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ihrem Korsett zieht sie zwischen ihren Brüsten eine Runenplakette heraus, und Hoffnung wallt in mir auf, als ich die Zeichen darauf lese. Sie hat eine ›Heilungs‹-Rune mitgebracht.

      Vorsichtig drückt sie diese auf den Handrücken und ich spüre ein warmes Kribbeln an der Stelle, an der vorhin noch ein Brennen wahrzunehmen war. Langsam wächst das Gewebe wieder zusammen und auch die Haut bildet allmählich eine Kruste. Der Schmerz verklingt beinahe ganz, doch bevor meine Hand wieder vollständig genesen ist, entzieht mir Torava die Rune. »Wir dürfen nicht alles heilen, sonst bemerkt man, dass dir jemand geholfen hat. Trage einfach noch mehrere Tage den Verband und lass niemanden deine Wunde sehen. Sollte dich der Imperator wieder zum Essen bitten, tue so, als würde sie noch schmerzen. In Ordnung?«

      Ich seufze erleichtert und schaue sie dankbar an. »Wie kann ich dir jemals …«

      Sie schüttelt heftig den Kopf. »Das musst du wirklich nicht. Als ich gehört habe, was während des Essens vorgefallen ist, bin ich sofort aufgebrochen, um eine Möglichkeit zu finden, zu dir zu gelangen.« Ihr Blick gleitet zur Tür. »Die Wachen werden jeden Augenblick zurückkehren.«

      Auch wenn ich durch das Fieber viel zu geschwächt bin, um an eine Flucht zu denken, lasse ich die Möglichkeit nicht aus, Torava erneut danach zu fragen. Ich weiß, dass sie schon unglaublich viel für mich riskiert, aber ich darf keine einzige Chance verstreichen lassen, um hier herauszukommen. »Denkst du, ich könnte es schaffen, den Palast zu verlassen?«

      Sie bleibt kurz vor der Tür stehen und dreht sich zu mir um. »Ohne eine Armee …« Ihr entfährt ein schwerer Seufzer. »Es ist nicht das Problem, den Weg aus dem Palast zu finden, sondern die etlichen Barrieren, die ihn dir versperren werden. Dazu kommen noch die vielen Wachen und Gänge, die es dir unmöglich machen, ungesehen hinauszukommen. Du bräuchtest einige gute Runen, um das zu schaffen.«

      Ich erhebe mich aufgeregt. »Ist es nicht möglich, dass du mir welche besorgst?«

      Torava verzieht mitleidig das Gesicht. »Doch, aber Kora wird es spüren, wenn jemand ihre Rune auf deiner Haut entsiegelt. Sie würde sofort Alarm schlagen und dann wären wir beide …«

      Meine anfängliche Hoffnung verschwindet, da mir nicht bewusst gewesen ist, wie egoistisch mein Gedanke war. Sie würden Torava verdächtigen und der Imperator fände die Wahrheit heraus, wenn er sie in seine Hände bekäme. Dabei will ich niemanden dieses unvorstellbare Leid ertragen lassen.

      Enttäuscht senke ich den Kopf. »Entschuldige bitte, daran habe ich nicht gedacht.«

      Sie lächelt aufmunternd. »Uns fällt bestimmt etwas ein, Ravanea. Ich …« Sie hält kurz inne, als würde sie nochmals darüber nachdenken, was sie nun sagt. »Wenn dieser Palast nur keine Festung wäre, dann würden wir eher einen Weg finden. Aber du bist dem Imperator viel zu wichtig, als dass er darauf nicht achten würde, eine Flucht zu verhindern.« Sie breitet die Arme neben sich aus. »Warum, denkst du, hat er dich sonst in einen Turm gesperrt?«

      Damit hat sie nicht ganz unrecht.

      Sie betätigt den Griff der Tür und raunt mir noch leise zu: »Ich werde sehen, was sich tun lässt. Aber versprechen kann ich nichts.« Aus ihrem Ausschnitt nimmt sie ein kleines Fläschchen und wirft es mir zu. »Sollte er dir wieder Schmerzen zufügen, trink das. Es hemmt die Qualen und beschleunigt den Heilungsprozess.«

      Anschließend verschwindet sie so schnell, wie sie gekommen ist.

      Ich greife nach dem kleinen Glasfläschchen und fahre über den Korken, der verhindert, dass die Flüssigkeit ausläuft. Der Inhalt ist milchig und sieht auf den ersten Blick nur wie trübes Wasser aus. Aber ich vertraue Torava und bin ihr dankbar dafür, dass sie mir trotz des hohen Risikos hilft.

      Ich fahre über die Kruste an meiner Hand und spüre noch immer einen leichten Schmerz, der allerdings lange nicht mit dem zu vergleichen ist, den ich zuvor ertragen musste.

      Müde senke ich die Lider und vergönne es mir, ein wenig Ruhe zu finden, da ich seit dem Vorfall kein Auge zugetan habe.

      Als ich erwache, herrscht draußen tiefste Nacht. Der Palast leuchtet in einem eisigen Blau auf, als bestünden seine Fassaden aus Kristallleuchten. Um mir das Spektakel näher anzusehen, schäle ich mich aus der Decke und blicke fasziniert aus dem Fenster.

      Auf den Turmspitzen befinden sich riesige weiße Lotusblüten, die mir anfangs gar nicht aufgefallen sind. Womöglich erkennt man sie nur nachts gut, wenn die Sonne untergegangen und alles um einen herum dunkel ist. Sie sind das Wappensymbol des Imperiums.

      Auch wenn ich es ungern zugebe, der Palast ist so majestätisch, wie es nur einem Herrscher gebührt. Doch viele der Menschen in Baltora wissen nicht, welches Monster wirklich auf dem Thron sitzt. Sie glauben sogar an die Gutmütigkeit des Imperators und dass er alle Länder vereinen wird, damit es nie wieder Krieg gibt.

      Worüber die Bürger Amateas aber nie nachgedacht haben, ist die Tatsache, dass nie Krieg ausgebrochen wäre, wenn das Imperium nicht gewesen wäre. Bevor dieses entstanden ist, herrschte in allen Ländern Frieden und niemand riss sich darum, ein Reich nach dem anderen zu erobern.

      Ich lasse meine Stirn gegen das kühle Fenster sinken und schaue zu meiner Hand hinunter, deren Entzündung dank der ›Heilungs‹-Rune von Torava verschwunden ist. Sie pocht nun auch nicht mehr, dennoch schmerzt sie, sobald ich sie nur bewege oder die Finger krümme.

      Als mein Blick erneut nach draußen gleitet, richte ich meine Augen auf den Himmel, der mit Abertausenden von Sternen besetzt ist. Er erinnert mich an Urnach, das Dorf, in dem ich aufgewacht bin, weil Mutter mich vor dem Imperator beschützte. Ich wünschte mir so sehr, ich könnte dorthin zurück, um die Dinge ungeschehen zu machen und meinen dummen Fehler zu beheben.

      Vielleicht hat Torava recht und es ist unmöglich, diesem Palast zu entkommen. Aber der Imperator kann mich nicht ewig hier festhalten, da auch mein Körper irgendwann vergehen wird oder mich dieser Wahnsinn hier letztendlich zum Tod führt.

      Als ich die leuchtende Lotusblüte ins Visier nehme, bemerke ich den Schatten eines Vogels, der daran vorbeifliegt. Dabei fällt mir ein, dass ich selbst auch nur Flügel bräuchte, um dem Turm zu entkommen. Ich könnte aus dem Fenster springen und müsste nie wieder zurückkehren.

      Um ein wenig frische Luft einzuatmen, betätige ich den Griff und reiße das Fenster auf. Kalte Nachtluft weht mir ins Gesicht, doch ich genieße diesen Duft, der mich an den Wald und das Leben außerhalb dieses Palastes erinnert.

      Gerade als ich wieder zu den Sternen schaue, fällt mir erneut der Schatten des Vogels auf. Ich frage mich, welche Art zu so später Stunde noch auf der Jagd ist und weshalb ausgerechnet über den Palastdächern, wo es weit und breit keinen erdigen Boden gibt.

      Als der Vogel zu kreischen beginnt, erkenne ich anhand des Klanges, dass es sich dabei um einen Falken handelt. Aber es ist nicht irgendein Falke.

      Überrascht reiße ich die Augen auf und beginne heftig mit den Armen zu fuchteln. »Neagan!«

      Der Vogel mit dem roten Gefieder kommt im Sturzflug in meine Richtung geschossen, sodass ich zur Seite springe und der Falke wild durch das Zimmer saust.

      Mit klopfendem Herzen begrüße ich meinen alten Freund, der Finn und mich seit unserem Wiedersehen an den Grenzen zu Oceana begleitet hat. Voller Vorfreude warte ich, bis sich der Falke gesetzt hat und auf dem Pfosten des Bettes Platz findet.

      Es tut so gut, ihn zu sehen und zu wissen, dass ihm nichts passiert ist. An seinem Fuß fällt mir ein kleiner weißer Zettel auf, den ihm wohl jemand angebunden haben muss.

      Vorsichtig nähere ich mich ihm und nehme den Zettel entgegen. Er lässt es zu, dass ich die Schnur löse und die Nachricht öffne.

      Rave, wir sind in die Wasserstadt geflohen, wo wir Schutz bei der Königin fanden. Baltora ist von mächtigen Barrieren umgeben, gegen die unsere Kräfte machtlos sind. Wir arbeiten daran, gemeinsam mit dem Erbauer Runen zu schmieden, um zu dir durchzudringen. Ich hoffe, dir geht es gut. Halte durch.

      I.

      I wie

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