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das Imperium die ganze Zeit an meinen Fersen haftete. Sie warteten auf den Moment, in dem wir den Erbauer befreien würden, und überraschten uns dann in Tallel. Ihr Hinterhalt war geplant. Ein kleiner Lichtfunke spendet mir Trost: Sie haben nur eine Teilschöpfung gefasst, mit der sie vorerst nichts anfangen können, da diese noch nicht entsiegelt ist.

      Es vergehen Stunden – möglicherweise sogar ein halber Tag –, bis wir endlich Baltora erreichen. Mit dem Luftschiff kommen wir unheimlich schnell von einem zum anderen Ort.

      Ein Druck breitet sich in meinem Magen aus, als das Luftschiff zur Landung ansetzt. Über unseren Köpfen ertönen Getrampel und Rufe. Die Besatzung scheint sich auf die Ankunft in Baltora vorzubereiten.

      Finn nimmt meine Hand und drückt sie fest. »Sobald sie diese Tür öffnen, werde ich versuchen …«

      »… euch zu befreien, Finnigan?«, erklingt eine höhnische Stimme im Raum.

      Da ich mich langsam an das spärliche Licht hier gewöhnt habe, kann ich eine Gestalt ausmachen, die eine beeindruckende schwarzblaue Rüstung trägt. Anhand der Umrisse und der Stimme weiß ich, dass es sich dabei um Kora handelt. Nur wieso hat sie ihre Kapuze so tief ins Gesicht gezogen?

      »Das ist sinnlos«, fährt sie fort. »Ihr seid bereits in Baltora. Jeglicher Versuch, zu entkommen, würde misslingen oder euren Kopf kosten.«

      Ich straffe die Schultern und mache einen Schritt auf das Gitter zu. »Was habt ihr mit uns vor? Ihr wisst ganz genau, dass ihr ohne die Tafel nichts ausrichten könnt.«

      Kora beginnt finster zu lachen. »Ich werde meinen Spaß trotzdem noch bekommen.«

      Verfluchtes Miststück! Wie gern ich ihr hier und jetzt an die Kehle springen würde. Sie hat Aaron getötet! Und Mutter auf dem Gewissen!

      Wenn es diese Schlange nicht gäbe, wären wir jetzt bei Iain und dem Erbauer und würden einen Plan schmieden, wie wir das Imperium aufhalten. Doch wir haben uns von der neuartigen Runenmagie überwältigen lassen, gegen die sogar Danevs Kräfte wirkungslos sind. Die schwarzen Ketten, die Kora eingesetzt hat, haben binnen weniger Sekunden die grünen Flammen, die uns hätten retten können, gelöscht.

      Das ist nicht nur irgendeine Runenmagie – sie könnte die ganze Welt vernichten.

      Mit versteinerter Miene lasse ich mir in Gegenwart von Kora nicht anmerken, dass ich mich vor ihren Foltermethoden fürchte. Die alten, schmerzhaften Erinnerungen kriechen wie unbarmherzige Kreaturen den Abgrund hinauf, in den ich sie vor wenigen Jahren geworfen habe. Angst überkommt mich, lässt meine Beine zittern und erweckt all die Pein meines mit Narben übersäten Körpers zu neuem Leben.

      Die Kommandantin lacht finster. »Ich hätte dich schon viel eher gefunden, wenn meine kleine ›Markierungs‹-Rune gewirkt hätte. Doch das hat sie nicht – womöglich wegen deiner besonderen Kräfte, die du in dir trägst.«

      Überrascht blinzle ich. Was meint sie damit?

      Hinter mir höre ich, wie Finn einen erschrockenen Laut von sich gibt. »Zum Glück.«

      Ich wende mich zu ihm. »Welche Rune?«

      Finn spannt nervös die Schultern an. »Kora hatte dich damals markiert, um dich leichter zu finden. Doch durch deine Hoffnungen, die schwanden, während du auf der Flucht warst, konnte Danev die Wirkung der ›Markierungs‹-Rune überdecken, sodass diese nutzlos wurde.«

      Was? »Und wieso hast du mir das nicht gesagt?«, werfe ich ihm vor. ›Oder du?‹, wende ich mich gedanklich an Danev.

      ›Als Finn starb, schwanden deine Hoffnungen und ich konnte die Rune wieder für dich deaktivieren. Das ist auch bisher so geblieben und hat sich nicht geändert. Kora muss euch auf eine andere Weise gefunden haben‹, erklärt mir Danev.

      ›Aber diese unbekannte ›portes tenebra‹-Rune wurde doch nun in meine Haut gebrannt. Wie kannst du da eine andere Rune deaktivieren?‹, will ich wissen.

      ›Ich sagte ja nur, dass sie bisher deaktiviert war. Im Moment kann ich gar keine Kräfte wirken.‹

      »Sie hätte nicht aktiv sein dürfen. Nach meinem Tod …«, beginnt Finn, doch Kora unterbricht ihn barsch.

      »Der Rune habe ich es nicht zu verdanken, dass ich euch gefunden habe«, knurrt sie und ballt eine Hand zur Faust. »Das war mein eigener Verdienst. Wir wussten schon länger, dass es neben Nura, dem Tod, noch weitere Teilschöpfungen geben muss. Also sind wir ihnen auf die Spur gekommen und haben in Tallel Hinweise auf den Verbleib des Erbauers gesucht. Ihr seid einem meiner Soldaten über den Weg gelaufen, als ihr euch nachts in die Bibliothek geschlichen habt. Dieser gab mir sofort Bescheid, sodass ich auf ein Luftschiff stieg und nach Tallel flog. Von da an habe ich euch beschattet, um auf den richtigen Moment zu warten, in dem ich euch überrasche.«

      Wir hätten vorsichtiger sein sollen. Doch obwohl wir nachts unterwegs waren, um mit den Schatten zu verschmelzen, hat uns Kora dennoch aufgespürt. Wer hätte auch ahnen können, dass sie zur selben Zeit ebenfalls nach dem Erbauer suchte und sich ausgerechnet dann einer ihrer Spione in Tallel aufhielt?

      Aber wie hätten wir sonst zum Erbauer gelangen sollen? Wir mussten zur Hauptstadt der Königsinseln. Es wäre schneller gegangen, wenn Iain uns geholfen hätte, statt gegen die Erweckung von Aedificatis zu stimmen. Doch er hatte uns von Anfang an belogen und sogar seine wahre Identität verschleiert. Nachdem Iain gestanden hatte, dass er der Herrscher der Elemente sei, verschwand er spurlos. Er tauchte erst später wieder auf, um den Erbauer zu beschützen und uns im Stich zu lassen.

      Obwohl ich anfangs wirklich Sympathie für diesen Mann entwickelt habe, ist in diesem Moment keine Spur mehr davon da. Im Gegenteil. Wut macht sich in mir breit und brodelt in mir wie eine heiße Glut, sobald ich nur an Iain denke. Sein Verrat hat tiefe Furchen in meinem Inneren hinterlassen und noch mehr in meinem Herzen, das ihm zu Beginn vertraut hat.

      »Was hast du jetzt mit uns vor?«, will Ravass wissen, der sich zuvor noch gar nicht geäußert hat. Seine Finger hat er um die rostigen Gitterstäbe geschlungen, die in dem fahlen Licht wie dunkle Flecken wirken. Auf seiner Stirn glänzt Schweiß, da er offensichtlich ebenfalls gegen die Magie der ›portes tenebra‹-Rune kämpft, die uns allen eingebrannt wurde.

      »Wenn es nach mir ginge, würde ich mich mit euch allen in meiner über alles geliebten Folterkammer vergnügen, doch der Imperator entscheidet, was mit euch passiert«, erklärt sie und macht einen Schritt zurück, sodass ihr Gesicht in einen Lichtkegel fällt, der durch einen schmalen Riss im Holz entstanden ist.

      Dabei wird für den Moment ihr Antlitz erhellt, das sie unter der Kapuze verborgen hält. Durch den Schein erkenne ich rote, wulstige Haut, die sich über ihre linke Gesichtshälfte zieht. Mir stockt der Atem. Ihr Anblick ist grauenvoll und ich weiß, dass dies von Iain stammt, der eine Feuerwalze auf sie geschossen hat, ehe er sich den Erbauer geschnappt haben muss und mit ihm verschwand.

      Ich versuche mein Entsetzen nicht nach außen dringen zu lassen, doch Kora muss bemerkt haben, dass ich ihre Brandnarbe anstarre, und wendet uns daraufhin den Rücken zu. »Wir erreichen gleich den Hafen. Ihr solltet diesen Moment ausnutzen, um euch zu verabschieden, denn es wird das letzte Mal sein, dass ihr auf diese Art zusammen seid.«

      »Was?«, entfährt es mir panisch.

      Kora antwortet nicht, sondern verschwindet die Treppe hinauf, um uns allein zu lassen.

      Vollkommen verloren blicke ich zu Boden, nicht wissend, was wir überhaupt tun könnten, um den Klauen des Imperiums zu entkommen. Durch die mächtige Magie der portes tenebra haben wir fast so gut wie keine Chance, da das Schloss und die Stadt davon umringt sein werden. Das neuartige Zeichen auf unserer Haut ist der beste Beweis dafür. Es unterdrückt sogar Danevs Kräfte und die eines Todeskriechers.

      Während die Angst und die Hoffnungslosigkeit in mir immer größer werden, fühle ich, wie Finns Arme meinen Körper umschlingen und er mich an sich presst. Ich lege meinen Kopf auf seine Brust und spüre seine kalte Haut an meiner Stirn. »Wir finden einen Weg.«

      Werden wir das? Baltora ist eine undurchdringbare Festung, die kein Gefangener

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