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Frau Schratt und ihr Mann – waren dank ihrer aufwendigen Lebensweise zutiefst verschuldet.

      Die Familie Kiss brauchte also dringend Geld. Und das war der Grund für Katharinas zweite Audienz beim Kaiser. Es ging um die Erträge, die der Familie zwischen Beschlagnahme der Güter im Jahre 1848 und deren Retournierung 1867 entgangen waren.

      Der Kaiser hörte sich ruhig an, was Katharina Schratt ihm vortrug, mußte sie aber in dieser Angelegenheit an den ungarischen Ministerpräsidenten Kolomán von Tisza verweisen. Das fehlende Geld sollte die Familie Kiss übrigens nie erhalten, weil Tisza der Meinung war, daß es »unstatthaft wäre, eine Familie, die infolge Leichtsinns zugrunde gegangen war, aus Staatsmitteln wieder aufzurichten.«

      Noch fehlte die schützende Hand des Kaisers …

      »DER KAISER HAT SICH BESONDERS LANG

      MIT IHR UNTERHALTEN«

       Elisabeth wird aktiv

      Franz Joseph war alles andere als ein begeisterter Ballbesucher. Kaiserin Elisabeth hatte sich – wir schreiben das Jahr 1885 – von ihrem Mann bereits stark entfremdet, sie selbst besuchte offizielle Feste äußerst selten. Der Kaiser jedoch, sein Leben lang der Inbegriff der Pflichterfüllung und des Traditionsbewußseins, ließ Cercles, Abendgesellschaften und Bälle jeder Art über sich ergehen. »Er verneigte sich«, wie es in einem Bericht aus der Zeit heißt, »bei solchen Gelegenheiten vor den Damen, denen er auch häufiger als den Herren die Hand reichte und die er wie niemand zu entzücken verstand.«.

      Fast zwei Jahre nach der Audienz »in Sachen Ernö von Kiss« sollten Franz Joseph und Katharina Schratt einander auf einem Ball wiedersehen. Als prominentes Mitglied des Hofburgtheaters war die Schratt natürlich zu allen großen Festen Wiens geladen.

      So auch alljährlich beim »Ball der Industriellen«, der in den Räumlichkeiten des Musikvereins stattfand und zu den nobelsten Festen des Wiener Faschings zählte. Die Einladungskarte des für ihre Verbindung mit dem Kaiser so wichtigen Industriellenballes des Jahres 1885 hat sie nicht aufbewahrt, die Originaleinladung des Industriellenballes, der sechs Jahre zuvor gefeiert wurde, fand sich jedoch in ihrem Nachlaß.

      Nora Fürstin Fugger, eine wichtige Zeugin gesellschaftlicher Veranstaltungen der damaligen Zeit, hinterließ in ihren Aufzeichnungen, daß die Schratt beim Industriellenball 1885, als sie Franz Joseph zum dritten Mal in ihrem Leben persönlich traf, »besonders hübsch ausgesehen und der Kaiser sich besonders lange mit ihr unterhalten« hätte. Das Gespräch fand auf der Estrade des Ballsaales statt und dürfte den Ausschlag für die nächste und vermutlich entscheidende Zusammenkunft dieser dann jahrzehntelang anhaltenden Verbindung gegeben haben.

      Als im Sommer desselben Jahres Kaiser Franz Joseph den russischen Zaren Alexander III. zu einer freundschaftlichen Zusammenkunft auf dem mährischen Schloß Kremsier traf – Gesprächsthema Nummer eins sollte die Balkanpolitik sein – war Frau Schratt wieder dabei. Als künstlerischer Höhepunkt des an und für sich hochpolitischen Treffens war ein Abend mit namhaften Wiener Künstlern vorgesehen. Das Illustrierte Wiener Extrablatt berichtet in seiner Ausgabe vom 26. August 1885 über »Die Kaiser-Entrevue in Kremsier«:

      »Selten hat eine Theater-Vorstellung einen so glänzenden Verlauf gehabt, als das théâtre paré, welches gestern Abends im Lehensaale des erzbischöflichen Schlosses stattfand. Vor Ankunft des Hofes lenkte sich das Interesse den russischen Würdenträgern zu, deren hohe Gestalten und ausdrucksvolle Mienen ihnen ein besonderes Gepräge geben … Nach einem kurzen Harfen-Präludium begann die Vorstellung. Frau Wolter und Frl. Wessely waren auf der Scene und führten den Schluß des ersten Actes der ›Sappho‹ auf. Das hoheitsvolle Spiel der großen Tragödin übte mächtigen Eindruck. Nachdem die Scene beendet, gab der Czar selbst das Signal zum Beifall, doch applaudirten nur die Allerhöchsten Persönlichkeiten, wie es der Hofsitte entspricht, und nicht nur mit Händeklatschen, sondern auch mit Zurufen: ›Sehr schön!‹, ›Bravo!‹, ›Ausgezeichnet!‹ gaben die Majestäten ihr Urtheil ab … Die frohe Stimmung steigerte sich beim Lustspiel ›Er experimentiert‹. Die Herrschaften lachten herzlich über Sonnenthal’s und Baumeister’s flottes Spiel, insbesondere über die vollendete Darstellung der Frau Schratt, die einen wirklichen Triumph feierte.«

      Als die Vorstellung beendet war, bat der Kaiser – allen höfischen Gepflogenheiten zum Trotz – auch die anwesenden Künstler zum Souper. Die Ehefrauen der Monarchen waren ebenfalls zugegen, und so lernte Kaiserin Elisabeth an diesem Abend Frau Schratt kennen, die ihr als Schauspielerin schon längst ein Begriff war.

      Kronprinz Rudolf, der ebenfalls an der Tafel Platz genommen hatte, mokierte sich in einem Brief an seine Frau Stephanie über die ungewöhnliche Kombination der Kaiserlichen Familien mit den Schauspielern: »Um acht Uhr Theater, dann Souper mit Wolter, Schratt und Fräulein Wessely; es war merkwürdig.« Elisabeth-Biographin Brigitte Hamann meint sogar, daß es »durchaus möglich wäre, daß die Kaiserin diese völlig unorthodoxe Einladung angeregt hatte, um die Schratt kennenzulernen.«

      Fest steht: Spätestens ab diesem Zeitpunkt wußte Elisabeth von der großen Zuneigung, die ihr Mann für die Schratt empfand. Ab jetzt nahm die Kaiserin die Sache selbst in die Hand. Sie war es, die jede Gelegenheit nützte, um Kaiser und Schauspielerin zusammenzuführen. Denn für sie war Katharina Schratt der ideale »Ersatz« für die Zeit, da sie Hof und Hauptstadt verlassen wollte. Elisabeth hatte sich bereits immer mehr von ihrem Mann abgewendet und jeglichen intimen Kontakt zu ihm verloren. Sie lebte mehr und mehr in einer dem höfischen Protokoll völlig fremden Welt, wollte ausgedehnte Reisen unternehmen, begeisterte sich für griechische Philosophen und den Poeten Heinrich Heine. Außerdem begann sie selbst zu dichten. Ihr ganzes Interesse galt jedenfalls all jenen Wissensgebieten, mit denen der trockene und unromantische Kaiser nichts anzufangen wußte. »Wolkenkraxeleien« nannte er die ihm völlig sinnlos erscheinenden Beschäftigungen seiner Frau.

      »AUF DEN VERSPROCHENEN TRATSCH

      BIN ICH SCHON SEHR NEUGIERIG«

       Was für den Kaiser interessant war

      Ganz anders mußte auf den Kaiser die Schauspielerin Katharina Schratt wirken. Sie stand mit beiden Beinen in der Welt. Was sie interessierte, dafür konnte sich auch Franz Joseph begeistern. Er war in der Hofburg und im Schönbrunner Schloß ein Gefangener seiner selbst, was »draußen« vor sich ging, wurde von ihm ferngehalten. Dafür sorgten vor allem seine Adjutanten und Obersthofmeister.

      Und dann kam eine Frau, die erstmals den Mut besaß, ihm zu erzählen, was außerhalb des meist recht langweiligen Hofgeschehens passierte. Das mußte ihm gefallen.

      »Die Tante Kathi hatte vor allem eine wunderbare Gabe: Sie war eine phantastische Erzählerin. Wie keine andere verstand sie es, dem Kaiser in legerem Plauderton zu berichten, was am Theater, in der Wiener Gesellschaft, in den Cercles, Salons, Stammtischen oder sonst wo ›im Volk‹ vor sich ging. Der Kaiser war an jeder Form von Tratsch interessiert. Zudem hatte sie unendlichen Charme und einen köstlichen Humor. Der Kaiser konnte nur bei ihr lachen. Und zwar so, daß ihm die Tränen heruntergeronnen sind. Der Mann, der von früh bis spät nur Unangenehmes über sich ergehen lassen mußte, fand bei ihr die Stunden des Ausgleichs. Das hat sonst niemand anderer in seiner Umgebung zuwege gebracht.«

      Der Gelehrte Gustav Marchet, als Unterrichtsminister ein dem Monarchen nahestehender Staatsmann, sagte einmal sehr treffend zur Schratt: »Sie sind das Fenster, durch das der Kaiser hinausschaut.«

      »Und

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