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Geburtsdaten aber eindeutig nachweisen, auch auf ihrem Grabstein sind sie richtig angegeben.

      Katharina Schratts Vater betrieb in der Badener Theresiengasse ein gutgehendes Schnittwarengeschäft, verkaufte also Papier- und Bürowaren, besaß aber auch eine Fuhrwerkskonzession, und zählte zu den angesehensten Bürgern der blühenden Kleinstadt im Süden Wiens. Entsprechend seiner Stellung als erfolgreicher und wohlhabender Kaufmann waren ihm zahlreiche Ehrenämter zuteil geworden. So wurde er in den Gemeinderat gewählt und als Stadthauptmann unterstand ihm auch die städtische Polizei. 42 Jahre alt, heiratete Anton Schratt die 21jährige Vollwaise Katharina Wallner. Ihr Vater Leopold Wallner war fünf Jahre zuvor als Kommandant der Badener Feuerwehr bei Löscharbeiten ums Leben gekommen.

      Antons Vater war die wohl interessanteste Erscheinung unter den Ahnen der Katharina Schratt: Johann Chrysostomus Schratt, der »Sohn vornehmer Eltern«, wie es in seinem Taufschein ausdrücklich erwähnt wird, erlernte zunächst das Barbiershandwerk und verließ 1793, als 20jähriger, seine Vaterstadt Konstanz am Bodensee, um an der Universität Wien die medizinischen Vorlesungen zu besuchen. Er absolvierte »das wundärztlich (chyrurgische) Examen und das der Geburtshilfe« und ließ sich in Baden als »Chyrurgus, Landschafts- und bürgerl. Wundarzt« nieder. Da er es durch Heirat mit der Tochter des überaus wohlhabenden Wiener k. k. priv. Buchhändlers und Antiquars Johann Georg Binz zu großem Reichtum gebracht hatte, widmete er seine Tätigkeit fast ausschließlich der uneigennützigen Pflege und Betreuung der Armen von Baden und Umgebung. Seine Hilfe dürfte aber weit über die medizinische Behandlung hinausgegangen sein, denn er war – wie die Badener Stadtgeschichtlichen Blätter (Jahrgang 1914) vermelden – »den Armen nicht nur Arzt sondern auch vielfach Retter in der bittersten Not geworden.« Als solcher von Kaiser Franz I. hochdekoriert, spielte der Großvater der Katharina Schratt eine für die Geschichte Badens nicht unbedeutende Rolle. Da die sanitären Verhältnisse Alt-Badens zu seiner Zeit kaum noch erträglich gewesen waren, entschloß er sich zur Tat: Er setzte die Beseitigung der Hofausflüsse auf die Straße durch. Ebenso war es seiner Initiative zu danken, daß die Stadttore und Mauern Badens geschleift wurden, »wodurch Schmutz und Unrath zur Abtragung kamen«. Dazu die Stadtgeschichtlichen Blätter: »Den Ruf, als reinste Stadt des Landes zu gelten, verdankt Baden ganz gewiß nur dem alten Schratt.«

      Als in den Jahren 1810 und 1813 in Baden das Nervenfieber grassierte, wurde Kreißwundarzt Johann Chrysostomus Schratt selbst von der bösen Krankheit angesteckt, wodurch er für den Rest seines Lebens fast taub blieb. Zwei Jahre nach seinem Tod kam Enkelin »Kathi« zur Welt.

      Der Stammbaum der Familie Schratt

      (soweit feststellbar)

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      »DER DIREKTOR WOLLTE MICH KÜSSEN«

       Katharina Schratt wird Schauspielerin

      Katharina Schratt wuchs also in einer wohlbehüteten, bürgerlichen Umgebung auf, ihre ganze Erziehung war durch tiefe Religiosität geprägt, die Eltern – vor allem die Mutter, die einem Großbauerngeschlecht aus dem ungarischen Sauerbrunn entstammte – waren streng katholisch. Die Religion spielte dann auch im späteren Leben der Schauspielerin eine große Rolle und der Gottesglaube war ein weiterer Berührungspunkt mit dem ebenfalls praktizierenden Katholiken Franz Joseph.

      Auch die »schmerzliche Erinnerung aus der Jugendzeit« – als der Vater die Sechsjährige von der Bühne holen mußte – konnte den Weg der kleinen »Kathi« nicht aufhalten. Sie mußte zum Theater, oder wie es ihre Nichte Katharina Hryntschak ausdrückte, die sie in späteren Jahren auch noch auf der Bühne erlebte: »Das Talent war einfach in ihr, sie konnte gar nicht anders als Menschen nachzuahmen. Was jeden faszinierte, war ihre unglaublich schöne, reine Sprache.« So war ihr Weg von vornherein klar vorgezeichnet.

      Mit 15 hatte sie dann ihren ersten »richtigen« Auftritt. Im März 1868 gab die Dilettanten-Bühne in Leobersdorf – unweit von Baden – an einem Abend mehrere Einakter. Über Vermittlung ihrer Schulfreundin, deren Vater beim Theater gewesen war, erhielt »Frl. Katharina Schratt« die Rolle der Bedienten Lisbeth in dem Lustspiel Eigensinn von Heinrich Benedix.

      Die Zeitschrift Der Sport meldet am 21. März 1868 auf der Seite der Lokalnachrichten:

      »Herzig im vollsten Sinne war Frl. Katharina Schratt als Lisbethchen, dem die Aufgabe zu Theil geworden, den Knoten des Stückes zu schürzen. Sie war wie geschaffen zu dieser Rolle, die wie auf den Leib geschrieben zu ihrer niedlichen Erscheinung paßte.«

      Den Eltern paßte die Sache hingegen überhaupt nicht. Katharina besuchte zu dieser Zeit die Mädchenschule Krones in Baden, ein Privatlehrinstitut für höhere Töchter. Doch ihr ganzes Interesse galt nach wie vor und ausschließlich dem Theater. Nun meinten die Eltern, sie könnten sie durch einen Ortswechsel auf andere Gedanken bringen. Mama ließ sie im Internat der Schwestern Haas in Köln einschreiben.

      Obwohl Vater Anton Schratt in seiner Jugend selbst am liebsten Schauspieler geworden wäre – schon als Schüler trat er im Badener Stadttheater als Fürst Dagobert in Hermann der Retter Deutschlands auf – opponierten er und seine Frau lange Zeit verbissen gegen eine Bühnenlaufbahn der einzigen Tochter. Und das ist aus der damaligen Sicht verständlich. Der Prototyp des Schauspielers dieser Zeit war der Schmierenkomödiant, der sein Leben lang über kleine Provinzstädtchen nicht hinauskam. Und so ein Künstler führte ein wahrhaft armseliges Dasein, das Ansehen in der Bevölkerung war durch den Satz »Hängt’s die Wäsch’ weg, die Komödianten kommen« hinlänglich charakterisiert. Diese Schauspieler waren oft bettelarm, ihre Gagen wurden nicht selten in Naturalien ausbezahlt, soziale Sicherheiten gab es überhaupt keine. Eine solche Zukunft wollten die Eltern ihrer Kathi verständlicherweise ersparen.

      Doch der Erfolg der Übersiedlung nach Köln war gleich Null. In unzähligen Briefen an die Eltern flehte Katharina förmlich, nach Baden zurückkehren zu dürfen. Einzig und allein des Theaters wegen. Der Vater, der die kleine Kathi über alles liebte, sah ein, daß jeder Widerstand zwecklos zu sein schien. Ohne jeglichen Schulabschluß wurde die Tochter nach einigen Monaten heimgeholt.

      Nun galt es, Katharina eine entsprechende Sprechausbildung zu verschaffen. Man entschied sich für die angesehene Theater-Akademie des pensionierten Burgtheater-Schauspielers Eduard Kierschner in der Wiener Canovagasse. Der berühmte Rezitator Alexander Strakosch wurde hier ihr Lehrer und er verstand es, ihre vorhandenen Anlagen in die richtigen Bahnen zu lenken.

      Schon nach kurzer Zeit hatte Katharina Schratt – und zwar in ihrer Heimatstadt Baden – Gelegenheit »als Gast der Wiener Theater-Akademie« öffentlich aufzutreten.

      Die Kritiker erkannten ihr hervorstechendes Talent sofort. So meint etwa der Berichterstatter der Wiener Theaterchronik, nachdem er dem Debüt der 17jährigen – man gab die drei Einakter Eigensinn, Goethes Geschwister und Gartenszenen aus Faust – beigewohnt hatte: »Frl. Schratt sieht einer sehr bedeutsamen Zukunft entgegen. Der Applaus war ein so stürmischer und wohlverdienter, daß der nüchterne Kritiker selbst mit fortgerissen wurde und gerne bekennt, unter die Claqueure gegangen zu sein.«

      Doch den größten Weitblick hatte – ohne erahnen zu können, wie sich seine Prophezeiungen verwirklichen würden – der Redakteur der Zeitung Reporta im Februar 1872. In den Räumlichkeiten der Theater-Akademie wurde eines Abends unter anderem der Schwank Die schöne Müllerin gegeben. Der Kritiker, offensichtlich kein besonderer Anhänger des seinerzeitigen Burgschauspielers Kierschner, meinte: »So war ich während der Aufführung des Lustspiels ›Die schöne Müllerin‹ nahe daran, dem damaligen Schauspieler Alles zu vergessen, und den nunmehrigen Director zu umarmen. – Ein Fräulein Schratt, welches in der Titelrolle auftrat, trägt die Schuld an meinem Enthusiasmus. Eine so blendende Erscheinung, ein so liebenswürdiges Spiel! Ich habe wahrhaft ein paar Mal den Kopf meines Theaterzettels angeschaut, um mich zu versichern, daß ich wirklich in der Theater-Akademie und nicht im Hoftheater sitze. Ich werde unsere Leser einmal an meinen heutigen Bericht erinnern, wenn Frl. Schratt als vielumworbene Künstlerin die bezüglichen Spalten unserer Tagesblätter beherrschen wird.

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