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alter Freund“. Die Hochzeit wurde jedoch verschoben. Vor der Abreise Richtung Nordpol im Mai 1872 bat Payer den Freund, der Verlobten in allen Dingen hilfreich zu sein. Noch aus Bremerhafen schrieb er ihm einen herzlichen Abschiedsbrief und instruierte ihn nochmals, sich im Sinne des Freundes um Marie Trousil zu kümmern.

      Nach der Rückkehr von der abenteuerlichen Polarreise im September 1874 stand Menzinger wieder an seiner Seite. Payers polare Abenteuer wurden zum Bestandteil seines eigenen Schaffens. Nach Payers Vorlagen und Motiven malte er Bilder in Farbkreide und Pastell wie etwa das Bild „Polarnacht“ mit der „Tegetthoff“ im Eis (Städtisches Museum Überlingen, LLM A 26). Über Briefe blieben die Freunde weiterhin in ständigem Kontakt. Nach der Trennung von Frau und Kindern war Menzinger der erste, den Payer im Sommer 1890 in Überlingen für vier Tage besuchte.

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      General Franz von Kuhn (Mazzoli 2003)

       DER LEUTNANT UND DER GENERAL

      Die für Julius Payers Leben alles entscheidende Begegnung war jene mit General Franz von Kuhn (1817–1896). Franz Freiherr Kuhn von Kuhnenfeld hatte 1860 in Trient das Kommando über das 17. Infanterieregiment übernommen. 1862 wurde der ausgewiesene Kenner Tirols Generalmajor und Brigadier. In dieser Position lernte ihn der junge Leutnant Julius Payer kennen. General Kuhn war von 1868 bis 1874 k. u. k. Kriegsminister und reorganisierte mit der ihm eigenen Tatkraft das Wehrwesen der Monarchie. 1873 stieg er in den Rang eines Feldzeugmeisters auf und wurde nach seinem Abschied als Minister Kommandierender General in Graz. 1888 wurde er mit großen Ehren in den Ruhestand verabschiedet.

      Die so bedeutende Begegnung zwischen Payer und Franz von Kuhn ereignete sich im September 1864. Payer hatte 17 Tage Urlaub vom Heeresdienst, den er kartografischen Aufnahmen in der Adamello- und Presanellagruppe widmete. Auf dem Rückweg kam er durch Tione und meldete sich vorschriftsgemäß beim örtlichen Kommandanten. Es war ein Major der Jäger, mit dem Payer im selben Regiment gedient hatte und der ihn zur Übernachtung einlud. Am nächsten Morgen verabschiedete sich Payer von seinem Gastgeber und bestieg ein Fuhrwerk, das ihn nach Trient zur Bahn bringen sollte. In letzter Minute eilte der Major herbei, um ihm ein Fässchen mit lebenden Forellen anzureichen. Payer sollte dieses Fässchen seiner Exzellenz General von Kuhn übergeben. Am selben Nachmittag meldete er sich in Trient bei dem General, stellte sich vor und überreichte ihm auftragsgemäß die lebendige Fracht. Der General, hemdsärmelig zivil und ohne Uniform, fragte den Leutnant nach seinem Treiben. Daraus entwickelte sich ein Gespräch, das für Payer weitreichende Folgen haben sollte. Payer skizzierte den Dialog 1909, also Jahrzehnte später, aus der Erinnerung (Müller 1956, S.14):

       Kuhn: Was machen Sie hier?

      Payer: Ich reise nach Verona und komme vom Adamellogebirge.

       Kuhn: Was haben Sie dort gemacht?

      Payer: Eine neue Karte.

       Kuhn: Waaas? Eine neue Karte? Wo ist sie?

      Payer lief in die Unterkunft und holte seine neue Adamellokarte. General Kuhn zog inzwischen seine Uniform mit dem goldenen Kragen an. Payer trug noch immer sein abgetragenes Jägergewand und die festen Bergschuhe mit Nägeln. Er zeigte die Karte vor.

       Kuhn: Die haben Sie gemacht? Aus eigenen Mitteln?

      Payer: Ja, Exzellenz.

       Kuhn: Sind Sie so reich?

      Payer: O nein, ich lebe von meiner Gage.

       Kuhn: Wie ist das möglich?

      Payer: Ich spare. Ich esse Polenta und in den Bergen nur Brot.

      Kuhn: Da bewundere ich Sie und bemitleide Sie. Freilich, bei uns hat man für die Wissenschaft kein Geld. Wäre ich Kriegsminister, dann hätten Sie ihre Arbeiten auf Kosten des Staates fortzusetzen und nicht mehr zu darben.

      Dabei soll Kuhn seine Hände auf Payers Schultern gelegt haben. Die Forellen wurden auf diese Weise zur Schicksalswende in Payers Leben. Er wählte später drei große Forellen in Silber als Motiv für sein Wappen. General Franz von Kuhn wurde vier Jahre später tatsächlich Kriegsminister. Er berief Payer Anfang 1868 von seinem Regiment ab und bestellte ihn als Generalstabsoffizier zum Militärgeographischen Institut nach Wien. Dessen Direktor, der spätere Feldmarschallleutnant August von Fligely, förderte Payer nach Kräften. General Kuhn schenkte Payer zum Antritt der neuen Stellung einen Theodolit, mit dem er die neuen Karten vom Ortler- und Adamellogebiet entwerfen sollte. Im Jahr 1868 war Julius Payer jetzt in offiziellem Auftrag mit Theodolit und Vermessungswerkzeugen im Ortlergebiet (Martell, Laas und Saent) unterwegs. Kuhn sollte auch später noch Payers Gönner bleiben.

      Nach Beendigung der spätsommerlichen Vermessungs- und Erschließungsarbeiten am 17. Oktober 1868 reiste Payer zurück von Pinzolo über Tione, Bozen und Innsbruck nach Wien. Zuhause waren zwei hocherfreuliche Nachrichten eingetroffen. Die Universität Halle hatte ihm aufgrund seiner Verdienste um die Erschließung der Alpen das Ehrendoktorat verliehen. Von seinem Freund und Verleger August Petermann lag ein Brief vor, in dem er ihn in seiner Eigenschaft als Bergsteiger und Topograf zur Teilnahme an der Zweiten Deutschen Nordpolexpedition einlud. Payer war davon begeistert und sagte sofort zu. Zunächst aber blieb er Lehrer für Geschichte an der Militärakademie in Wien. Für seine Teilnahme an der Zweiten Deutschen Nordpolexpedition, die am 15. Juli 1869 beginnen sollte, entband ihn Kriegsminister Kuhn im Januar 1869 von seinen militärischen Dienstpflichten.

       KAPITEL 2

       ALPINISTISCHE ANFÄNGE: DAS GLOCKNERGEBIET

      Wenn einem Alpinisten der Name Payer genannt wird, dann denkt er an die Blütezeit des klassischen deutschen Alpinismus. Waren noch Anton von Ruthner, J. A. Specht und Johann Jakob Weilemann die Bahnbrecher im mittleren 19. Jahrhundert, dann begann mit den 1860er-Jahren die Zeit der großen Erschließer und Bergeroberer. Diese Männer widmeten ihre Tätigkeit einer bestimmten Berggruppe. Mit einer Kette von Bergbesteigungen strebten sie die topografische und wissenschaftliche Erfassung sowie die touristische Erschließung ihres Alpenteils an. Hierzu gehören Namen wie Paul Grohmann und Franz Senn genauso wie die großen britischen Alpenklubisten Francis Fox Tuckett und Douglas William Freshfield. Neben diesen steht Payer in der ersten Reihe des Alpinismus.

      Gewissermaßen als Prolog für einen atemberaubenden bergsteigerischen Werdegang machte Julius Payer als junger Leutnant 1862 seine ersten Erkundungen in den zwischen der Stadt Verona und dem Pasubio gelegenen Monti Lessini und am Monte Baldo (Müller 1956, S. 3). Sein erster Gipfel war die Cima Posta (2215 m), gefolgt vom Monte Pasubio (2232 m) und dem Corno d`Aquilio (1545 m), alles eher leichte Unternehmungen. Dennoch beabsichtigte er, diese Besteigungen zu publizieren. Er schickte Skizzen und beschreibende Texte seiner Wanderungen an die „Leipziger Illustrierte Zeitung“ mit Bitte um Abdruck gegen Honorar. Als Antwort musste er lesen, dass sich die Leserschaft nicht für das Gebirge interessiere.

      An dieser Stelle zeigt sich jedoch, worauf Payer in der Zeit seines alpinistischen Wirkens Wert legte. Er strebte immer nach öffentlicher Wirkung und Anerkennung. Dabei kam ihm zugute, dass er ein Vielfachtalent war. Dem versierten Bergsteiger gelang es, seine Routen und Besteigungen exakt zu vermessen und kartografisch wiederzugeben. Die Fähigkeit des Zeichnens, vom Vater erlernt und in der Militärausbildung vertieft, ließ ihn allerorten exakte Skizzen und Zeichnungen anfertigen. Die Vermittlung seiner Unternehmungen wäre blass geblieben, hätte er nicht eine Sprache von großer Ausdruckskraft und Humor gehabt, verbunden mit literarischer Qualität. Seine Beschreibungen waren in den wissenschaftlichen Abschnitten sachlich, fachlich ambitioniert und präzise beschreibend. Payer beherrschte die Kommunikation mit seinen Lesern. Bei ihm folgte jeder alpinen Saison umgehend die Beschreibung und Auswertung der Ergebnisse, selbstverständlich unter Vorlage der neu erstellten Karte.

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