude sieht sie uns nacheinander an. »Holt sie aus der Gefängniszelle und bringt sie in den Palast zum Imperator.«

      Die Soldaten nicken und kramen den Schlüssel heraus, um die Türen zu öffnen. Finn ballt die Hände zu Fäusten und beugt sich leicht nach vorne, als würde er nur den Moment abwarten, in dem er auf die Soldaten losgeht.

      Warnend schaue ich zu ihm, weil ich ganz genau weiß, dass er verlieren wird. Unzählige Männer umstellen uns und an Deck werden nochmals so viele imperiale Wachen sein, die sich uns in den Weg stellen. Mir ist klar, dass Aufgeben keine Option ist, aber sich aussichtslos in einen Kampf zu stürzen, könnte sein Leben gefährden.

      Und ich würde es nicht ertragen, ihn zu verlieren.

      »Finn, bitte«, flüstere ich. »Sie werden dir wehtun.«

      Allerdings hört er nicht auf mich.

      Aus Angst, ihm könnte ein Leid geschehen, will ich nach seiner Hand greifen, doch er weicht mir aus und richtet den Blick auf die hereinkommenden Soldaten.

      Mit einem Knacken öffnet einer der Männer das Schloss, zeitgleich ein anderer das von Ravass. Im selben Moment, als dies geschieht, stürzen sich Ravass und Finn gleichzeitig auf die Soldaten, die ihren Angriff geahnt haben. Die Männer ziehen ihre Schwerter, doch bevor mein Bruder und Finn überhaupt in ihre Reichweite kommen, mischt sich Kora ein.

      Sie umschließt in ihrer Hand eine Runenplakette und schaut konzentriert zu ihren Gefangenen. Magie surrt durch die Luft. Plötzlich schreien die beiden vor Schmerz auf und gehen in die Knie.

      Mir wird bei dem Klang angst und bange, ihre Pein geht mir durch Mark und Bein. Flehentlich blicke ich zu der Kommandantin. »Hör auf!«

      Doch sie ignoriert mich und schaut wie dem Wahnsinn verfallen vergnügt zu, wie sich die beiden vor Schmerz krümmen. Das eingebrannte Runenzeichen glüht an ihren Hälsen auf und muss ihnen unsagbare Qualen bereiten.

      Tränen treten mir in die Augen, als sich Finns Körper immer mehr verkrampft und sein Schreien nicht verebbt. Er presst die Zähne zusammen, versucht seine Wehklage zu unterdrücken, doch die Pein muss unerträglich sein.

      Verdammter Mist, was ist das für eine Rune?

      »Hör endlich auf!«, brülle ich erneut.

      Kora setzt ein amüsiertes Lächeln auf, als sich ihre Finger um die Rune lockern und die beiden verstummen. Ravass röchelt, während Finn sich zu erheben versucht, es jedoch nicht schafft.

      Als ich gerade auf ihn zulaufen will, stellen sich mir zwei Soldaten in den Weg und halten mir ihre mit Runen besetzten Schwerter entgegen. »Bleib zurück!«

      Ich sehe erneut zu Finn, der von weiteren Männern auf die Beine gerissen wird. Er keucht und lässt den Kopf vor Erschöpfung hängen. Doch obwohl er über keine Kraft mehr zu verfügen scheint, stemmt er seine Beine in den Boden und wehrt sich gegen die festen Griffe der Männer.

      Sein Blick huscht für den Moment zu mir. »Lasst sie ja in Ruhe …«

      Mein Herz klopft angstvoll in der Brust, als ich erkenne, wie sehr Finn unter den Qualen gelitten haben muss. Ich will mich an den Männern vorbeidrücken, doch diese überwältigen mich, pressen mich schmerzhaft gegen die Wand, um den Abstand zu mir und Finn zu vergrößern. An meinem Hinterkopf pocht es. »Tut ihm nichts!«

      »Rave!«, ertönt es von Finn, der sich dieses Mal stärker gegen die Festnahme wehrt.

      Doch er bekommt einen Tritt in die Magengrube versetzt und gibt ein kurzes Würgegeräusch von sich.

      Mein Herz zieht sich zusammen. Sie sollen aufhören! Wie kann man nur so grausam sein? Dafür wird dieses Miststück bezahlen!

      »Rührend, wie ihr beiden versucht zu fliehen«, gibt Kora in einem süffisanten Tonfall von sich und befiehlt ihren Männern mit einer Armbewegung, uns wegzuschaffen. »Noch schöner wird es sein, wenn ihr beide zusammen schreit. Der Imperator wird mir sicher erlauben, euch ein wenig zu quälen.«

      Ravass betritt zuerst mit den Männern, die ihn festhalten, die Treppe. Danach folgt Finn, der vor Kora noch einmal zum Stehen gebracht wird. Die Kommandantin mustert sein Gesicht und umschlingt mit einer Hand sein Kinn.

      Wut keimt in mir auf.

      Sie soll es nicht wagen, ihn zu berühren, knurre ich innerlich.

      »Mit dir werde ich ganz besonderen Spaß haben, schließlich hast du meine Schwester getötet.« Ihre dürren Finger beginnen zu

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