Скачать книгу

als wäre ich eine Schande für dieses Bankett. Lokris, Lokrezia und Roan sehen ebenfalls neugierig zu mir, weil ich erneut ihrem Essen beizuwohnen scheine.

      Aber was ich dann entdecke, raubt mir jeglichen Atem. Direkt neben dem Imperator sitzt eine zierliche, schlanke Gestalt in einem cremefarbenen Kleid auf dem Platz der Gattin des Monsters. Die dunkelbraunen Augen und ihr langes, blondes Haar verraten mir, dass es sich dabei um Torava handelt.

      Nein. Beim Schöpfer! Wieso hat sie es mir nicht erzählt?

      Laut ihrem Blick scheint es sie mit Schmerz zu erfüllen, wie ich sie ansehe. Was muss das für eine Qual sein, an der Seite dieses Monsters zu leben?

      »Er starb jedoch kurz darauf. Er ließ mich und meinen Sohn zurück«, höre ich Torava in meinem Kopf sagen. »Der einzige Ausweg, um meinen Sohn und mich in diesem goldenen Palast weiterhin beschützen zu können, war, eine neue Ehe einzugehen.«

      Dann ist Roan … Großer Schöpfer! Er ist mein verdammter Cousin? Aber was ist mit den anderen beiden? Von wem sind diese Kinder? Auch von ihr? Wieso hat sie nichts erwähnt? Weiß Torava außerdem, was ihr Sohn Grauenvolles in den Gewölben tut? Wenn ja, kann sie ihn dann trotzdem lieben und beschützen wollen?

      Vermutlich hat sie sonst niemanden außer Roan.

      Doch noch viel eher schockiert mich, in welcher familiären Beziehung ich zum Imperator stehe.

      Wir sind verschwägert! Der Gedanke ist so widerlich, dass mir augenblicklich schlecht wird und ich die Magensäure in meinem Hals aufsteigen spüre.

      Außerdem quält Roan Finn! Er wurde eindeutig von seinem neuen Vater auf diesen Pfad geleitet. Vermutlich hat Torava noch nicht einmal ein Mitspracherecht.

      Wie grausam ist ihr Leben in diesem Palast wirklich? Allein die Vorstellung, diesem Monster beizuwohnen, der keinerlei Gefühle zeigt, geschweige denn weiß, was Sanftheit oder Güte bedeutet, verpasst mir einen eisigen Schauer.

      Hat sie es mir deshalb verschwiegen? Aus Angst, dass ich sie sofort verstoßen hätte? Wer will schon etwas mit der Ehefrau des Imperators zu tun haben?

      Ich weiß nicht, wie lange ich da so regungslos im Raum stehe und zu Torava starre, doch dem Imperator scheint das gar nicht zu gefallen. »Ravanea, setz dich.«

      Lokris schiebt einen Stuhl zurück, da direkt neben ihm ein Platz frei ist. Dieser Abend wird noch viel schlimmer als der vorherige. So viele fremde Augen starren mich an, als wäre ich das Monster in diesem Raum. Ohne sie wirklich ansehen zu müssen, spüre ich ihre verachtenden Blicke auf mir.

      Als ich Platz genommen habe, beugt sich Lokris zu mir und haucht mir ins Ohr: »Du siehst heute wieder einmal zauberhaft aus, Ravanea. Vater hat mir erlaubt, dich heute Abend ganz für mich zu haben.«

      Mein Atem stockt, als ich das höre, und mir wäre beinahe das Herz stehen geblieben. Der Imperator will mich wirklich quälen und vermutlich versuchen, meine Seele zu brechen, bis ich den Verstand verliere. Dann bin ich ihm ergeben und er kann machen, was er will.

      Obwohl ich weiß, dass der Schock tief in mir sitzt, habe ich es dem kleinen Fläschchen von Torava zu verdanken, dass ich nicht die Fassung verliere und in Tränen ausbreche. Die Flüssigkeit scheint nicht nur äußerlichen Schmerz zu lindern, sondern auch den inneren. Jedenfalls muss ich sie darum bitten, mir mehr davon zu brauen, denn sonst werde ich das in nächster Zeit nicht aushalten. So eine große Angst hatte ich schon lange nicht mehr.

      Der Adlige neben mir rückt von mir weg, als wäre ich ein widerliches Insekt, mit dem er nichts zu tun haben will. Ich höre, wie sie leise über mich tratschen und mich als Schande und Mörderin bezeichnen. Dabei haben sie gar keine Ahnung, wer hier die meisten Leben auf dem Gewissen hat.

      Diese Adligen sind allesamt so dumm.

      Ich bemerke, wie Lokrezia sich zu Roan beugt. »Das ist so widerlich. Sie sieht fast aus wie Mutter. Einfach ekelhaft.«

      Obwohl ihre Worte wie Messer in meine Brust schießen, wird mir augenblicklich klar, was der Imperator bei unserem letzten Treffen gemeint hat.

      »Dein Aussehen widert mich so sehr an, dass ich es damals nicht einmal über mich brachte, dein Gesicht zu verunstalten, als ich dich in den Gewölben festhielt.«

      Er verschonte mein Gesicht, weil es ihn an seine Gattin erinnerte. Ich kann nicht erklären, was für ein kranker Gedanke dahintersteckt, aber es wäre eine logische Erklärung.

      Vielleicht glaubte er, er füge ihr damit Schmerzen zu. Aber bedeutet das dann, er liebt sie? Kann er das überhaupt? Oder ist sie für ihn nur ein kostbarer Besitz, den er nicht verunstalten möchte?

      Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als der Imperator die Stimme erhebt. »Sprecht, Ganora«, fordert er eine Dame am Ende des Tisches auf, deren Augen glasig sind.

      Ihre Haare sind goldblond und lockig. Sie wirkt jung, obwohl sie das nicht zu sein scheint, denn unter ihren Augen erkenne ich eindeutig ein paar Fältchen. »Ihr seid eine dreckige Schlampe, Ravanea Cahem.«

      Ihre Worte verpassen mir einen harten Stich. Deshalb hat der Imperator mich hierhergebracht. Er setzt mich den Leuten zum Fraß vor. Aber woher ist mir ihr Name so bekannt?

      »Ihr habt meinen Sohn getötet, als er auf der Jagd nach Euch gewesen ist«, brüllt sie verbittert über den Tisch.

      Was zum …?

      Das ist Finns Mutter, die der Imperator eingeladen hat! Wie kann er nur? Sie wird sich nichts sehnlicher wünschen, als mich auf der Stelle zu töten. Ich bin schuld daran, dass Finn gestorben ist.

      Dann weiß sie also nichts davon, dass er hier gefangen gehalten wird? Vielleicht kann ich den Spieß ja umdrehen, indem ich die Informationen preisgebe, die sie noch nicht kennt.

      Was für eine Qual ist es für sie, mit der Mörderin ihres Sohnes an einem Tisch zu sitzen und mit ihr zu speisen? Er quält nicht nur mich damit, sondern auch sie. Was für ein Bastard!

      »Ich habe ihn nicht …«, will ich mich gerade rechtfertigen, als eine weitere Frau neben ihr aufsteht und mich erbost anblickt.

      »Schweigt! Ihr habt nicht das Recht, zu sprechen. Ich wollte sowieso schon immer dem Mörder meines Bruders in die Augen sehen und dafür beten, dass Ihr elendig verreckt«, kreischt sie wütend. »Ihr habt ihm den Kopf verdreht, ihm eingeredet, sich gegen das Imperium zu wenden!«

      Ich kriege beinahe keine Luft mehr, da mich die ganzen Vorwürfe so sehr erdrücken. Obwohl ich nicht an allem die Schuld trage, tue ich es irgendwie trotzdem. Es fühlt sich an, als würde jeder von ihnen mit einem Stein nach mir werfen und mich unter dem Haufen langsam begraben.

      Mit aller Kraft versuche ich stark zu bleiben, doch mein inneres Chaos sagt mir etwas anderes. Verkrampft lege ich den gesunden Arm um meine Mitte und presse ihn an mich. Wann hört das auf?

      »Aber, aber, meine Damen«, schreitet unerwartet Roan mit einem zauberhaften Lächeln auf den Lippen ein. »Wir haben für heute Abend eine kleine Überraschung für Euch mitgebracht. Mein Vater und ich haben dank unserer heiligen Quelle ein Mittel zusammengestellt, das Euren geliebten Finn wiederbelebt hat.«

      »Was?«, entfährt es dem Mann neben Ganora, bei dem ich vermute, dass es sich um Finnicars handelt, seinen Vater. Er sieht ihm so unfassbar ähnlich. Sie besitzen dieselben dunklen Augen und das haselnussbraune Haar.

      »Er … lebt?«, ruft Ganora aufgeregt und hält sich vor Schreck die Hände über den Mund.

      Mir wird mit einem Schlag klar, dass die hier lebenden Adligen im Palast anscheinend nicht viel mitbekommen. Obwohl draußen irgendjemand Finn erkannt haben muss, als sie uns mit Schimpfwörtern bedachten, begriff nicht einmal die Familie selbst, dass ihr Sohn lebt. Möglicherweise lässt der Imperator aber auch nur die Informationen an ihre Ohren, die er für sie bestimmt. Er hält sie alle wie Tiere in Käfigen.

      »Ja, und dank der heiligen Quelle meines Vaters konnten wir ihn wieder unter die Lebenden bringen.«

      Die Freude, die ich zuvor in Ganoras Augen habe funkeln sehen, ist

Скачать книгу