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dringt Sonnenlicht hindurch, sodass einzelne Flecken sichtbar werden.

      Ich sitze in einer Gefängniszelle, deren Eisenstäbe bereits verrostet sind. Neben mir entdecke ich die Umrisse eines Körpers und taste danach. Als meine Finger durch dichtes Haar fahren, erkenne ich Finn wieder.

      Erleichtert atme ich aus und spüre, wie dieser langsam erwacht. Er gibt ein schmerzerfülltes Stöhnen von sich und erhebt sich vom feuchten Holzboden. »Rave?«

      Ich drücke ihn fest an mich. Die letzten Bilder des Gefechtes in Tallel strömen durch meinen Kopf. Ich weiß, dass wir Kora nicht entkommen konnten und auf direktem Weg nach Baltora sein müssten. Durch die Schwankungen bin ich mir sicher, dass wir uns in der Luft befinden.

      Wir fliegen mit einem Luftschiff.

      Finn schließt ebenfalls die Arme um mich und atmet schwer aus. »Aaron … er …« Sein Körper bebt. »Ich konnte nichts tun.«

      Nachdem mich der Erbauer von Aaron und Finn weggezerrt hatte, damit wir fliehen konnten, sind wir in eine Gasse abseits der Hauptstraße geflüchtet. Nur leider hatten wir nicht mit Kommandantin Kora gerechnet, die dies anscheinend vorhergesehen hatte, sodass sie uns abfing. Die falsche Schlange versperrte uns den Weg.

      Der Erbauer versuchte uns mit einem Portal außer Gefahr zu bringen, doch Koras Runenschwert ist von der Magie der portes tenebra besetzt, sodass sie unser erschaffenes Portal mit einem Hieb vernichten konnte. Wir hatten keine andere Wahl, als zurückzulaufen, doch Kora war schneller.

      Sie erwischte den Erbauer am Arm, und als ich gemeinsam mit Danevs Kräften angreifen wollte, wandte sie eine weitere neuartige Runenkraft an.

      Eine unsichtbare Magie umschloss mich, hob mich in die Luft und schleuderte mich hart gegen die Mauern der Gasse. Daraufhin verlor ich das Bewusstsein. Erst als ich erwachte, sah ich Finn am Boden liegen, und Aarons Brust war von Koras Schwert durchbohrt. Der Erbauer blieb verschwunden.

      »Aedificatis?«, frage ich mit zitternder Stimme – aus Angst, er könnte ebenfalls irgendwo hier liegen.

      Finn stößt einen Schwall Luft aus. »Ihm geht’s gut. Iain hat uns geholfen, sich den Erbauer geschnappt und ist spurlos verschwunden.«

      Was? Er war dort? Und er hat es nicht für notwendig gehalten, uns im Kampf beizustehen?

      »Iain?«, entfährt es mir entsetzt.

      Trotz des fahlen Lichtes kann ich Finn nicken sehen. »Vermutlich hatte er ebenfalls keine andere Wahl. Wir haben Kora unterschätzt und ganz besonders die Macht der portes tenebra.«

      ›Nicht nur ihr habt sie unterschätzt. Ich ebenfalls. Ihre Macht unterdrückt sogar die meine‹, ertönt Danevs Stimme plötzlich und ich bin froh, dass sie noch da ist.

      Innerlich seufze ich. ›Was, denkst du, können wir nun tun?‹

      ›Im Moment gar nichts.‹

      Ich schließe die Augen und merke, wie es unter meinen Lidern zu brennen beginnt. Sie werden uns auf direktem Wege nach Baltora bringen, in die Arme des Imperators. Wenn ich erst einmal die Hauptstadt erreicht habe, gibt es kein Entkommen mehr. Ich werde dort mein Ende finden – genau wie alle anderen, die sie gefangen genommen haben.

      Neben unserer Zelle ertönt ein Stöhnen und ich schaue in die Richtung des Geräusches. Der Umriss eines Körpers bewegt sich vor mir. Anhand der Statur und dem etwas längeren schwarzen Haar erkenne ich meinen Bruder wieder.

      Ich atme erleichtert auf. »Ravass!«

      Dieser blickt um sich und ich rutsche zu ihm an die kalten Eisenstäbe. Als er die Hände hindurchschiebt, greife ich danach und verschränke meine Finger mit seinen.

      »Das ist nicht gut«, murmle ich. »Sie … werden …« Was wollen sie schon von meinem Bruder? In ihren Augen ist er unbedeutend, weswegen sie ihn nicht lange am Leben lassen. »Sie werden dich töten, Ravass.«

      Er hustet und seine Haut ist eiskalt. »Aber leicht werde ich es ihnen nicht machen«, sagt er mit rauer Stimme.

      Ich verziehe die Mundwinkel. Wie konnte ich es nur zulassen, dass sie Finn und Ravass gefangen nehmen? Was werden sie mit ihnen anstellen? Sie so lange foltern, bis sie sterben?

      Verzweifelt wende ich mich an Finn, löse mich von meinem Bruder und nehme seine Hände in meine. »Was ist mit deinen Kräften? Denkst du …?«

      Er schüttelt den Kopf und sieht betrübt zu Boden. »Sie haben mir eine unbekannte Rune eingebrannt und somit all meine Kräfte unterdrückt.«

      Er entzieht mir seine Hand und entblößt unter dem Kragen seines Hemdes, das er unter dem Mantel und dem Lederharnisch trägt, ein Runenzeichen.

      Selbst in dem fahlen Licht erkenne ich, dass sie andersartig ist – schon allein ihre seltsame Form. Sie ist rund, hat eine Art Fuß unterhalb des Kreises und besitzt zwei Spitzen obenauf.

      Sanft fahre ich mit den Fingern über die eingebrannte Stelle. Finn zuckt dabei zusammen.

      Mit einem entschuldigenden Blick lasse ich von ihm ab. »Es ist ungewöhnlich, dass aus einer eingebrannten Feuerrune eine solche Wunde entsteht.«

      Normalerweise lässt die Magie die Brandstelle nur ein wenig verblassen und bereitet einem daraufhin keine großen Schmerzen. Doch diese neuartige Rune treibt einem beinahe Tränen in die Augen, so sehr brennt sie.

      Ich lege meine Baumwollbluse über die Brandwunde an meinem Hals und versuche den Schmerz zu ignorieren.

      Finn seufzt. »Rave«, beginnt er und sieht mich mit seinen dunkelbraunen, warmen Augen an. »Was mit mir oder deinem Bruder geschieht, ist Nebensache. Denn wir werden alles dafür tun, dass wenigstens du die Chance hast, zu fliehen.«

      Angst packt mich und ich greife nach Finns Schultern. »Auf keinen Fall!«

      »Er hat recht, Rave«, pflichtet mein Bruder ihm bei. »Dein Leben ist bedeutsamer als unsere.« Er drückt die Hand auf sein Schlüsselbein. »Sieh doch, welches Chaos diese Macht anrichtet. Wir können nicht zulassen, dass sie die Welt vernichtet.«

      Ich will etwas erwidern, doch die Wörter bleiben mir im Hals stecken. Mein Tod würde niemandem helfen. Danev, die Teilschöpfung des Lebens, die seit meiner Geburt in meinem Körper existiert, müsste sich eine neue Hülle aussuchen und das Spiel würde von vorne beginnen.

      Wer sagt mir, dass die nächste Auserwählte die Welt retten kann, sofern es dafür nicht längst zu spät ist? Durch die Erweckung und Entsieglung des Erbauers sind nun die restlichen Teilschöpfungen in Gefahr. Ich bin die Einzige, die noch nicht entsiegelt wurde, sodass Danev nicht sterben kann, wenn meine Hülle vernichtet wird.

      »Sie werden mich wieder quälen, während sie nach der Tafel suchen«, hauche ich mit schwacher Stimme und verdränge dabei die Erinnerung an die Folter, die ich vor zweieinhalb Jahren durchleiden musste. Hoffnungslos senke ich den Kopf und sinke auf die Knie. »Ich weiß nicht, ob ich das ein zweites Mal überstehen kann.«

      Finn zieht mich in seine Arme, und der Geruch von Wald und Holz kriecht in meine Nase. Ein Zittern überkommt mich. Ich fühle mich so hilflos wie schon lange nicht mehr.

      Weder Nura noch die Todeskriecher oder der Erbauer werden uns aus dieser Hölle retten können. Baltora wird für sie undurchdringlich sein, da nicht nur der Imperator für unsere Gefangenschaft sorgen wird, sondern Kora und ihr Trupp ebenfalls. In der Hauptstadt werden wir gegen die portes tenebra nichts ausrichten können.

      »Ich werde das nicht zulassen«, flüstert Finn an meinem Ohr.

      Schmerzerfüllt schließe ich die Augen und verstärke meinen Griff um ihn. Obwohl wir immer wieder dafür gekämpft haben, vor dem Imperium zu fliehen, habe ich das Gefühl, dass unsere Reise umsonst gewesen ist. Letzten Endes sind wir ihnen doch in die Hände gefallen.

      Finn hat wegen mir seine Arbeit als Kopfgeldjäger aufgegeben, auf seinen Reichtum, seinen Adelstitel und sein Ansehen verzichtet – ja sogar sein Leben verloren. Und jetzt sitzt er mit mir hier, weil ich nicht stark genug gewesen bin, sowohl

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