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zum Pionier der Alpinistik in dieser wunderbaren italienischen Gebirgsregion.

      KAPITEL 4

      PAYERS ZWEITE HEIMAT: DER ORTLER

       SULDEN-GEBIET (1865)

      Im Sommer 1865 lenkte Julius Payer seine Aufmerksamkeit auf die Ortler-Alpen, vor allem auf das Tal von Sulden mit dem sich im Süden anschließenden Gebirgsstock des Monte Cevedale. Der Hauptgrund für seine Besteigungen war die Verbesserung der Karten dieses Gebietes, da alle vorliegenden Blätter in den Einzelheiten der Nomenklatur und der Gebirgsformationen unzureichend waren. Die Maßstäbe der Karten waren alle zu klein, so hatte die Tiroler Generalstabskarte nur einen Maßstab von 1:144.000 (1 Zoll = 2000 Klafter). Zur Zeit ihrer Anlage im frühen 19. Jahrhundert fanden die Hochlagen der Gebirge kaum Berücksichtigung im Kartenbild. In dieser Hinsicht bedeutete Payers Karte mit 1:48.000 einen gewaltigen Fortschritt. Die Ortler-Alpen waren das höchste Gebirgsmassiv der Monarchie. Sie bilden eine gewaltige Felsmasse mit scharf ausgezackten Kronen und wilden Gebirgsspitzen, drapiert von ansehnlichen Gletschern in den oberen Bereichen, die teilweise bis zu den Talsohlen herabreich(t)en. Die Einfassung des Gebirgsstocks erfolgt im Norden durch den Taleinschnitt von Trafoi und im Osten durch den von Sulden. Das Suldental wurde zum Ausgangspunkt der Erkundungen im ersten Jahr. Die Bevölkerung des gesamten Tales betrug 180 Seelen mit St. Gertraud als größter Ansiedlung. Hier kam Julius Payer am 23. August 1865, aus Wien kommend, an.

      Payers Wirt in St. Gertraud war Pfarrer Eller (1829–1901), der seit 1863 in Sulden als selbständiger Geistlicher mit dem Titel eines Curaten tätig war. In seinem Pfarrhaus neben der Kirche, „Widum“ genannt, hatte er drei Zimmer für sechs Gäste zur Verfügung. Eller empfahl Payer als einzigen tauglichen Führer des Suldentales den Holzarbeiter Johann Pinggera (1837–1916), später „der alte Honnesle“ genannt. Mit Pinggera sollte Payer auf seinen weiteren Exkursionen im Ortlergebiet einen idealen Partner für seine hochalpinen Unternehmungen gefunden haben. Er beschrieb ihn (Payer 1865, S. 7) als 29 Jahre alt, untersetzt, stark, von sicherer Kühnheit, munterem, bescheidenem Wesen und von mäßiger Intelligenz, die bei den vorgenannten Eigenschaften gerne in Kauf genommen werden konnte.

      Königspitze vom Eisseepass, aquarellierte Zeichnung 1865 (PGM Ergänzungsheft 18)

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      St. Gertraud (Sulden), Zeichnung um 1880 (Th. Christomannos, Sulden – Trafoi, Innsbruck 1895)

      Am 24. August erfolgte die Besteigung der Suldenspitze (3376 m). Da Pinggera den Aufbruch versäumt hatte, begleitete Veit Reinstadler den Bergsteiger. Gewohnheitsmäßig machte Payer an markanten Punkten im Gelände Halt, um seine Aufnahmen und Zeichnungen anzufertigen. Um 13.45 Uhr mittags standen sie auf dem steinlosen Gipfel bei prächtiger Aussicht, umgeben von drei großen Gletschern. Um 19.15 Uhr waren sie nach 12-stündiger Abwesenheit im Widum zurück. Es folgten zwei Tage schlechten Wetters. Am Nachmittag des 27. Augusts ging Payer mit Pinggera, Veit Reinstadler und einem Träger vom Gampenhof hinaus ins Rosimtal, um gegen 19 Uhr auf 2600 m Höhe unter einem Felsen zu übernachten. Der Träger kehrte heim. Die schlaflose Nacht verursachte einen Aufbruch bereits um 4.30 Uhr morgens, so dass die drei um 7.45 Uhr den Gipfel der Vertainspitze (3545 m) erreichten. Nach zweistündigem Aufenthalt stiegen sie ab und waren um 14.30 Uhr im Gampenhof.

      Zwei Versuche zur Besteigung des Ortlers scheiterten durch Hagel und Regen. In der Nacht vom 29. auf den 30. August übernachteten sie am Fuß der Tabarettaspitze, kehrten aber um 6 Uhr morgens zum Widum zurück. Der 30. August brachte Dauerregen. Der 1. September, Payers 24. Geburtstag, begann sonnig. Sie stiegen zum Tabarettafelsen an, wurden abends aber durch Regen und Hagel zur Umkehr gezwungen. Deshalb wandten sich Payer und Pinggera am 2. September der Hinteren Schöntaufspitze (3325 m) zu. Sie passierten den Halleitpass, überquerten den Ebenwandferner und erreichten um 13.15 Uhr den klippigen Felskamm des Madritschjoches. Von hier stiegen sie in 45 Minuten zum Gipfel der Schöntaufspitze, der nur 5 Fuß im Quadrat groß war. Nach raschem Abstieg waren sie um 16.30 Uhr im Tal zurück.

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      Curat Eller vor seinem Haus (Th. Christomannos, Sulden – Trafoi, Innsbruck 1895)

      Die Besteigung des Ortlers war Payers langjähriger Wunsch. Sie wurde erst am 4. September durch klares Wetter möglich. Der Aufbruch geschah im Dunkeln um 2.15 Uhr morgens. Die Männer kamen Richtung Tabarettaspitze gut voran. Pinggera hatte den Ehrgeiz, nun „ganz allein einen Herrn auf den Ortler zu bringen.“ Während des Anstiegs leerten beide im Laufe des Vormittags drei Flaschen Wein gegen den Durst. Um 10 Uhr standen Payer und Pinggera auf dem Gipfel des Ortlers (3905 m) und genossen das Bergpanorama. Zwei Stunden lang führte Payer bei gutem Wetter auf der Spitze seine Vermessungsarbeiten durch. Als Abstieg wählten die beiden Männer den Trafoier Ortlerweg durch das Tabarettatal. Vorbei an den Heiligen Drei Brunnen waren sie um 16.45 Uhr in Trafoi und kamen um 22.15 Uhr abends in St. Gertraud an. Die Ortlerbesteigung, so schätzte Payer, war leichter als jene des Großglockners und ohne besondere Gefährlichkeit.

      Ein Tag war der Erholung gewidmet. Am 6. September brach Payer bereits um 3.15 Uhr in der Früh mit Pinggera und Joseph Rainstadler als Träger zur Königspitze auf. Um 4.30 Uhr waren sie schon an der Schönleitenhütte. Der Weg ging über den Suldenferner zum Fornopass (= Cedec-Pass zwischen Kreilspitze und Schrötterhorn). Ohne Reisepass standen sie an der Grenze zur italienischen Lombardei. Diese Formalität stellte jedoch kein Hindernis dar. Auf einem Schneefeld ließen sie Rainstadler zurück, der sechs Stunden auf die Rückkehr der Gefährten warten sollte. Die Ersteigung der Königspitze (3859 m) führte Payer und Pinggera über Passagen, die zu den gefährlichsten ihrer alpinen Unternehmungen zählten. „An der Grenze des Lebens“ balancierten sie auf der Gebirgsschneide. Um 14.25 Uhr standen sie auf dem geräumigen Gipfel der Königspitze und kamen nach einem „schauerlich gefährlichen“ Abstieg zum dritten Mann zurück. Dann passierten sie, nach Süden absteigend, den Lago di Zebru und kamen um 19 Uhr zur Alpe Forno (Malga di Forni), wo bei Feuer, Wein und Heulager eine prächtige Übernachtung anstand.

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      Die „Ortler-Spitze“, Bleistiftskizze 1865 (Alpenvereinsjahrbuch 2003)

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      Johann Pinggera im Alter (Steinitzer 1924)

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      Der Monte Cevedale vom Martell-Tal aus, Holzschnitt von Edward Whymper nach einer Vorlage von Julius Payer (PGM Ergänzungsheft 29)

      Schon mitten in der Nacht wurden die Bergsteiger durch Eselsgeschrei, Flöhe, Kälte und laute Unterhaltung geweckt. Sie brachen am 7. September um 3.45 Uhr Richtung Cevedale-Spitzen auf. Schon um 7 Uhr waren sie am Cevedale-Pass. Die Besteigung des höchsten Cevedalegipfels (3762 m) beurteilte Payer als relativ mühelos. Sie erreichten den höchsten Punkt um 11.15 Uhr und verblieben eine Stunde oben. Bei einer zweiten Vesper vor dem Eisseepass um 14 Uhr mittags leerten sie das Fässchen Rotwein vollständig und gingen über den Suldenferner herab nach St. Gertraud, wo sie um 17.30 Uhr ankamen. Nach zwei Tagen, die der Ruhe und letzten Vermessungsarbeiten gewidmet waren, ging der Urlaub zu Ende. Am 10. September holte sein Freund Padilla Payer ab nach Wien.

      Die Aufnahme der Ortler-Alpen (Sulden-Gebiet und Monte Cevedale) durch Julius Payer erschien als Ergänzungsheft 18 der „Geographischen Mittheilungen“, Gotha 1867, im Umfang von 15 Seiten, einer Karte 1:48.000 und einer Ansicht im Farbdruck.

       DAS TRAFOIER GEBIET (1866)

      August Petermann war aufs Neue höchst angetan von der wissenschaftlichen

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