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Seine zornige Stimme lässt alles in mir gefrieren. »Ich habe dir die Aufgabe zuteilwerden lassen, Ravanea ausfindig zu machen und sie zurückzubringen. Zweieinhalb Jahre war ich mit dir geduldig gewesen. Als du schließlich die Chance dazu hattest, hast du versagt.«

      Hat nicht eher der Imperator selbst versagt? Er konnte nicht ahnen, dass Ravatoria ihr Leben dafür opfert, um ihre Tochter zu beschützen. Aber vermutlich würde er dieser Ansicht niemals zustimmen, denn er ist der Herrscher und kann seine Urteile fällen, wie er möchte.

      Obwohl die Situation keine Schadenfreude zulässt, amüsiert es mich dennoch, in Koras Gesicht zu sehen und dort die Scham zu erkennen, ihren Imperator enttäuscht zu haben. Wie sehr muss es an ihrem Stolz nagen, sich einzugestehen, dass wir ihr beim ersten Mal durch die Hände gerutscht sind?

      Aber ich sollte mich nicht zu früh freuen. Diese Wut wird sie an Rave, Ravass und mir auslassen, sobald der Imperator sein Urteil gesprochen hat.

      Für mich und Ravass gibt es keine guten Aussichten, für Rave womöglich noch weniger. Wir sind nur Abschaum für das Imperium und vermutlich wird der Herrscher sich dazu entscheiden, uns so unauffällig wie möglich zu töten.

      »Aber darüber reden wir ein anderes Mal. Nun ist sie ja hier und den Todeskriecher und ihren Bruder hast du gleich mitgebracht. Was ist mit Aedificatis?«

      Er kennt den wahren Namen des Erbauers? War er nicht immerzu geheim gewesen, einst von den Wächtern behütet? Ob portes tenebra ihm diese Information zugeflüstert hat?

      Vielleicht handelt es sich beim Imperator auch gar nicht mehr um einen Menschen, sondern um ein Wesen aus den tiefsten Winkeln der Unterwelt. Allein seine Stimme bezeugt, dass in ihm etwas sehr Machtvolles, beinahe schon Übernatürliches steckt.

      »Er ist mit dem Herrscher der Elemente geflohen«, gesteht Kora mit gesenktem Blick. »Ich habe nicht vorhersehen können, dass er uns angreift. Verzeiht mir, mein Imperator.« Sie fällt sogar aufs Knie und verneigt sich vor ihrem Gebieter.

      Wenn selbst die Kommandantin ihm solchen Respekt zollt, wie gefährlich ist er dann wirklich?

      »Der Herrscher der Elemente«, schnappt der Imperator auf. »Dann sind sie also alle hier. Die Wächter weilen nun wieder unter uns und dank ihres Erwachens wird es nun noch mehr Runenquellen geben, die wir ausgraben können.«

      Um noch mehr Macht und Magie zu erschaffen, die irgendwann die ganze Welt zerstören – sofern kein Wächter vorher getötet wird.

      Doch noch mehr Angst habe ich vor dem Urteil, das der Imperator nun fällen wird. Wenn ich nicht mehr in dieser Welt weilen sollte, wie kann ich dann an Raves Seite bleiben, um sie zu beschützen?

      »Bis auf Danev«, ertönt plötzlich Raves Stimme, die sie mit einem rebellischen Unterton erhebt. »Sie wird sich niemals entsiegeln lassen.«

      Vor einigen Wochen hatten Rave und ich uns getrennt, da sie nicht nur vor mir floh, sondern sich auch auf die Suche nach einer Tafel begab. Mit diesem Gegenstand kann man eine Teilschöpfung entsiegeln, um dieser den Körper zu überlassen, während die Seele im Inneren gefangen bleibt. Nura und der Erbauer haben diesen Status bereits erreicht, wodurch jedoch nun ihr Leben in Gefahr ist. Werden die Teilschöpfungen nicht wieder versiegelt, könnten sie durch ihren Tod die Welt ins Chaos stürzen.

      Der Imperator gibt ein verächtliches Schnauben von sich. »Wir wissen, dass Nura die Tafel besitzt. Es war schlau von ihr, sie zu behalten, statt sie dir zu geben.«

      Dann wäre Rave entsiegelt worden und Ravass und ich wären bereits tot.

      »Ihr werdet sie auch niemals bekommen«, zischt Rave.

      Der Imperator schnaubt verächtlich. »Sei dir da nicht so sicher. Durch zuverlässige Quellen habe ich herausgefunden, dass es möglich ist, Menschenkörper mit denen der Teilschöpfungen zu vereinen.«

      Verdammter Mist, woher weiß er das? Hätte Iain uns davon nicht erzählt, wüssten wir es wohl selbst nicht. Der Herrscher der Elemente ist allerdings der Einzige, der dies jemals mit seiner Teilschöpfung vollzogen hat.

      »Wer hat Euch davon erzählt?«, frage ich mit eiserner Miene.

      Der Imperator dreht den Kopf wieder zu mir, und seine blutroten Augen, die wie zwei Punkte wirken, sehen mich düster an. »Die Teilschöpfungen sind stumpfer und naiver geworden. Sie haben vergessen, welche Macht portes tenebra wirklich innewohnt. Ich spüre sie im gesamten Imperium.« Er macht eine Pause, bevor er weiterspricht. »Aquerigra hat sich mit seiner Zurückhaltung selbst verraten. Er glaubte, es würde mir nicht auffallen, dass ein dreihundert Jahre altes Wesen auf der Welt wandelt. Doch auch er begeht Fehler und ließ in einem Moment der Unachtsamkeit sein Schild fallen, was ihn letztendlich enttarnt hat. Er bemerkte es nicht einmal, dass er bereits mit portes tenebra zu tun hatte.«

      Ich erinnere mich an Iains Worte.

      »Es gab einmal einen Kampf mit einer mächtigen Person aus dem Imperium. Sie war mit ›portes tenebra‹-Runen ausgestattet und zu meinem Bedauern so mächtig wie ich. Wir kämpften und obwohl ich über sie siegte, waren meine Wunden kritisch. Mein Körper war dabei zu sterben und er hätte sich wieder in seine vier Elemente aufgelöst. Also gab es nur noch einen Ausweg, sowohl ihn als auch mich zu retten. Seitdem sind wir immer unentdeckt geblieben, da niemand jemals durch unsere Verschmelzung erahnte, wer ich wirklich war.«

      Ob der Imperator dies gemeint hat? Kämpfte Iain gegen jemanden, der bereits die Macht von portes tenebra in sich trug?

      »Verstirbt eine Seele, kehren die schlimmsten Empfindungen und Erinnerungen ins Reich von portes tenebra.«

      Das hat Aaron schon einmal erzählt. Seinen Namen in meinem Kopf auszusprechen, verpasst mir einen harten Magentritt. Noch immer sehe ich den Todeskriecher vor meinem geistigen Auge, am Boden liegend, in seiner Hand ein weißes Tuch, das einst zu seiner Vergangenheit gehörte. Ich wünschte, ich hätte ihn retten können. Er hätte bestimmt einen Ausweg für diese Gefangennahme gefunden.

      »Diese Erinnerungen wurden mir zugeflüstert, sodass ich in Erfahrung brachte, dass der Mensch sich mit seiner Teilschöpfung verbunden hat«, erklärte der Imperator.

      »Warum habt ihr dann nicht nach ihm gesucht?«, will Rave wissen.

      »Er tauchte unter. So gut, dass selbst meine besten Sicarias ihn nicht fanden. Durch seine Magie hielt er sich versteckt, bis ich glaubte, dass er sich ebenfalls wieder in den Schlaf versetzt hat.«

      Das würde funktionieren? Obwohl beide miteinander verschmolzen sind? Ob er sich da mal nicht irrt? Eine Antwort auf diese Frage hat allerdings nur der Erbauer.

      »Wie naiv von dir!«, zischt Rave feindselig.

      Wieso provoziert sie ihn auch noch? Natürlich hege ich gegen das Imperium und besonders gegen den Imperator einen Hass, aber nun zu rebellieren, würde die Situation nur verschlimmern.

      »Ich weiß, dass Danev alles tun würde, um eine Entsiegelung zu verhindern. Deswegen wird es mir nicht weiterhelfen, wenn ich deinen Bruder und den Kopfgeldjäger hinrichten lasse«, erwidert der Imperator. Unter meiner eisigen Haut kann ich das Pulsieren von Blut spüren. Wie wird nun sein Urteil lauten? »Die zwei gehören dir, Kora. Ravanea bleibt bei mir im Westflügel.«

      Wohnt dort der Imperator oder gibt es da noch eine weitere Folterkammer? Wieso trennen sie uns voneinander? Doch wenn Rave frei von Schmerz wäre, würde ich die Qual mit Kora in Kauf nehmen.

      »Nein, nein, nein! Warte!«, schreit Rave plötzlich voller Panik.

      Etwas schnürt mir den Hals zu. Sie werden mich von Rave trennen und dann ist es vielleicht das letzte Mal, dass ich sie sehe. Dabei habe ich geschworen, sie niemals mehr allein zu lassen.

      »Finnigan ist der Mörder von Fiora. Ich habe der Kommandantin die Erlaubnis gegeben, sich an dem Tod ihrer Schwester zu rächen.« Seine rot glühenden Augen richten sich auf Ravass. »Und ihr Bruder ist aus dem Gefängnis in Massott geflohen, wofür er bestraft werden muss.«

      »Bitte!«, fleht Ravanea, in deren Gesicht sich all die Verzweiflung

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