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aWay. Nic Jordan
Читать онлайн.Название aWay
Год выпуска 0
isbn 9783958893757
Автор произведения Nic Jordan
Жанр Книги о Путешествиях
Издательство Bookwire
Mit einem kurzen Zögern riss Dieter nun das Lenkrad nach links und hielt an dem Seitenstreifen. Er ließ mich wortlos aussteigen und raste schnell davon. Erleichtert fiel ich auf meine vor Adrenalin zitternden Knie.
Natürlich weiß ich bis heute nicht, ob der Mann in dem Kleintransporter tatsächlich eine Bedrohung für mich war, aber alle meine Alarmglocken waren gleich in dem Moment angegangen, als ich die Autotür hinter mir geschlossen hatte. Ich war einfach nur heilfroh, nicht mehr in diesem stinkenden Fahrzeug zu sitzen, neben diesem unheimlichen Mann. Alles andere war gerade Nebensache.
Was nun? Ich stand mitten auf der Autobahn, umgeben von dichtem Gestrüpp und Wald. Mein Herz raste, und ich fühlte mich absolut noch nicht bereit, in das nächste Auto zu steigen. Es blieb mir nichts anderes übrig, als auf der Seitenspur entlangzulaufen, bis mir etwas Besseres einfiel. Die Blicke der vorbeifahrenden Menschen lösten zusätzlichen Stress aus. Viele tippten mit ihrem Zeigefinger gegen ihren Kopf, um mir zu signalisieren, dass ich verrückt sei. All dies versuchte ich zu ignorieren. Den Fakt, dass mein Vorhaben und meine Situation verrückt waren, mussten mir keine Fremden erklären.
Nach circa einer halben Stunde Wanderung erblickte ich einen weiteren Kleintransporter, der auf dem Seitenstreifen geparkt war. Als ich mich ihm näherte, erkannte ich ein polnisches Nummernschild. Der Fahrer stand an der Rückseite des Fahrzeugs und versuchte anscheinend etwas zu reparieren. Da meine Eltern aus Polen stammen, beherrsche ich die Sprache, also fragte ich, ob er Hilfe bräuchte, und einen Augenblick lang sah er mich verdutzt an. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ihn eine junge Frau mitten auf der Autobahn ansprechen würde und vor allem nicht in seiner Landessprache.
Sein rundes Gesicht lief rot an, und er zeigte mir alle seine fünf verbliebenen Zähne. Jurek hieß er und war zum Stehen gekommen, weil ihn ein klapperndes Geräusch unruhig gemacht hatte. Er hatte zuerst das Innere seines Transporters unter die Lupe genommen, konnte aber die Ursache des mysteriösen Klapperns nicht finden. Erst als er um das Fahrzeug herumlief, um Pinkeln zu gehen, stellte er fest, dass hinten die Plane nicht richtig befestigt und beim Fahren vom Wind immer wieder gegen die Seite des Fahrzeugs gepeitscht worden war. Wir versuchten gemeinsam, das Problem zu lösen, während er mir von seiner sechsköpfigen Familie erzählte und ich ihm von meinem Vorhaben. Jurek wollte unbedingt Teil von meiner Reise sein und bat mich darum, mit ihm ein Stück mitzufahren.
Die Reparaturen waren beendet, und Jurek war mir sympathisch. Ohne zu zögern, hüpfte ich auf den Beifahrersitz. Meine Hand wanderte suchend Richtung Gurt, und Jurek stellte einen Radiosender ein. Aus dem Nichts heulten hinter uns Sirenen auf, und grelles Blaulicht flackerte im Rückspiegel. Auch das noch. Ein Polizeibeamter erschien im Fenster und fragte, wieso wir hier standen, und als ich anfangen wollte zu erklären, verbat er mir den Mund mit dem Satz: »Ich habe nicht dich gefragt, zu dir komme ich gleich!« Leider merkte ich in dem Moment, dass mein polnischer Freund kaum ein Wort der englischen Sprache beherrschte. Irritiert und Hilfe suchend sah er mich an und fummelte dabei nervös mit seinen Wurstfingern im Handschuhfach rum, um seine Papiere zu finden. Ich drehte mich noch mal zu dem Beamten und erklärte ihm, dass der Mann kein Englisch sprach, woraufhin er nur laut auflachte und mich fragte, wieso ich Jurek dann in solch eine Situation brachte. Ich verstand nicht ganz, was hier vor sich ging, bis er mich beschuldigte, Autos mitten auf der Autobahn angehalten und somit mich und die Fahrer in Gefahr gebracht zu haben. Das sei schließlich eine Straftat, und dem Fahrer und mir drohe jetzt eine Anzeige. Ein Streit entfachte, da der Polizist mir nicht glauben wollte, dass der polnische Lkw-Fahrer rein zufällig auch auf der Seitenspur gehalten hatte, um sein Fahrzeug zu reparieren. Jedes Mal, wenn ich etwas sagen wollte, befahl mir der Polizist »die Schnauze zu halten«. Er verlangte nach unseren Ausweisen, um unsere Personalien durchzugeben. Er hoffte gierig darauf, dass einer von uns bereits eine Vorstrafe hatte, um uns festnageln zu können. Zu seinem Bedauern musste er feststellen, dass weder Jurek noch ich Dreck am Stecken hatten und er nicht beweisen konnte, dass ich meinen Fahrer tatsächlich zum Stehen gebracht hatte. Er musste uns wohl oder übel gehen lassen. Als ich zurück ins Auto steigen wollte, stellte sich der Polizist vor die Tür und sagte: »Du nicht! Wie ein ganz normaler Mensch wirst du mit dem Zug weiterfahren und dich hier nicht durchschnorren, und wenn ich dich noch mal auf der Autobahn oder in einem fremden Fahrzeug erwische, finde ich einen Grund, deinen Fahrer und dich einzusperren.«
Mein polnischer Freund verabschiedete sich wehmütig und fuhr davon. Die Polizei brachte mich auf eine Landstraße, die per Fußweg circa vier Kilometer von der nächsten Zughaltestelle entfernt war. »Viel Glück beim Laufen, du Schnorrer!«
Hungrig und durstig und mittlerweile auch echt erschöpft und mit schmerzendem Rücken machte ich mich an den Fußweg Richtung Bahnhaltestelle. Ich wollte mich nicht stressen, denn auch das war Teil dieser Reise und würde mich irgendwann über einem Glas Wein beim Erzählen zum Schmunzeln bringen. Der Rebell in mir wagte es nach der Hälfte des Wegs aber doch, den Daumen rauszustrecken. Oder vielleicht war es auch mein knurrender Magen. Jedenfalls dauerte es diesmal nicht lange, bis ich den vorbeifahrenden Autos auffiel. Zwei junge Französinnen, die erst an mir vorbeifuhren, drehten extra noch mal um und brachten mich zum Hafen in Dover.
Dort angekommen, war ich überrascht, denn vor dem Auto-Check-in standen tatsächlich sechs weitere Tramper mit Schildern und hatten, wie es aussah, die gleiche Idee wie ich. Da meine Chancen schlecht wären, wenn ich mich zum Rest der bunt bekleideten Meute gesellen würde, stellte ich mich vor ein kleines Pub um die Ecke und versuchte dort mein Glück. Mit geschlossenen Augen sammelte ich mich und versuchte, die negativen Energien der letzten Stunden abzuschütteln. Das Meer flüsterte mir die Worte zu: »Du hast es fast geschafft, du bist schon weit gekommen«, und mit einem Lächeln streckte ich meinen Daumen raus.
Es wurde langsam kalt, und die Sonne verschwand glorreich hinter den Hügeln der Hafenstadt. Leider dauerte es über dreißig Minuten, bis endlich jemand anhielt, und die Fähre, die ich nehmen wollte, war bereits weg. Mal wieder war es ein Mann in einem Kleintransporter, und ich versuchte, diesmal genau hinzusehen bei der Auswahl meiner Mitfahrgelegenheit.
Er hielt mitten auf der Straße, ohne Rücksicht auf die anderen Autos zu nehmen. Sein kleiner Kopf ragte aus dem Fenster, und er sagte: »Ich nehme das Schiff in dreieinhalb Stunden und kann dich gerne mitnehmen.«
Schon bei dem Wort ›Schiff‹ war mir klar, dass der Kleine ein Talent für Übertreibungen hatte. Ich musterte ihn und fragte, was er hinten in seinem Anhänger hatte.
Auf einmal wurde sein Gesicht ganz ernst und von Stolz erfüllt: »Ein Aston Martin Baujahr XYZ mit Spezialreifen von Keineahnungwas …« Seine Augen glitzerten, als er mir das Fahrzeug beschrieb, aber ich verstand kein Wort mehr. Es war, als hielte er eine Rede, die ich danach benoten sollte, und für den Fall, dass mir etwas entgehen würde, wiederholte er jedes zweite Wort. Während seines gesamten Monologs behielt er mein Gesicht fest im Blick und hoffte auf eine Reaktion. Doch vergeblich.
Ich saß täglich in so vielen Fahrzeugen, konnte aber nicht mehr als drei Hersteller nennen, geschweige denn sie unterscheiden. Aber als ich die Leidenschaft aus seinen Augen strahlen sah, hatte ich im Gefühl, dass er kein schlechter Kerl sein konnte, und kletterte auf den Beifahrersitz. Er hatte eine unschuldige Art an sich, fast wie ein Kind, und schien, soweit ich das beurteilen konnte, harmlos zu sein. Wir fuhren zum Check-in, um uns zu registrieren, hatten aber noch locker zwei Stunden totzuschlagen, und ich war mittlerweile wirklich ausgelaugt. Zum dritten Mal fragte ich den Kleintransporterfahrer, wie er hieß, doch mein Kopf konnte heute nichts mehr aufnehmen. Er war halb Grieche und halb Albaner, entsprechend kompliziert war auch sein Name. Auf die Frage, ob er denn keinen Spitznamen hätte, reagierte er alle drei Male überhaupt nicht, als würde ich plötzlich eine andere Sprache sprechen, also beließ ich es dabei mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass ich ihn nach den nächsten Stunden eh nie wiedersehen würde.
Mittlerweile war es finster, und wir beschlossen, in einem Pub zu Abend zu essen. Je mehr Zeit verging, desto mehr seltsame Eigenschaften stellte ich an meinem Begleiter fest. Wenn er Geschichten erzählte, nuschelte er monoton