Скачать книгу

hama gekuscht.

      A jeder hat sein Eierschädl,

      eckig oder rund,

      an reinen Stammbaum haben bei uns

      ja nid amoi die Hund.

      Die Kunst und die Kultur,

      des hama so im Bluat.

      Mia ham a reiches Erbe

      und leben davon recht guat.

      Die Geniusse wachsen do

      wie die Schwammerln und des Gras,

      nur leider san die Schwammerln

      oft von einer andern Rass.

      Schönberg, Gustav Mahler,

      Richard Tauber,

      Reinhart, Kàlmàn,

      Korngold, Karl Kraus und Kuh,

      Hammerschlag und Grünbaum,

      Werfel, Musil, Kafka,

      Stefan Zweig und Sigmund Freud.

      Mit dera Erbschaft macht am der Rassismus ka Freud.

image

       Der Surmi sui

      Er war Klassenlehrer der vierten Klasse Volksschule und trug immer einen abgeschabten, aber sportlichen Knickerbocker-Anzug, unter dem sich seine massiven Waden in weißen Stutzen wölbten. Er war streng und hatte zahlreiche Foltermethoden auf Lager. Die Prügelstrafe exekutierte er mit einem Lineal aus Metall. Seine Zöglinge hatten ihm den rätselhaften Spitznamen Surmi sui verpasst.

       Aus dem Liederzyklus „Brauer Liedermappe“

      Wann i mi jetzt an mein Lehrer erinner,

      er war so bös und so schlecht.

      Wann i mi an sein Charakter erinner,

      er war so dumm und ungerecht.

      Mir ham eam ghaßen Surmi sui.

      Erst Klass tröpfeln die ersten Watschen,

      steh ma „Hab Acht!“ in aller Fruah,

      lasst er uns sinnlose Verserln ratschen,

      klopft mit’m Stecken den Takt dazua.

      „Artig, flink und rein, müssen Kinder sein.“

      Mir ham eam ghaßen Surmi sui.

      Zweite Klass klopft er uns schon auf die Pratzen

      und lasst uns oft im Winkerl stehn,

      brüllt uns an wegn jedn Patzen

      und lasst uns net aufs Häusl gehn.

      Mir ham eam ghaßen Surmi sui.

      Dritte Klass miass ma zittern und schwitzen,

      knian auf die Erbsen en halben Tag,

      und er zerreißt ma meine Skizzen,

      weil i kan Würfel zeichnen mag.

      Mir ham eam ghaßen Surmi sui.

      Vierte Klass tragt er die Nazi-Krawatten,

      dauert mei Unterricht nimmermehr lang,

      dressiert er im Turnsaal deutsche Soldaten,

      stellt er den Juden mit’n Gsicht zur Wand.

      Mir ham eam ghaßen Surmi sui.

image

      Er selber sah sich als vorbildlichen Erzieher und war überzeugt, dass er den Kindern Gutes tat, wenn er ihnen die Finger mit seinem Lineal blau schlug. „Sauber“, „korrekt“, „hart“, „exakt“ zählten zu seinen Lieblingswörtern. In der Klasse gab es einen jüdischen Buben. Ausgerechnet ihm musste es passieren, dass in seiner Schar wohl dressierter, mehr oder weniger blonder Knaben dieser Schandfleck existierte. Was ihn dabei am meisten ärgerte, war die Tatsache, dass dieser Bub in keiner Weise dem entsprach, wie ein Judenbengel zu sein hat, nämlich ein verweichlichter Klugscheißer mit Brille und Plattfüßen. Dieser Kerl erbrachte Spitzenleistungen in so arischen Belangen wie Völkerball, Stangenklettern, Turnen und Volkslieder singen. Nach dem Einmarsch der Hitlertruppen in Österreich trug der Surmi sui eine Hackenkreuzbinde am Arm und hielt der Klasse eine glühende Rede über Disziplin und stahlharte deutsche Jungen, wobei er vergebens trachtete, seinen Wiener Dialekt etwas „aufzunorden“.

      Es wurde zu Ehren Hitlers eine Sportveranstaltung organisiert, ein Wettlauf rund um den Märzpark. Erster Preis für den Sieger ein Hitlerbild im Rahmen, zweiter Preis ein Fußball. Es kam, wie es schlimmer nicht hätte kommen können, der jüdische Bub lief allen auf und davon. Was tun? Zur Preisverteilung hielt der Surmi sui eine Ansprache, in der er nachwies, dass Juden immer unsportlich und unfair seien und führte als Beispiel den Wettlauf an, bei dem der Judenbube Brauer disqualifiziert werden musste, weil er andere beim Laufen behinderte. Das Hitlerbild ging an den Zweiten. Der Fußball an den Dritten, der natürlich am besten dran war. Für den jüdischen Buben, der in einem Elternhaus aufgewachsen war, in dem sehr genaue Vorstellungen von Recht und Unrecht herrschten, brach die Welt zusammen. Wahrscheinlich war dieser erste Schock für ihn gravierender als alle folgenden Katastrophen, die er mit der Elastizität eines Kindes verkraftete. Zunächst warteten auf ihn endlose Attacken durch uniformierte und nicht uniformierte Knaben und Bürger mit der dazugehörigen Folklore. Hier einige Beispiele:

image

      Jidderle, Jidderle, kepp, kepp, kepp,

      Schweinefleisch ist fett, fett, fett,

      Sauerkraut ist gut, gut, gut,

      o du stinkender Jud, Jud, Jud.

      Salomon der Weise sagte zu seiner Frau:

      „Sarah, du hast Läuse, du bist eine Sau.“

      In der Leopoldstadt schleicht sich a Jud,

      schleicht sich a blinder Jud,

      kriagt a poa Watschen von hint,

      dass eam da Rotz obarinnt.

      Jud, Jud, spuck in Hut,

      sagt die Mutter, das ist gut.

      Dieser merkwürdige Hang zum Reimen ließ auch bei der Ankunft Hitlers in Wien etliche Blüten entstehen:

      Lieber Führer sei so nett,

      zeige dich am Fensterbrett.

      Lieber Führer komme bald,

      unsere Füße sind schon kalt.

      Sieg Heil, Sieg Heil, Sieg Heil,

      der Jud kriegt sein Teil.

      Ein Volk, ein Reich, ein Führer,

      wir wurden immer dürrer,

      die Juden immer fetter,

      Heil Hitler, unserem Retter.

      Mit dem Tragen des gelben Sterns wurden aber alle verbalen und physischen Attacken seltener oder verschwanden ganz. Diese so offensichtlich vom mittelalterlichen Denken geprägte Schikane erschien den Leuten wohl doch befremdlich, außerdem war es so mit dem sportlichen Aspekt, Juden an ihrem Aussehen zu erkennen und zu erwischen, vorbei.

      Im Mai 1938 waren alle jüdischen Kinder in Judenschulen untergebracht. Es wurde aber laufend emigriert und in weiterer Folge deportiert, so dass sich die Klassen leerten und die Schulen, eine nach der anderen, aufgelöst wurden. Im Jahr 1941 fanden sich Mädchen und Knaben zusammengepfercht in den überfüllten

Скачать книгу