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schildert (Katalog 2012, S. 60). John Franklin und sein Schicksal gruben sich nachhaltig in die Vorstellungswelt des jungen Julius Payer ein.

      Das Faszinosum Franklin lebt fort. Eine entscheidende Antwort auf die Frage nach dem Schicksal John Franklins und seiner Männer erhält unsere Gegenwart. Der kanadische Ministerpräsident Stephen Harper trat am 9. September 2014 mit einer Sensationsmeldung vor die Weltpresse. Seine Behörden betrieben seit 2008 die systematische Suche nach den beiden verschollenen Schiffen „HMS Erebus“ und „HMS Terror“. Zwei Tage zuvor identifizierte ein kanadisches U-Boot in der Victoria Strait eines dieser beiden Schiffe Franklins. Es handelt sich um die „Erebus“, ein Dreimastsegelschiff von 32 m Länge und 372 Tonnen Verdrängung. Das in geringer Tiefe liegende Wrack ist in einem vergleichsweise gutem Zustand. Taucher entdeckten am 6. November sogar die Schiffsglocke. Ein Jahrhunderträtsel, das Payer lebenslang beschäftigte, ist damit gelöst.

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      Julius Payer als Leutnant, 1866 (Frontispiz aus Luciano Viazzo, Caro Ortles, Julius Payer, Cremona 1997; Katalog 2012)

      Von 1857 bis 1859 besuchte Julius Payer die berühmte Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt. Nach dreijähriger Ausbildungszeit wurde er im Jahr 1859 als Unterleutnant Zweiter Klasse zum 36. Böhmischen Infanterie-Regiment ausgemustert. Er war in der Bundesfestung Mainz stationiert, lernte aber nur wenige Monate Garnisonsleben kennen, bevor im April 1859 der Krieg zwischen Österreich und Piemont-Sardinien ausbrach. In der Doppelschlacht von Solferino und San Martino am 24.6.1859 kämpfte der 18-Jährige mit seinem Regiment derart tapfer, dass er das Verdienstkreuz mit Kriegsdekoration erhielt (Müller 1956, S. 2). Die Schlacht ging dennoch für Österreich verloren, da es die Lombardei mit Mailand an das neu gegründete Königreich Italien abtreten musste. Venetien bis zum Po mit Verona und der Grenzfestung Mantua blieben weiterhin Teil Österreichs. Mit einer Monatsgage von 36 Gulden wurde Julius Payer nach der Schlacht zum Leutnant befördert.

      Payers Liebe zu den Bergen erwachte, wie er selbst schrieb, in Verona, wo er ab 1860 stationiert war. Vom Exerzierplatz aus sah er mit Sehnsucht auf den Monte Baldo. Es begeisterte ihn, wie die eisbedeckten Spitzen der Alpen aus der blühenden Landschaft ragten. In diesen Momenten entschloss er sich, seine gesamte freie Zeit, alle seine Kräfte und sein weniges Geld der Eroberung dieser unerforschten Schönheiten zu weihen. Er stellte dabei fest, dass die bestehenden Karten unzulänglich und mangelhaft waren. Daher setzte sich Payer, nun 21-jährig, das Ziel, die Erforschung und Kartierung unbekannter Alpenregionen durchzuführen. Die Mittel für die notwendige Ausrüstung ersparte er sich aus seiner geringen Gage. 1862 bestieg er seinen ersten Berg. Es folgte eine Versetzung nach Venedig. 1864 wurde er Kommandant eines Forts am Canale Lombardo bei Chioggia und zugleich zum Leutnant Erster Klasse befördert. Für den Sommer des Jahres hatte er 100 Gulden gespart und konnte jetzt mit seinen topografischen Aufzeichnungen beginnen. Diese führten ihn im September 1864 in das Adamello- und Presanellagebiet. Das folgende Jahr war er am Ortler im Gebiet von Sulden tätig.

      Bevor Payer 1866 die nächsten Besteigungen in Angriff nehmen konnte, brach der deutsche Bruderkrieg aus. Kurz zuvor war er zum Oberleutnant befördert worden. Das mit Preußen verbündete Italien versuchte, Venetien zu erobern. Bei Custozza, einem kleinen Dorf südwestlich von Verona, stießen am 24. Juni 1866 ein österreichisches Heer mit 73.000 Soldaten unter Erzherzog Albrecht von Österreich-Teschen und ein italienisches Heer mit 65.000 Soldaten unter General Alfonso La Marmora zusammen. Österreich ging siegreich aus der blutigen Schlacht hervor, beide Parteien verloren etwa 8000 Mann.

      In der Schlacht von Custozza gehörte Payers Regiment Nr. 36 zur Infanterie-Reserve-Division unter Generalmajor Heinrich Rupprecht von Virtsolog. Payer focht im Infanterie-Regiment Graf Degenfeld Nr. 36, kommandiert von Oberst Carl Ritter von Bienerth (1825–1882). Nach der Schlacht von Custozza wurde Payer erneut dekoriert, da er an der Eroberung zweier feindlicher Kanonen beteiligt gewesen war. Trotz der siegreichen Schlacht musste Österreich Venetien an Italien abtreten, weil Preußen nach seinem Sieg bei Königgrätz die Friedensbedingungen diktieren konnte. Von Ende 1866 und bis Frühjahr 1868 war Payer im schlesischen Jägerndorf stationiert. Seine Urlaube im Spätsommer 1866 und im Sommer 1867 widmete er der Erschließung des westlichen und des südlichen Teils der Ortlergruppe.

      Zwei Offiziere sollten Payers Leben und Wirken auf unterschiedliche Weise, doch jeder für sich sehr nachhaltig, beeinflussen: der Maler Moritz Menzinger, von Payer ausdrücklich als sein „bester Freund“ tituliert (ÖNB 373/3 Beilage 5), und der k. u. k. Kriegsminister Baron Franz von Kuhn.

       MENZINGER, DER BESTE FREUND

      Der Offizier und liechtensteinische Maler Moritz Menzinger wurde 1832 im ungarischen Karansebes geboren. Sein Vater Michael Menzinger (1792–1877) ging 1833 nach Vaduz und leitete die Landvogtei, womit der Sohn liechtensteinischer Bürger wurde. Nach Schulbesuch in Vaduz, Feldkirch und Hall in Tirol trat er 1848 als Kadett in das liechtensteinische Militärkontingent ein und wurde nach wenigen Monaten zum Leutnant befördert. Nach dem Militärdienst war er Kanzleigehilfe seines Vaters und führte Landvermessungsarbeiten durch. Dabei entwickelte er eine Vorliebe für das Zeichnen von Landschaften. 1854 begab sich Menzinger in österreichische Heeresdienste. Nach einer ersten Stationierung in Ungarn wurde er nach Mainz versetzt und von 1857 bis 1861 nach Frankfurt am Main. Dort war er Bataillons-Adjutant bei der Kommandantur und beim Präsidenten der Bundeskommission. In Frankfurt machte Menzinger die Bekanntschaft des Malers Carl Theodor Reiffenstein (1820–1893). Bei ihm erweiterte er sein zeichnerisches Können und verbesserte seine Technik des Aquarellierens. 1861 bis 1867 war er in Verona stationiert und erlebte die Schlacht von Custozza als Kompaniechef. Nach dem Krieg wurde er Zeichenlehrer an der Kadettenschule in Olmütz. 1871 erfolgten Moritz Menzingers Beförderung zum Hauptmann und die Anstellung am „Militärgeographischen Institut“ in Wien. Als Oberstleutnant und Bataillonskommandeur ging er 1889 in den Ruhestand. Seitdem lebte Menzinger, der nie heiratete, in Überlingen am Bodensee und widmete sich der Malerei. Er starb 1914, ein Jahr vor Julius Payer.

      Wann lernten sich Julius Payer und Moritz Menzinger kennen? Es trennten sie immerhin neun Lebensjahre und entsprechende Rangunterschiede. 1859 waren Unterleutnant Payer und Bataillonsadjutant Menzinger kurz in Mainz stationiert. Gemeinsam waren sie auch von 1861 bis 1863 in Verona in Garnison. Gewiss waren es die gemeinsamen Vorlieben, die Menzinger und Payer zusammenführten: die Freude am Zeichnen und an der Malerei, der Sinn für Topografie und die Fähigkeiten der Vermessung sowie die Leidenschaft für alpine Bergwelten. Verona wurde der Ausgangspunkt für gemeinsame Erlebnisse und Unternehmungen. Seitdem verloren sich die Freunde lebenslang nicht mehr aus den Augen.

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      Moritz Menzinger, Offizier und Maler, Payers bester Freund (R. Rheinberger/ N. Hasler, Moritz Menzinger 1832–1914, Konstanz 1986)

      Ein gut dokumentiertes Zeugnis freundschaftlicher Zusammenarbeit findet sich in vier der fünf alpinistischen Hefte Payers. Nach dessen zeichnerischem Entwurf führte Menzinger die Titelbilder aus. Es handelt sich um das Frontispizbild „Ansicht aus der Adamello Gruppe“ (1865), die „Ansicht der Königspitze von Osten (dem Eisseepass) aus“ (1867), Menzingers Gemälde „Der Ortler 12356’ von der Schwarzen Wand aus“ (1868) und das Gemälde „Der Monte Saline vom Cerno Vios aus“ (1869). Auf dem letzten Bild sehen wir vor einer großartigen Bergkulisse rechts eine Gruppe von drei Männern. Während die beiden Führer sich gerade bei einer Flasche Wein ausruhen, steht Payer hinter dem Messtisch und notiert seine Beobachtungen. Ebenfalls 1869 erschien ein Titelbild Menzingers „Die Marmolata aus dem Fassathale“ zu Payers Aufsatz „Die Bocca di Brenta“ im Jahrbuch des Österreichischen Alpenvereins (5/1869). Die Frontispizabbildung des 1872 erschienenen Heftes fertigte nicht Moritz Menzinger an, sondern der britische Holzschneider und Alpinist Edward Whymper.

      Die Jahre von 1869 bis 1872 waren Menzinger und Payer zeitweilig am Wiener Militärgeographischen Institut tätig, unterbrochen von zwei Polarreisen Payers. Als Payer im Frühjahr 1872 beabsichtigte, noch kurz vor der dritten Expedition seine Verlobte Marie Trousil zu heiraten, erstellte er eine lange Liste der zur Vermählung

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