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konnte, daß man sich mitfreuen mußte, selber wenn man noch so mißmutig war.

      »Er ist nicht krank«, beruhigte er sie rasch und ließ wohlgefällige Blicke über ihre Figur fallen. Sie war wirklich eine Rassefrau, nur leider nicht die seine. Sie gehörte zu den Frauen, die zu allen freundlich waren, ihre Kameradschaftlichkeit rühmten alle, sie hatte keine Starallüren und noch nie hatte man ihren Namen mit einer Affäre verbunden.

      »Warum soll ich ihn nicht reiten?«

      »Weil er heute morgen ausgerastet ist. Er hat sich auf der Weide mit dem Schimmel vom Professor angelegt und den Kürzeren gezogen. Ich habe ihn sofort in die Box gebracht, aber er schnaubt noch immer.«

      Ihr herzförmig geschnittener Mund verzog sich amüsiert.

      »Er ist ein stolzer Mann, er kann nun mal nicht vertragen, wenn er verliert. Aber reiten werde ich ihn trotzdem. Auf Janus’ Rücken erhole ich mich am besten. Ich bin nämlich total erledigt, Werner. Nach der Premiere mußte ich den ganzen Rummel des Empfangs über mich ergehen lassen. Sie ahnen ja gar nicht, wieviel Ratsherren glaubten, etwas sagen zu müssen. Vor lauter Langeweile habe ich viel zu viel Sekt getrunken.«

      »Nehmen Sie mein Pferd, Marie-Luise«, versuchte er, sie zu überreden. Als sie energisch ihren Kopf schüttelte, seufzte er resigniert.

      »Sie und Janus passen wirklich zusammen. Sie sind genauso eigensinnig wie er. Ich helfe Ihnen, ihn zu satteln, und werde ihm meine Meinung über sein schlechtes Benehmen in die Ohren blasen. Sie gehen viel zu sanft mit dem Kerl um.«

      Sie lachte glockenhell, warf das Haar, das sie in einem dicken Zopf auf dem Rücken trug, schwungvoll zurück und strich eine vorwitzige Strähne mit anmutiger Bewegung am Ohr zurück.

      Nicht die kleinste Bewegung entging ihm. Er war in diese junge Frau bis über beide Ohren verliebt. Und das Gute war, seine Frau war nicht im mindesten eifersüchtig. Nicht, weil sie ihm vertraute, sie vertraute Marie-Luise Wagner. Niemals würde sie in einen Ehe einbrechen, niemals mit einem Mann spielen.

      Sie war eben eine ganz besondere Frau, und er durfte sie bewundern.

      »Ich bin den Umgang mit schwierigen Männern gewöhnt. Vergessen Sie nicht, daß ich am Theater bin. Mein Partner benimmt sich oft wie die empfindlichste Diva.«

      Sie betraten zusammen die Box. Marie-Luise schlang ihren Arm um Janus’ Hals und flüsterte in sein Ohr. Werner legte die Decke über Janus’ Rücken und warf den Sattel darüber.

      Geputzt habe ich ihn schon. Als ich ihn von der Weide holte, war er pitschnaß. Ist ja gut, Janus. Bist ein Braver. Aber wenn du boxt und dein Frauchen ärgerst, bekommst du es mit mir zu tun.«

      »Er versteht jedes Wort, Werner!« Marie-Luise lachte glücklich. »Nur Geduld, ich habe natürlich etwas für dich.« Sie schob den Pferdekopf sanft zur Seite, und Janus roch die Köstlichkeit, die in der ausgebeulten Hosentasche steckte, natürlich. Marie-Luise schmiegte glücklich ihr Gesicht an den schönen Pferdekopf. Mit weichen Nüstern schleckte das Tier die Möhren und Apfelstückchen aus ihrer Hand. »Genug jetzt. Den Rest bekommst du, wenn du brav gewesen bist.«

      Werner sah den beiden nach. Pferd und Reiterin schienen zu einem Ganzen verschmolzen zu sein.

      »Sie kann reiten«, murmelte er vor sich hin und beobachtete sie so lange, bis sie hinter dem Hügel verschwanden.

      Marie-Luise verschwendete nicht einen Gedanken an ihren Reitlehrer, sie dachte nicht einmal mehr an ihre Arbeit, nicht an das Drehbuch, das auf ihrem Schreibtisch lag. Sie spürte den warmen, kraftvollen Körper des Pferdes unter sich, sie saß locker im Sattel und hielt die Zügel lose in den Händen. Dicht über ihrem Kopf flogen die tief herabhängenden Zweige der Bäume vorüber, die Sonne schimmerte durch das dichte Laub, sie sah ein Stücklein Himmel und spürte, wie alle Hektik, aller Ärger von ihr abfielen. Sie war einfach glücklich.

      Sie sah das Auto, das aus dem Seitenweg kam, erst im letzten Augenblick. Wie ein boshafter Schatten war es vorüber, bevor sie es richtig wahrgenommen hatte.

      Aber Janus warf die Hufe hoch, als müßte er eine formvollendete Levarde machen, kam auf den Boden zurück und stieg noch einmal, alles so schnell, so hastig, daß Marie-Luise, die im Glücksrausch gefangen war, im hohen Bogen aus dem Sattel fiel und auf dem weichen Waldboden landete.

      »Hoppla«, das war das erste, was Marie-Luise sagte, während sie sich die schmerzhafte Kehrseite rieb. »Da bin ich doch tatsächlich aus dem Sattel geworfen. Ist mir ja schon lange nicht mehr passiert.«

      Sie war eher verdutzt als verärgert, zumal sie spürte, daß sie nur ein paar blaue Flecken abbekommen hatte. Sie schmunzelte, als sie Janus sah, der wie ein reuiger Sünder zurückkam, den Kopf tief gesenkt, als wüßte er genau, daß er sich nicht gut benommen hatte. Das schöne Tier schnaubte dicht über ihrem Kopf, blies ihr seinen warmen Atem über das Gesicht, knabberte sogar an ihren Haaren, als wüßte er nicht, was er tun sollte, um Verzeihung er erlangen.

      »Du bist mir ein guter Freund«, schalt das Mädchen ihn zärtlich. »Kannst von Glück sagen, daß ich auf dem weichen Waldboden gelandet bin. Laß das, Janus, du bist doch kein Hund, der seibert.«

      Sie schob den Kopf zurück und wollte aufstehen, als sie etwas Braunes zwischen den Blättern liegen sah. Sie nahm das Etwas vorsichtig in die Hand und drehte es.

      Es war eine Brieftasche. Dick gefüllt war sie. Die Farbe konnte man nicht mehr erkennen, es war eine Tasche, die oft in die Hand genommen worden war, abgegriffen war sie und unansehnlich von der Zeit geworden. Rührung flog über Marie-Luises Herz. Ganz plötzlich dachte sie an ihren Vater, der sich auch nicht von Dingen, die ihm lieb geworden waren, trennen konnte. Seine Brieftasche sah ähnlich aus, ebenso seine Hüte, seine Geldbörse, ja auch seine Anzüge, wenn nicht Marie-Luises Mutter darauf achtete und auf Ordnung hielt.

      Vorsichtig klappte sie die Brief­tasche auf. Sie war angefüllt mit Geldscheinen und Fotografien. Und hier steckte auch der Personalausweis.

      Noch immer auf dem Boden sitzend, studierte sie ihn. Janus hatte offensichtlich das Gefühl, genug Abbitte geleistet zu haben. Er knabberte zufrieden an den Blättern einer Birke und ließ sich die saftiges Nahrung schmecken.

      Max Gilberg.

      Die Geldscheine zählte sie nicht nach. Aber die Adresse studierte sie genau.

      Weidenweg 11.

      Mit einem Satz sprang Marie-Luise auf die Füße. Sie mußte dem Mann die Brieftasche unbedingt vorbeibringen. Er vermißte sie ganz sicher. Man durfte ihn auf keinen Fall länger warten lassen.

      Sie rieb noch einmal mit schmerzverzogenem Gesicht über ihren verlängerten Rücken und war froh, nichts gebrochen zu haben. Sie schimpfte liebevoll auf Janus. »Willst du wohl die Blätter hängen lassen? Du bist wirklich ein verfressenes Tier. Komm jetzt. Und daß du mir brav bist, sonst wird du von Werner heute abend auf halbe Ration gesetzt.«

      Im flotten Galopp durchquerte sie den Wald, auf der Straße zügelte sie das Pferd zu einer ruhigen Gangart. Janus paßte das nicht, er liebte den weichen Waldboden unter den Hufen. Er mochte es überhaupt nicht wenn die Autos so nahe an ihm vorbeisausten. Aber er muckte nicht auf, seine Herrin brauchte die Zügel gar nicht so streng zu halten.

      Marie-Luise wußte, wo der Weidenweg war. Sie fand auch das Haus sofort und wunderte sich nicht einmal darüber, daß es das Haus eines Kollegen war, der jetzt in Bremen spielte. Er hatte es günstig an einen Werbefachmann verkauft! Wie klein doch die Welt ist, wunderte sie sich, während sie vom Pferd sprang und Janus an einen Baum band. Hier würde er kein Unheil anrichten können. Auf die Straße konnte er nicht, und der Garten verdiente seinen Namen nicht.

      Das Haus sah aus, wie Marie-Luise es in Erinnerung hatte. Strohgedeckt war es, in den Fenstern, die bis zum Boden reichten, spiegelte sich die Sonne.

      Die blaugestrichene Haustür war weit geöffnet. Lärm drang heraus.

      Zögernd ging Marie-Luise über die Schwelle. Mit großen Augen sah sie auf das Durcheinander, das unbeschreiblich war.

      Auf dem

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